Umsatzsteuer: massiver Bürokratieabbau möglich?

Ich raufe mir die Haare, wie viel Aufwand in das Ein- und Ausbuchen der Umsatzsteuer bei Betriebsausgaben fließt, während sie für den Staat letztlich ein Nullsummenspiel ist. Warum löst man das im Jahr 2024 nicht eleganter?

Das Problem: Derzeit besteht bei der Umsatzsteuer für gewerbliche Waren und Leistungen ein gewaltiges Linke-Tasche-rechte-Tasche-System, bei dem der Staat sich erzwungenermaßen zum Gläubiger der USt-Einnehmenden Unternehmen macht, während Gewerbetreibende einen riesigen Aufwand betreiben müssen, um die ausgegebene MwSt als USt geltend zu machen. Der volkswirtschaftliche Schaden ist beträchtlich.

Ein Vorschlag: Bei betriebsbedingten Einkäufen wird bereits beim Kauf ein Nachweis geführt, dass die Ware/Leistung zum Erwerb genutzt wird. Als Nachweis könnte die Zahlung über ein entsprechendes Firmenkonto genügen, dessen Kontoauszüge ja potenziell einer Prüfung durch das Finanzamt unterliegen. Auf den Bankkarten stehen dann der Firmenname und/oder die Branche der Gerwerbetreibenden.

Falls das nicht möglich ist, könnte über einen persönlichen Code eine Information offen abrufbar, auf welche Waren sich das für welchen Betrieb bezieht.

Wenn ein Schlosser also Parfüm kauft, wäre er nicht legitimiert, dies MwSt-frei zu tun. Kauft er dagegen im Baumarkt ein, zahlt er nur den Nettopreis. Der Bürokratieaufwand, den Kauf bestimmter Dinge einmal zu legitimieren, dürfte wesentlich geringer sein, als die Verwaltung der gewaltigen Geldsummen, die hier im Kreis fließen.

0,001 Prozent der eingesparten Buchhaltungskosten und Steuerberatungs-Honorare bitte auf mein Konto. Danke!

Also ich beziehe einige digitale Dienstleistungen schon ohne Umsatzsteuer. z.B. Adobe Creative Cloud. Ich habe da meine Ust-ID angegeben (bin Freiberufler) und die Abbuchung erfolgt ohne Ust.

Rechtlich scheint das also schon möglich zu sein, auch ohne zusätzlichen „persönlichen Code“. Muss nur von den Verkäufern auch umgesetzt werden. Aber wenn man das vorschreibt, dann klagen die wieder nur über „zu viel Bürokratie“. Wie man’s macht, macht man’s eben falsch.

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Adobe ist nicht in Deutschland ansässig – das ist der Grund, warum keine USt berechnet wird. Ich habe auch Rechnungen an Kunden in Spanien oder den USA, die dann ohne USt laufen. Das ist für mich kein Mehraufwand, ich trage halt eine Null ein.

Eine Prüfungspflicht wäre natürlich ein bürokratischer Vorgang, aber vielleicht kann man das sogar der/m Käufer:in selbst überlassen, dass kein Wildwuchs entsteht und es stichprobenweise in den Kontoauszügen des Firmenkontos prüfen. So wie man bei „Metro“ gewerblich einkauft und halt eine Karte vorzeigt, dass man dazu berechtigt ist.

Vielleicht wäre es sogar sinnvoll, das an gar keine Prüfung zu knüpfen, sondern nur mit Firmenkonten erlauben, die einer buchhalterischen Prüfung unterliegen. Ich glaub, ich aktualisier das mal in meinem Vorschlag. Danke für den Einwand!

Als Bilanzbuchhalter, der auch in der Steuerberatung gearbeitet hat, stimme ich zu, dass es sicherlich Optimierungsmöglichkeiten bei der Umsatzsteuer gibt. Das aktuelle System ist eben über Jahrzehnte gewachsen. Wenn ich bedenke, wie viel Arbeitszeit die Steuerfachangestellten (idealerweise die Azubis…) beim Verbuchen von Einzelhandelsrechnungen verschwenden müssen, um schön alle Artikel nach 7% und 19% Umsatzsteuer aufzuschlüsseln, wird schon deutlich, dass das Ganze sehr ineffizient ist.

Bei jeder Neuregelung müsste natürlich bedacht werden, dass das Missbrauchspotenzial riesig ist, also irgendwie sichergestellt werden muss, dass umsatzsteuerfreie B2B-Einkäufe auch tatsächlich nur für Waren und Dienstleistungen getätigt werden können, die sicher betrieblich verwendet werden. Ich kann mir da auch nur Möglichkeiten vorstellen, die darauf hinauslaufen, dass solche Einkäufe nur über Konten getätigt werden können, die für Unternehmen registriert sind und damit automatisch vollumfänglich in der Buchhaltung erfasst werden.

