Hallihallo! Ich weiß nicht ob das hier die richtige Stelle ist aber ich hätte einen möglicherweise interessanten Themenvorschlag:
Momentan wird in SH ganz doof mit Lehrkräften umgegangen.
Es herrscht Lehrer:innenmangel. Gleichzeitig finden viele junge Lehrkräfte keine Stelle, da die Planstellen (also die Stellen, die nicht befristet sind) gekürzt werden und wenn sie neu ausgeschrieben werden häufig mit einer Abordnung + verbunden sind. Dabei muss die Lehrkraft zuerst für 3 Jahre an eine andere Schule, die Bedarf hat. Diese befinden sich häufig in Randgebieten, die sehr schlecht erreichbar oder aus anderen Gründen (Gewalt, Arbeitsbedingungen etc.) sehr unbeliebt sind. In meinem Fall geht es um eine Stelle in Kiel/Bordesholm und eine „Problem“Schule in geesthacht oder heide. Das sind 1,35 Stunden Fahrt pro Strecke. Dabei wird erwartet, dass wir umziehen und nach 3 Jahren zurückziehen. Kein Mensch zahlt im Anschluss die höheren Kosten. Auch werden Ausfallzeiten durch lange Krankheiten oder Schwangerschaften an die drei Jahre angehängt. Es macht auch keinen Unterschied, ob Partner:innen/Familien ortsgebunden sind. Ich selber habe ein Examen mit einem 1,2er Schnitt und unterrichte Chemie und Bio, wobei Chemie ein Mangelfach ist. Das ist für die Abordnung aber egal. Es wird der Druck in einer Form von Erpressung ausgeübt, da es auch kaum noch befristete Stellen gibt mit denen man sich über Wasser halten kann. Obwohl diese Stellen benötigt werden. An meiner alten Schule wird jetzt in einem Jahrgang Chemie komplett gestrichen aus Personalmangel - trotzdem darf nicht ausgeschrieben werden. Weiter wird eine Planstelle, die mit Abordnung + ausgeschrieben ist und nicht besetzt wird, nicht wie üblich durch Vertretungen gedeckt, sondern bleibt unbesetzt, um den Druck weiter zu erhöhen. (Danke an Karin Prien)
Dadurch haben viele vor allem junge Lehrkräfte große Sorgen und es kommt zu ständigem Wechsel, was auch Abschlüsse von Schüler:innen beeinflusst. Viele denken darüber nach das Bundesland zu wechseln.
Auch die Gewerkschaften halten die Füße still, da es Gerüchte aus dem Ministerium gibt, dass wenn die Abordnung+ scheitert ältere, bereits verbeamtete Lehrkräfte an diese Schulen zwangsversetzt werden sollen und diese einen Großteil der Gewerkschaften ausmachen.
Wir sind verzweifelt! Vor allem, weil keine Infos an Eltern, Schüler:innen und Außenstehende gegeben werden und der Aufschrei ausbleibt.
Ich würde hier ein wenig differenzieren. Dass Stellen nicht ausgeschrieben werden obwohl ein Bedarf vorliegt ist ja in vielen Bundesländern ein Problem.
Dass Lehrer nicht sofort an ihre Wunschschule kommen sondern auch erstmal an Stellen kommen die anderweitig schwer zu besetzen sind finde ich nicht generell zu verurteilen. Irgendwie müssen ja Stellen auch besetzt werden die ansonsten weniger attraktiv sind. Technisch dürfte es kaum möglich sein jeden Lehrer direkt am Wohnort anzustellen und somit gibt es nur die Möglichkeit, dass entweder viele Lehrer erstmal woanders unterrichten bevor sie am Wunschort eingesetzt werden könne oder die Möglichkeit, dass ein Großteil der Lehrer direkt eine schöne Stelle bekommt und dafür ein kleiner Teil dauerhaft bei den weniger attraktiven Stellen bleiben muss.
Ich fände letzteres da nicht wirklich besser. Natürlich sollten aber Gründe wie Kinder, Eltern die gepflegt werden müssen, etc. berücksichtigt werden, aber zumindest in Bayern wird es das meines Wissens nach.
Irgendwer muss dort arbeiten. Wer soll das denn sein?
