Umverteilung des Kapitals durch Kurzarbeitergeld?

Hallo RPausD,
wenn ich die kursierenden Nachrichten u.a. hier:
https://www.boerse.de/nachrichten/Daimler-macht-im-Corona-Jahr-2020-deutlich-mehr-Gewinn-Dividende-rauf/31667932
richtig verstehe, dann zahlt z.B. Daimler auf den Gewinn aus dem Jahr 2020 (3,6MRd EUR) seinen Aktionären jetzt 1,4 Mrd. EUR Dividende.
Oder mache ich da einen Denkfehler?

In der Beurteilung von Daimler machen viele (vielleicht auch Sie) den Denkfehler dass sie den zeitlichen Ablauf nicht beachten. Meines Wissens haben die Mitarbeiter von Daimler teilweise im April/Mai 2020 Kurzarbeitergeld bekommen. Kurz danach haben Sie an Aktionäre einen „riesige“ Dividende ausgeschüttet die sich jedoch auf das Jahr 2019 bezog. Da war das Geschrei in unseren Qualitätsmedien groß wobei das eine (KAG) mit dem anderen (Gewinn 2019) wenig zu tun hat. Als Daimler die Hilfen beantragt hatte war weder bekannt ob es eine Dividende oder einen Gewinn für 2020 geben wird, noch wie lang und wie hart der Lockdown werden wird. Damals haben die Leute Geschäfte wegen Klopapier und Pasta geplündert, da hat niemand an Auto kaufen gedacht. Denken Sie der Lufthansa war zu diesem Zeitpunkt klar dass sie in den Ruin hineinfliegt? Daher aus meiner Sicht eine völlig richtige Entscheidung des Daimler-Vorstands, hier im Sinne des Unternehmens und der Mitarbeiter die Hilfen zu beantragen. Erst im Laufe von 2020 wurde klar dass viele Konzerne vergleichsweise gut durch die Krise kommen. Wenn Sie Vorstandschef gewesen wären, hätten Sie darauf verzichtet ohne zu wissen wie schlimm die Krise wird? Vor kurzem hat Daimler seinen Vorschlag zur Dividende bekannt gegeben und jetzt ist das Geschrei wieder groß weil die Mitarbeiter ja Kurzarbeitergeld bekommen hatten. Man kann jetzt natürlich darüber diskutieren ob Daimler rückwirkend zurückzahlen sollte - aus „moralischen“ Gründen. Ich wäre aber eher dagegen, weil Daimler und deren Mitarbeiter einen rechtlichen Anspruch darauf hatten und mir die Verlässlichkeit unserer Gesetze wichtiger sind als ein paar Milliarden. Aus den gewonnenen Erfahrungen bin ich aber dafür das der Gesetzgeber für die Zukunft eine Limitierung/Schranke einbaut, dass Hauptproblem bleibt aber dennoch. Zum Zeitpunkt der Antragstellung weiß niemand - vielleicht mit Ausnahme einiger Qualitätsmedien - wie schlimm die wirtschaftlichen Konsequenzen sein werden. Es ist immer recht billig im Nachhinein den moralischen Zeigefinger zu heben insbesondere wenn es um Geld anderer Leute geht. Aber stellen wir uns doch mal folgende Frage: Wann haben Sie oder ich oder die anderen hier im Forum denn das letzte Mal auf etwas verzichtet was Ihnen laut Gesetz zugestanden hat?

Aus meiner Sicht macht die Diskussion zu Daimler/VW irgendwie Sinn und dennoch führt sie am Ziel vorbei. Egal ob Daimler/VW KAG annehmen oder nicht, der normale Bürger hat doch deswegen nicht wirklich mehr oder weniger Geld in der Tasche. Lasst uns lieber eine vernünftige Vermögenssteuer und eine höhere Besteuerung von leistungslosen Einkommen (Aktien, Immobilien) einführen und damit die normale Einkommensteuer senken - dann herrscht wieder mehr Steuergerechtigkeit im Land …

… der angehängte Artikel zeigt gut wie irreführend Statistik sein kann. Man muss sich eben nur den passenden Teil aus der Wahrheit rausschneiden. Sinngemäß sagt der Artikel dass die Dividende deutlich steigt, um 0,45 Euro von 0,90 Euro auf 1,35 Euro. Sieht nach goldenen Zeiten für die Aktionäre aus, oder? Etwas anders würde man die Sache beurteilen wenn man weiß das die Dividende in den beiden Vorjahren 3,65 Euro und 3,25 Euro betragen hat …

1 „Gefällt mir“

Nein, hätte ich schon deshalb nicht, weil meines Wissens sich Vorstände bzw. Geschäftsführer von Kapitalgesellschaften gegenüber ihren Aktionären / Gesellschaftern haftbar machen, wenn sie zum Nachteil dieser auf Gewinnchancen verzichten.