Alternativ muss man allerdings auch überlegen, dass Datev, Agenda, SAP und co. mittlerweile digitale Buchungen auch schon weitestgehend automatisiert verwalten können, die Alternative zur Reduktion des Buchhaltungs-Aufwands durch Änderung der Gesetzeslage ist daher die Reduktion des Buchhaltungs-Aufwand durch Automatisierung. Dieses einfache „die Rechnung von Metro mit ihren 200 Posten nach Mehrwertsteuer aufschlüsseln und in die Buchhaltung übertragen“ ist im Prinzip eine Aufgabe, die wie gemacht ist für die aktuelle Generation der KI. Daher ist die Frage, ob es überhaupt einer Gesetzesänderung bedarf oder sich das Problem vielleicht auch von selbst erledigt.

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Danke für Ihren fachkundigen Kommentar! Zwei Anmerkungen von mir dazu:

  • Als Freiberufler habe ich mit Datev und SAP keine Erfahrung. Kann sein, dass es Software gibt, die das effeizient erledigt, aber mit meiner händischen Buchhaltung ist die USt für mich eine unnötige Last. Ich freue mich schon auf eine passende smarte Software, die für Laien wie mich bedienungsfreundlich genug ist und z.B. meinen Kontoauszügen die jeweiligen Rechnungen zuordnen kann.

  • In jedem Fall bleibt es ja dabei, dass ich 19% meiner Einnahmen zurückhalten muss, da ich sie dem Staat schulde, in meinem Fall vierteljährlich. Wehe mir, wenn ich das nicht im Blick habe!

Für solche Leute wie Dich hat der Staat Einkommensteuervorauszahlungen eingeführt. Denn eigentlich gab es die Lohnsteuer für den einfachen Arbeiter, der die vorauszahlen musste, da der Staat ihm unterstellte, mit Geld nicht umgehen zu können und den Unternehmer, der mehr eigene Verantwortung tragen kann und darum die Steuer erst später zahlen muss. Da das nicht funktionierte, gibt es nun die Vorauszahlung.
Es ist also ein Privileg, die 19% nachzahlen zu dürfen.
Ansonsten wird es Änderungen nur im Einklang mit der EU geben, die ihr Umsatzsteuerrecht seit langem mit „vorübergehendes Provisorium“ überschreibt. Ja, hier gibt es definitiv Handlungsbedarf. Ob da weniger Bürokratie rausspringen wird? Wer weiß.

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Ich bin auch Freiberufler.
So umständlich finde ich das System nun nicht. Aktuell arbeite ich mit einem wirklich uralten Buchhaltungsprogramm. Ich mache monatliche die Umsatzsteuer und muss einfach jde Zahlung/Einnahme einer Kategorie zuweisen. Daraus ergibt sich dann auch der USt Satz. Und hinten purzeln die Zahlen raus, die ich dann im Elster eingebe.
Ich denke, wenn ich mir eine modernere Software anschaffen würde, würde die das sogar automatisch an Elster vermitteln.
Da ginde ich andere Teile des Steuersystems wesentlich anpassungswürdiger. Ich bin ja immer noch Fan des Kirhhof Modells.

Ich mach das mit Excel und hoffe demnächst CSV-Kontoauszug zugrunde legen zu können. Pro Monat brauche ich ca. 6 Stunden, um alle Barquittungen zu scannen, Rechnungen mit Kontoaszügen abzugleichen und tip-top zu sortieren. Das wäre also ein volkswirtschaftlicher Schaden von 480 € im Monat – im Gegensatz zu meinem Modell, dass man sich den ganzen Vorgang komplett spart und einfach stichprobenartig kontrolliert wird, ob man USt-freie Einkäufe nur zur entsprechenden Branche passend getätigt hat.

Ich hatte es ja so formuliert, dass der Staat sich damit zwangsweise zu meinem Gläubiger macht. Es ist mir unangenehm, Schulden bei jemand zu haben. EkSt ist ja was anderes, aber tatsächlich hat sich Vatter Staat neulich mal überlegt, bei uns jetzt auch die Vorauszahlung geltend zu machen, d.h. wir zahlen jetzt für drei Jahre EkSt auf einmal. Fühlt sich richtig gut an – nicht. Nach vielen Nachweisen war das FA dann so gnädig, eine Stundung / Abzahlung zu bewilligen. Jetzt kann man sagen: Hättste mal die entsprechenden 5-stelligen Beträge zurückgelegt … Klar, aber ich will ja auch noch Rücklagen behalten, falls mal was anderes Wichtiges ist.

Mit welcher Software arbeitest du da? Gibt es eine Erschwingliche für Freiberufler (gern Mac-tauglich)?

Sei froh, dass es nun passiert ist. Denn einmal ist es hart. In Zukunft ist es aber nur noch einmal statt dreimal und läuft ganz normal weiter.
In schlechten Jahren lässt du die Vorauszahlungen reduzieren, in guten Jahren legst du etwas zurück.
Der Staat tut das aus gutem Grund. Er ist nämlich meistens der Gläubiger, der am Ende unter die Räder kommt und in die Röhre schaut.
Günstige Software gibt es einige: lexware und sage z.B.

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