Erstmal: Ich stimme dir zu, dass das nicht toll ist. Aber Einordnung:
ist das eine verbeamtete Stelle? Dann kannst du ja theoretisch eh im Land rumgeschoben werden, oder?
wer hat die 1.35h bestimmt? Denn eine zumutbare Beschäftigung ist bei bis zu 2.5h hin- und Rückweg (zusammen), wenn ich das richtig verstehe. Das gilt nicht nur für „gute“ Jobs, wie Lehrer, sondern auch für Bürgergeldempfänger: https://www.arbeitsagentur.de/datei/fw-sgb-iii-140_ba035995.pdf
Bei einem Fahrtweg von 1,35h von Kiel nach Heide bzw. Geesthacht, muss ein Umzug bzw. eine Dienstwohnung in Betracht gezogen werden sollte. Bei Beamten kann die Residenzplicht-Karte gezogen werden, womit eine Dienstwohnung dann gesetzt ist.
Das Ganze ist sehr spannend vor dem Hintergrund, dass Schleswig-Holstein meines Wissens nach seit Jahren kaum Lehrkräfte ausbildet und einstellt. Ich kenne eine ganze Reihe von Referendaren, die in den letzten zehn Jahren nach Schleswig-Holstein wollten, und dann meist in Hamburg oder Nordniedersachsen gelandet sind. Und ich frage mich seit zehn Jahren, wie Schleswig-Holstein sich das leisten kann. (Dass die Boomer jetzt in Pension gehen, war ja abzusehen.)
Es wurde ja schon darauf hingewiesen, dass Sachsen ähnliche Spielchen treibt, und auch Brandenburg macht sich bei Lehrkräften gerade massiv unbeliebt, weil die Pflichtstundenzahl erhöht wurde und somit dringend benötigte Lehrerstellen wegfallen. Ich glaube nicht, dass Brandenburgs Hoffnung, dass die Berliner-Speckgürtel-Lehrkräfte dann aufs Land gehen, sich erfüllen wird.
Es bleibt festzuhalten, dass im ländlichen Raum nun nach den Ärzten auch die Lehrkräfte wegbrechen und es bald im ländlichen Raum kaum noch Akademiker geben wird.
Das Land muss ja schon auch das große ganze im Blick haben. Die Frage ist: Was wäre denn die Alternative?
Man könnte Beamte an die unattraktiven Schulen zwingen. Insbesondere wenn dies ältere Kollegen betrifft haben diese ja aber oftmals ihren Lebensmittelpunkt schon Jahre bis Jahrzehnte gesetzt. Das heißt dort würde man wohl auf noch größeren Wiederstand treffen, sodass man wahrscheinlich mit einer gewisse Quote an Kündigungen rechnen müsste die das Lehrermangel-Problem sogar noch verschärfen.
Von daher finde ich die Idee junge Menschen die vlt. noch etwas mobiler sind zeitweise für die unattraktiven Regionen herzunehmen erstmal schlau. Schön wäre es natürlich wenn man dies mit einer sicheren Verbeamtung belohnen würde („3 Jahre in Region X = Beamtentum und erste Wahl im Vergabeverfahren“). So könnte das ja sogar für beide Seiten was gutes haben.
Ansonsten gilt für die persönliche Situation, dass man auch über eine zeitweise Zweitwohnung nachdenken könnte wenn die Pendelstrecke zu weit erscheint. Zumindest so lange keine Kinder da sind. Und wenn man eine halbwegs gute Schulleitung erwischt kann die beim Stundenplan ja vielleicht auch versuchen diesen Kollegen den ein oder anderen unterrichtsfreien Tag zu ermöglichen oder zumindest
nicht Tage mit nur einer Stunde einzuplanen.
Ich kann verstehen, dass dieser Zustand für die individuelle Lebenssituation unbefriedigend ist. Aufgrund eines privaten Umzugs musste meine Frau (Lehrerin) auch 1.5 Jahre 130km pendeln was ca. 2h einfache Strecke entspricht. Das war nicht schön zumal wir damals bereits ein Kind hatten. Die Situation war natürlich selbst gewählt.
Ansonsten bin ich Freund des Mottos: change it, take it or leave it. Du hast ja den Bundesland-Wechsel als Option schon angerissen.
Ich weiß nicht ob das bei Beamten möglich ist, aber man könnete mit Gehaltsunterschieden arbeiten. Je nach Ort bekommt ein Lehrer unterschiedliches Gehalt. Also ein Lehrer der an einer Schule arbeitet, wo sonst keiner hin will bekommt mehr Gehalt, als ein Lehrer an einer Schule an die jeder will.
