Ich möchte hier aus Anlass einer Buchveröffentlichung noch einmal die Diskussion über die Besteuerung von Überreichtum aufgreifen.
Es handelt sich um das Buch „Crazy Rich“ von Julia Friedrichs, das die unvorstellbaren Dimensionen des Reichtums weniger Deutscher und ihre Lebensweise + Methoden darstellt.
Dieses wird im Podcast Neue Zwanziger Salon ausgiebig besprochen.
Besonders erschreckt hat mich die Einführung der Verschonungsbedarfsprüfung bei Erbschaften im Jahr 2016, also zu einem Zeitpunkt der ersten großen Flüchtlingsdebatten. Diese Prüfung sorgt für eine legale Erbschaftssteuerumgehung durch Ultrareiche.
Es ist grotesk, wie Deutschland kaputtgespart und die ärmsten Teile der Gesellschaft gegeneinander aufgewiegelt, drangalsiert und diffamiert werden, während ein winzig kleiner Teil der deutschen Bevölkerung über ein absurd hohes Vermögen verfügt und auch die Politik beeinflusst.
Den Salon gibt es nur abonniert, aber günstig:
Auch den „normalen“ Neue Zwanziger Podcast kann ich empfehlen:
Dieses Mal haben sie sogar die Lage der Nation zitiert.
Aber die Lektüre des Buches von Julia Friedrichs lohnt sich sicher: Crazy Rich
Wir brauchen endlich eine höhere Kapitalertragssteuer, eine Vermögenssteuer und eine hohe Erbschaftssteuer.
Würde wahrscheinlich schon genügen, wenn man die Schlupflöcher stopft. Das war tatsächlich auch für mich ein Augenöffner, wie leicht es ist der Erbschaftssteuer zu entgehen.
Mag sein.
Aber es geht mir auch um die Dimension der Vermögen, die einfach krank sind. Und ehrlich gesagt, auch nicht gut für die Menschen, die sie besitzen.
Julia Friedrichs hat Gespräche mit einigen geführt.
Was ich mich auch immer frage: Wenn wir einen Bundeskanzler haben, der Millionär ist. Einen Oppositionsführer, der (Multi?)Millionär ist. Zeitungsinhaber (wie Döpfner), die Millionäre sind…
Wenn Überreiche einen so großen Einfluss auf Politiker haben (steht auch im Buch)…
… wie schafft man es dann, die dazu zu bewegen?
Ich denke nur, die Bevölkerung muss einfach mal wissen, was Sache ist. Und sie weiß es nicht, da es kaum Daten gibt.
Man darf auch nicht vergesden, dass in D jedes jahr mehr als 3x so viel vererbt, wie verdient wird. In Dokus, fernsehsendungen etc kommen aber häufig Manager als und andere vielverdiener vor, wobei deutlich mehr menschen durchs erben reich werden. Bei steuerdiskussionen und so geht es auch fast immer ums einkommen/evtl. Die mehrwertsteuer, aber fast nie niveauvoll um Erbschaften, obwohl man damit deutlich mehr gegenfinanzieren könnte.
Deshalb reicht es wahrscheinlich dort die lücken zu schließen und absurde begünstigungen für sehr reiche abzuschaffen (z.b. ab der 300. Immobilie zahlt man automatisch keine erbschaftssteuern hierauf).
Crazy Rich finde ich gerade auch passend, wenn es um den obersten Verwalter des größten Stiftungsvermögens der Welt geht.
„Beide sind gegen das Leben - sowohl der, der Migranten vertreibt, als auch der, der Kinder tötet.“[…]„Wer ist das kleinere Übel“, fragte der Papst. „Diese Dame oder dieser Herr? Ich weiß es nicht.“ Jeder, der ein reines Gewissen habe, müsse sich Gedanken machen und dann handeln. Papst ruft Amerikaner auf, "das kleinere Übel" zu wählen | tagesschau.de
Wer indirekt eine Wahl Trumps gut heißt ist definitiv demokratiegefährdend. Die Bubble in der der Papst sich bewegt scheint nicht gut für seine politischen Ansichten zu sein. Evangelikale werden seine Aussagen mit Freuden zur Kenntnis nehmen.
Die Bubble in der sich Reiche bewegen, fördert auch dort ein Festfahren von Ansichten und Meinungen. Was wir bei Elon Musk erleben, sieht man auch bei einigen deutschen Superreichen. Manche unterstützen ganz offen die AFD oder Schlimmeres.
Leider wird man in Deutschland immer skeptisch beäugt, wenn man viel hat. Hier braucht es auch ein gesellschaftliches Umdenken - und weniger Neid. Reiche werden in Deutschland ausgegrenzt. Der Umgang mit alten Freunden ist belastet, wenn sie vom Reichtum erfahren.
Eine Besteuerung und ein klares Bekenntnis, dass die Reichen die Gesellschaft stützen, könnte da vielleicht helfen?
