Umgang der Parteien mit der AFD

Das Thema taucht ja in der Lage immer wieder auf mit dem Tenor: Wenn andere Parteien Themen (also vor allem Migration) und Haltungen dazu übernehmen, zahlt das immer auf das Konto der AFD, weil die Leute „das Original wählen“.

Gleichzeitig wurde in der letzten Lage mal wieder Strauß zitiert mit seinem „Rechts der CDU-Diktum“ und in dem Zusammenhang hieß es gerade die CDU „zivilisiere“ die Rechtsaußen in der Bevölkerung eben nicht mehr in das demokratische Parteienspektrum wie sie das früher getan habe und dadurch entstünden „freie Radikale“, die zur AFD strömen.

Beides ergibt für mich Sinn und scheint mir zuzutreffen, aber was ist denn dann nun die Handlungsmaxime, die ihr für die (gerade konservativen) Parteien für richtig haltet? Denn als solche scheinen mir die beiden Aussagen sich zu widersprechen.

Denn vorhandene Rechtsradikale durch extreme Rechtsaußenpositionen „integrieren“ scheint mir etwa das gleiche zu sein wie „AFD-Haltungen“ übernehmen.

Und noch ergänzend: Die „demokratischen Parteien“, das sind wir! Wer unzufrieden mit der Leistung der aktuellen Politik ist, der kann da ganz leicht was dran ändern und selber Politik machen. Bei uns suchen CDU, SPD, Grüne und freie Listen auch in diesem Kommunal-Wahljahr wieder verzweifelt nach Leuten, die sich engagieren wollen. Das muss noch nichtmal ein Listenplatz oder Bürgermeisteramt sein. Auf allen Kommunalen Ebenen gibt es in den Ausschüssen der Gemeinde- und Kreisräte in der Regel „Beisitzer“, die nicht gewählt, sondern von den Fraktionen entsandt werden und dort Sacharbeit mitmachen. Auf kommunaler Ebene sind die Parteigrenzen inhaltlich fließend, da findet im Zweifel jeder bei irgendeiner Partei Anschluss.

Und wer partout nicht „Politik“ machen will, der kann Probleme natürlich auch anderweitig angehen. Die Grundschule läuft nicht so, wie ihr das wollt? Da gibt es Elternvertretungen und Fördervereine, die unglaublich was bewegen können, wenn es Menschen gibt, die sich engagieren. Ihr habt Angst for Überfremdung? Jedes Kaff hat einen Kultur- oder Geschichtsverein, in dem Brauchtumspflege betrieben wird. Mangelnde Integration hält euch Nachts wach? Mitarbeit in der Flüchtlingshilfe oder in Patenprojekten leisten da ganz konkrete Beiträge.

Meine Theorie: Wenn etwa 15% der Leute, die sich heutzutage gerne oft und lauthals über die „Zustände“ im Land beschwere die selbe Energie und Zeit in die Mitarbeit an der Lösung dieser Probleme investieren würden, dann wäre die „Krisenstimmung“ bald vorbei und damit auch das Wählerpotential von Parteien wie der AfD weitgehend erledigt.

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Wenn Parteien einfach extreme Positionen der AfD übernehmen, dann ist ja nichts gewonnen, selbst wenn die AfD daran zugrunde gehen würde (was ich persönlich nicht glaube). Das Problem mit der AfD sind ja gerade ihre extremen Positionen.

Das Parteien nur die Rhetorik der AfD übernehmen, ihr Kernprogramm aber unverändert lassen wird niemanden überzeugen und ist auf Dauer auch nicht duschhaltbar. Auch Rhetorik verändert eine Partei, verändert Erwartungshaltungen und politische Positionierungen.

Ein Dilemma. Aber nur, wenn man davon ausgeht, dass ein großer Teil der deutschen Wähler explizit extremistische Politik wollen. Ich glaube aber eher, dass die Zustimmung zum „Projekt“ AfD vor allem aus einer kruden und unreflektierten Mischung aus latenter (aber nicht aktivistischer) Fremdenfeindlichkeit, Angst vor Veränderung und dem damit möglicherweise verbundenem Verlust von Privilegien und realen Problemen entsteht.

Dem können demokratische Parteien durchaus etwas entgegen setzen, ohne extremistische Positionen zu übernehmen oder sich anzubiedern: sie können überzeugende, lösungsorientierte und nicht-extremistische Programme entwickeln, diese authentisch und optimistisch gegenüber den Wählern vertreten und sie in konstruktiver Kooperation oder Opposition mit anderen Parteien erfolgreich umsetzen.