1 „Gefällt mir“

Hallo RPausD,

das ist doch schön. Wir sind uns also alle einig dass die Gesetzesregelung entsprechend TRqs Vorschlag 2,) vom 4. März zu ändern eine gute Idee wäre?

2 „Gefällt mir“

Hallo RPausD,
anders beurteilen würde ich das nicht. Der Sachverhalt, den wir hier diskutieren, hat nichts mit der Höhe der Dividenden zu tun - eher damit, dass überhaupt eine gezahlt werden kann und wird.

Hallo @Hasenkoettel ,
ja, dem stimme ich zu. :slight_smile:

Ich würde gerne dieses Thema nochmal aufmachen, da der Spiegel nochmal aufgegriffen hat. Daimler will die Dividente trotz Staatshilfen erhöhen.

https://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/trotz-kurzarbeitergeld-daimler-will-aktionaeren-hoehere-ausschuettung-zahlen-a-d56dc650-a515-4b7b-b18b-297592270294?sara_ecid=soci_upd_KsBF0AFjflf0DZCxpPYDCQgO1dEMph

Da der Staat das Kurzarbeitergeld mit etlichen Milliarden bezuschussen musste wird faktisch Steuergeld ausgeschüttet. Zusätzlich werden diese Unternehmen sogar noch gefördert bei E-Autos und sogar bei Hybriden. Wenn man dann bedenkt dass bis heute nicht jede Pflegerin oder Pfleger einen Corona-Bonus erhalten haben wird es eklig. Ich finde, dass die Politik dazu schweigt fördert leider auch die mangelnde Solidarität beim Tragen der Maßnahmen. Hierzu muss ich mich nur in meinem Bekanntenkreis umhören. Und dort sind gebildete Menschen, die in Parteien waren oder Politik- und Wirtschaftswissenschaften studiert haben.

1 „Gefällt mir“

Liebe Lage, bitte liefert uns mal eine neutrale Sicht zu diesem Thema. Ich selbst bin Angestellte bei BMW. Mir fehlt das Verständnis, dass wir letztes Jahr Kurzarbeitergeld erhalten haben, jedoch jetzt Rekordzahlungen zur Gewinnbeteiligung.

Der Vorschlag ist interessant - birgt aber zwei Risiken:
Warum sollte man als Unternehmen, welches KAG bezogen hat, in Deutschland Gewinn ausweisen?
Und: Warum sollte der Gewinn aus anderen Staaten zur Refinanzierung in Deutschland herangezogen werden- ist dies nicht eine Form der doppelten Besteuerung?
Beispiel: Wenn ein deutscher Konzern in Deutschland 100 Mio. Verlust macht, und in Frankreich 200 Mio. Gewinn, dann ist das Konzernergebnis vor Steuern 100 Mio. und nach Steuern vielleicht 70 Mio - von denen dann der deutsche Staat etwas abbekommen soll - obwohl in Deutschland vielleicht gar kein Wert geschaffen wurde?

Das sollte doch nicht das Ziel sein. Die Alternative zum Kurzarbeitergeld ist, alle temporär unnötigen Arbeitnehmer vor die Tür zu setzen. Diese Hire&Fire Mentalität der USA ist in Deutschland kulturell nicht gewünscht.

Ein paar verknüpfte Gedankengänge die mir beim Lesen gekommen sind.

  • Lieferungen aus anderen Ländern sind durch Corona nicht bei uns angekommen. Deshalb haben die Arbeiter in Deutschland keine Arbeit.
  • Das nennt sich doch unternehmerisches Risiko.
  • Kurzarbeitergeld wird gezahlt um eine finanzielle Schieflage der Firmen zu verhindern.
  • wenn jetzt diese Firmen für den entsprechenden Zeitraum Gewinne ausschütten hat es diese Schieflage offensichtlich nicht gegeben.
  • wenn es diese Schieflage nicht gegeben hat oder nicht so gravierend war wie gedacht war die Subventionierung durch Kurzarbeitergeld doch nicht notwendig.
  • warum soll dann das Kurzarbeitergeld nicht wieder zurück gefordert werden? Denn der Grund für Auszahlung war ja nicht gegeben. Die Firmen hätten die Lohnkosten ja selbst decken können.
2 „Gefällt mir“

Ich hätte jetzt gerne mein einfaches Weltbild zurück. Auch mal wieder was gelernt.