Das Problem ist, dass es gar nicht so einfach ist, hier „Wissen“ herzustellen. Denn immer wenn das Thema auch nur entfernt in diese Richtung geht, wirbeln interessierte Gruppen so viel Staub auf und beschwören so viele Probleme, dass kaum noch jemand Lust hat den Kampf zu führen. Flucht der Reichen vor den neuen Steuergesetzen und kompletter Zusammenbruch des Mittelstandes durch Pleitewelle bei Familienunternehmen sind da so zwei Beispiele. Halte ich persönlich für totalen Quatsch (oder wenigstens für vermeidbar), aber jeder der die totale naheliegende Forderung nach mehr Besteuerung für Superreiche stellt, wird direkt zugekübelt und unterstellt, er zerstöre die Gesellschaft.
Und dazu kommt (was ich neulich im podcast gehört habe, weiß nicht mehr wo, aber die These ist leider gar nicht so wild): Egal wie hoch man so ne Grenze ansetzt ab der Superreiche besteuert werden sollen, regt sich bei den Menschen auf deshalb Widerstand, weil viele einem Wohlstandversprechen folgen, was sie glauben lässt, dass sie eines Tages davon betroffen sein könnten, wenn sie auch so reich sind. Das ist total bescheuert, aber irgendwie spielt den Menschen da ihre Psyche wohl einen Streich.
Aus diesen Gründen (und anderen) gestaltet es sich fürchte ich schwierig, durch bloßes informieren der Menschen da durch Wissen eine Mehrheit herzustellen. Ich meine es sollte eigentlich eine Mehrheit von 99% geben, wenn man das oberste Prozent mehr besteuern will, aber die gibt es nicht.(ich meine auch beim Impfen hätte man ja meinen sollen, dass 99% der Menschen den Wert erkennen, aber 1/3 „denkt lieber selbst“).
Tl,dr: ich denke dass die Gleichung nicht so einfach ist, dass man nur mehr aufklären muss und dann würde es zu einer Änderung kommen. Ich sage ausdrücklich nicht, dass man es gar nicht erst versuchen soll, weil es klar besser ist, als nichts zu tun.
Also kulturgeschichtlich könnte man hier auf jeden Fall auch argumentieren, dass Macht immer auch auf Repräsentation beruht (und diese wiederum auf Geld). Die Päpste haben sich halt den Petersdom und alles drum herum gebaut, weil die Möglichkeit Ressourcen zu verschwenden auch immer gleichzeitig Macht manifestiert und das Amt zu dem macht, was es ist. Der Papst ist auf jeden Fall nicht (nur) deshalb mächtig weil ihn die Kardinäle gewählt haben, sondern vor allem weil er Zugriff auf alle (symbolischen) Ressourcen des Papstums hat.
Aber das sprengt den threat und l
Wo genau hab ich hier ne lange Liste mit Argumenten der Ungleichsbewahrer aufgeführt? Ich habe zwei Beobachtungen geteilt. Diese stellen einen begründeten Vorbehalt gegen deine These dar, dass
Das unterstellt, dass man mit genügend Informationen die Lage einfach ändern könnte. Das unterstellt, dass alle Menschen mit diesen Informationen zu dem gleichen Schluss kämen - und beides ist wenigstens Mal nicht ohne Einschränkung richtig. Da scheint es zum einen psychologische Hemmschwellen zu geben und zum anderen hat sich einfach empirisch gezeigt (Coronaimpfung), dass in einem mit Informationen gesättigten Markt am Ende trotzdem ~1/3 der Leute nicht an den genannten Fakten orientiert. Und das kalkuliert noch nicht mit ein, wie viel Geld das obere Prozent dafür ausgeben wird, deine „Informationskampagne“ zu unterminieren. Der erweckte Eindruck „einfach mal mehr informieren“ würde die Sache lösen greift daher meiner Meinung nach viel zu kurz bzw. begreift die Widerstände zu unterkomplex.
Tilo Jung hat bei „Jung & Naiv“ eine Zeit lang die Frage gestellt, ob der jeweilige Gast ein Problem darin sehe, dass in Deutschland ein paar wenige absurd reich sind. Viele sahen darin kein Problem. Für mich war das sehr lehrreich, weil ich damit überhaupt nicht gerechnet hatte. Unsere Enkel werden in 50 Jahren fragen, wie eine derartige Ungleichheit in einer Demokratie überhaupt möglich war. Naja, wir haben noch etwas Zeit, die Antwort zurechtzulegen
Jeder Erbe muss einen Erbschein beantragen. Es wäre gar kein Problem, eine Aufstellung des Erbes mitzuverlangen. Stattdessen reicht meist eine Selbsteinschätzung, dass man unter dem Freibetrag sein wird. Nur bei Zweifeln hakt das Finanzamt genauer nach.
Müsste nun jedes Erbe in seiner Höhe angegeben werden, würde sich jeder strafbar machen, der Schwarzgeld im Ausland unterschlägt und man hätte eine saubere Aufstellung über das aktuelle Vermögen. Das ließe sich dann auf die Bevölkerung hochrechnen.
Aber ja: das will keiner. Stattdessen vertrauen wir auf die Ehrlichkeit der Erben.