Viele Möglichkeiten dazu werden in der LdN und im Lage-Buch ja regelmäßig diskutiert.

All das und die Sehnsucht nach einfachen Antworten. Die gibt die AfD nämlich. Diese einfachen Antworten lösen in den seltensten Fällen wirklich die Probleme. Das wissen auch alle, die jemals in Verantwortung standen, sei es beruflich oder in der Politik. Auf das Niveau kann man sich als verantwortungsvoller Mensch also nicht begeben. Für die schwierigen Antworten haben aber viele Menschen gar keine Zeit, keine Aufmerksamkeitsspanne, keine Lust zu. Denn sie müssen ihren täglichen Alltag stemmen, der beansprucht und überansprucht sie meist schon genug.

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Meine Erfahrung ist das wenn sich Menschen erstmal dazu aufraffen, den Schritt in die (in den meisten Fällen ja überschaubare) Aktivität und Verantwortung zu gehen, dann bekommen sie daran Spaß und merken dass so eine gemeinnützige Tätigkeit nicht im Widerspruch zum stressigen Alltag steht, sondern ihn um einen erfüllenden und sinnstiftenden Aspekt erweitert.

Das kann man sogar auf dem „schädlichen“ Ende des gesellschaftlichen Spektrums beobachten: Auch Neonazis ziehen aus ihrem Aktivismus Identität, soziale Bestätigung und einen Ausbruch aus dem drögen Alltag.

Die Frage war ja: was können konservative Parteien machen. Und da sehe ich wirklich nur das, was sie selbst sagen: gute Politik machen. Anzuerkennen, dass es die Probleme gibt, anzuerkennen, dass konservative Regierungen das verbockt haben und Lösungsvorschläge anbieten. Das wird dann manchem Wähler böse aufstoßen, wenn Friedrich Merz für eine bessere Grundsicherung und sozialen Wohnungsbau kämpft, aber das wäre das, was die Probleme der Menschen ernst nehmen würde und sie abholen würde.

Das ist tatsächlich überraschend einfach:

  • anerkennen, wenn es tatsächlich Probleme im Umgang mit Migration gibt (zB bei Wohnungsmangel), diese Probleme als Versäumnisse der aufnehmenden Gesellschaft (nicht der migrierten Menschen) rekonstruieren und hier konkrete Lösungen schaffen,

  • zugleich die rassistische Rekonstruktion in aller Schärfe zurückweisen, dass Migration als solche oder die Anwesenheit von migrierten Menschen ein Problem sei (deswegen ist der Abschiebediskurs so toxisch),

  • stets und ständig wiederholen, dass Migration wichtig ist und wir mehr davon brauchen,

  • letzteres schließt ein, gruppenbezogene Kritik an Menschen mit Migrationshintergrund zu vermeiden und - wenn überhaupt - einzelne Personen für konkretes Fehlverhalten zu kritisieren, also zB Sprüche zu vermeiden wie Friedrich Merz mit den Zahnsanierungen.

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Sehr erhellend fand ich zum Thema ein Interview mit David Begrich von Miteinander e.V. im neuesten „Blätter“-Podcast. V.a. der Hinweis auf äußerst aggressive Gegendemonstrationen (also quasi Pro-AfD-Veranstaltungen) hat mich erschüttert und me deutlich gemacht: die Demokratie wird, was das betrifft, wenn, dann in den Kommunen verteidigt.

Diese Verteidigung findet wohl gelegentlich nicht im wünschenswerten Umfang statt, auch mangels tatkräftiger Unterstützung von den Zentren oder weil nicht viele Lust immer haben, unter diesen Umständen vor Ort den Kopf hinzuhalten. Verständlicherweise!

Und da sie genau das nicht tun, wundert mich auch nicht, dass es Menschen gibt, die allergisch auf Vertreter der „konservativen“ Parteien auf den aktuellen Demos gegen rechts reagieren.
Weil das ausbleiben des oben aufgezählten schon zu der Frage führt, ob diese sogenannten Konservativen nicht eigentlich ganz froh über die Diskurs-Verschiebung sind. Weil man zwar vielleicht nicht von Deportation träumt, aber vielleicht zumindest von geschlossenen Grenzen und ein paar „Ausländern“ weniger. Vielleicht kennen die auch ihre Wähler besser und wissen, wo die hinlaufen würden, wenn die CDU sich mit diesen Inhalten aufstellen würde.