Ich denke, wie auch die meisten Kommentierenden hier, dass der Umgang mit den Lehrkräften erstmal grundsätzlich in Ordnung ist. Zumindest insofern, als zuviel Lehrkräfte (auch ausbildungsbedingt) zu sehr Fachlehrer sind und zu wenig pädagogische „Frontschweine“, die auch dahin gehen wollen, wo es weh tut. Regelungen ala Berlin, wo die Lehrkräfte und Schulen freier entscheiden dürfen, geben der Todesspirale der Bildungsungleichheit nur noch zusätzlich Schwung. Da muss das Land steuernd eingreifen (ist natürlich nur ein Pflaster auf der großflächig blutende Wunde vielschichtig falscher Bildungspolitik).
Die andere Frage ist, wie man das besonders schlau und effizient umsetzt. Lehrkräfte arbeiten eh zuviel (anders ist die hartnäckige Weigerung der Dienstherren, die Arbeitszeit genauer zu erfassen kaum erklärbar) und fallen extrem zahlreich und langfristig mit typischen Überlastungserscheinungen aus. Dann kann man bezüglich Pendelei zwar sagen „das ist zumutbar“, aber man nimmt in Kauf, dass jemand arbeitet, wo er nicht arbeiten will und wo die Anforderungen auch oft nicht dem Fähigkeitsprofil entsprechen und dann bekommt er zusätzlich auch abseits der Präsenzzeit vor Ort Schwierigkeiten seinen privaten Kram zu organisieren, sich zu regenerieren etc. Wie nachhaltig das ist, wie hilfreich unmotivierte Kollegen für eine Brennpunktschule sind, da habe ich Bedenken. Warum man bei Umzügen bspw. Nicht zusätzlich unterstützt oder begleitende Coachings anbietet oder Entlastungsstunden, um die Pendelzeiten aufzufangen, oder ähnliche Anreize, ist mir schleierhaft. Man kann das so machen, aber kluges Personalmanagement geht vermutlich anders.
Für mich fängt das Problem damit an, dass die Ausbildung grade für Gy/Ge vor allem fachlich qualifizierte Lehrkräfte anlockt und deren Stärken ausbildet. Kinder- und Jugendpsychologie, Beziehungsarbeit mit Eltern und Kindern etc. Pp. kommen zu kurz. Es wird nicht klar genug kommuniziert, dass Brennpunkt-Gesamtschule ein reales Einsatzszenario ist, es werden nicht die passenden Leute rekrutiert, es wird nicht dafür ausgebildet und dann gibts nur noch schlechte Alternativen.
Als würde ne Armee nur Piloten ausbilden und dann aus der Not heraus einige von denen als Infanterie einsetzen und sich dann wundern, warum die unzufrieden sind.
Ich würde aber vermuten, dass der den gegenteiligen Effekt hat. Schulen in Städten sind wahrscheinlich beliebter und dort hat man dann gleichzeitig höhere Lebenshaltungskosten. Aber wenn es sowas wie einen Ortszuschlag gibt, ist es ja vielleicht tatsächlich möglich den so Umzudrehen, dass er für die Schulen gilt, die „unbeliebter“ sind.
Bei Schulen die unbeliebt sind weil sie z.B. in einer sehr ländlichen Region sind mag das funktionieren, da wirken finanzielle Anreize sicherlich ganz gut, bei Schulen mit schwierigen Verhältnissen dagegen ist dieser Anreiz wohl kaum wirksam. Dort ist einfach die Belastung deutlich höher. Nicht nur im Unterricht, sondern auch was den Aufwand für Vorbereitung angeht.
Hier würde es wohl mehr helfen wenn ein Lehrer dann bei vollen Bezügen nur z.B. 23 Stunden statt 27 Stunden unterrichten müsste. Das würde auch dagegen helfen, dass Lehrer an solchen Schulen oft schnell ausbrennen.
Zudem müsste es vor allem auch an diesen Schulen einfach viel mehr gezielt eingesetztes Personal geben wie Sozialpädagogen, Förderlehrer, etc.
Edit:
Und bei Brennpunktschulen wäre es wohl auch hilfreich generell zu entschärfen. Das fängt mit gezielterer Förderung in Kitas an (dazu müssten diese wohl für viele Gruppen kostenlos sein) und geht über eine andere Verteilung der Schüler (nicht stur nach Sprengel sondern gezielte Mischung) bis hin zu den spezifischen Fördermaßnahmen an der Schule selbst. Dann würden diese Schulen auch für Lehrer ein anderes Klima bieten können.