Wirklich? Die Gewinne aus 2019 können nicht für so Situationen wie 2020 „verwendet“ werden? Das ist ein lange bestehendes Problem von Aktienkonzernen: sehr kurze Organisations- und Planungszyklen. Also Betriebswirtschaftlich ist das dahinschmelzen von Kapitaldecken zugunsten von Aktionären schon mehrfach kritisiert worden und ein globaler Trend.

Dazu kommt: Würden die Mitarbeiter gekündigt, dann hätte auch Daimler den Schaden. Denn die suchen sich dann auch mal andere Jobs und kommen langsamer ‚zurück‘. Hier stellt Daimler die Situation doch auch zu eigenen Gunsten dar.

Ich gehe davon aus, dass die Konzerngewinne die Menge des Kurzarbeitergeldes übersteigen. Ein Konzern nutzt halt was er nutzen kann. Aber das muss ich nicht moralisch oder richtig finden.

Jein. Ja, hätten die beiden Konzerne schon lange eine klare Agenda Produkte zu Entwickeln die Zukunft haben. Mir fällt es schwer, den Organisatoren von Dieselgate (dessen Folgen ja über Diesel hinausgingen) hier noch einen Vertrauensvorschuss zu geben. Die beiden Firmen haben durchaus bewiesen das ihnen Recht und Gesetz egal sind wenn es ums geld geht. Aber ja … klar sofort Vermögenssteuer bitte.

2 „Gefällt mir“

Der Gewinn 2019 kann nicht deswegen reduziert werden, weil es in 2020 Kurzarbeit gab und Hilfe vom Staat/Steuerzahler kam. Rückwirkend kann sich ein Gewinn z.B. ändern wenn Fehler/Betrug in der vergangenen Berichtsperiode begangen wurde.
Der Teufel steckt im Detail. Es hängt davon ab, was Du unter „Verwenden“ verstehst. Richtig verwenden kann man ja nur Cash und weniger den Gewinn, wenn Du zum Beispiel Buchgewinne durch Finanzakrobatik erzeugst aber dafür kein Cash in der Kasse hast, kannst Du Dir davon auch nichts kaufen. Das Geld liegt in der Kasse oder ist bereits ausgeschüttet. Dem einzelnen Euro in der Kasse siehst Du nicht an, ob Du ihn in 2019 oder 2010 verdient hast.
Um genau auf Deine Frage zu antworten, das Cash aus dem Gewinn 2019 (insofern nicht voll ausgeschüttet) kannst Du natürlich für 2020 verwenden, Du wirst nur nicht wissen ob der Euro zu Erträgen 2010, 2019 oder 2020 gehört. Ergo, der Gewinn 2019 hat damit direkt nix zu tun und die Auswirkungen aus dem Kurzarbeitergeld wirst Du erst im Gewinn 2020 sehen, der aber erst in 2021 berichtet wird.

Ich würde in vielen Teilen zustimmen, würde aber zwei Punkte anfügen. Zunächst erstmal müssen es hunderte wenn nicht tausende Menschen gewesen sein, die bei der Betrugssoftware und ihrer
Umsetzung mitgewirkt haben. Hier würde ich mir die Frage stellen, was ist aus unseren Ingenieuren geworden, was ist unsere heutige Mentalität? Meine zweiter Punkt wäre die Frage: Wenn wir nicht auf die Innovationskraft unserer Automobilunternehmen (und deren Zulieferer) setzen, wer wird es in Zukunft richten?

was sollen die richten?
Die Mobilitätswende oder die Klimakrise oder die sozialen Verwerfungen?
Ja wir werden in allen Bereichen Innovationskraft benötigen, aber die wird ganz sicher nicht von der Automobilindustrie mit ihren Scheuklappen kommen. Die Innovation die wir brauchen muss mit Weitsicht über viele Bereiche erfolgen.