Totale Fehlwarnehmung der wirtschaftlichen Lage

Ist hier aber nicht diese Annahme ein Problem? Verstehe mich nicht falsch, aber es muss doch rational klar sein, dass man sich später auch mit einem anständigen Job nicht alles, was man will leisten kann. Da du hier deine anekdotische Evidenz anbringst aber es doch unklar ist was genau die Situation ist, bleibt Raum für Interpretation. Zusätzlich merke ich gerne an, dass sich in meinem Bekanntenkreis zuletzt mehr als ein Paar eine Wohnung oder Haus gekauft hat. Nicht nur auf dem Land, sondern in Metropolen in Deutschland. Es scheint also auch Fälle zu geben, wo das mit Studium und gutem, aber nicht außergewöhnlichen Job möglich ist.

Was manche deiner Punkte angeht. Wieso sind die Dinge vielleicht so? In vielen Punkten (Schule, Kita) auch, weil wir es uns als Gesellschaft nicht leisten wollen, dort für gut ausgebildetes und entsprechend bezahlten Personal zu sorgen. Ich habe selber Bekannte, die in dem Sektor arbeiten. Die finden einfach nicht ausreichend Personal und wenn, dann quasi von der Einrichtung einen Ort weiter. Das ist alles auf Kante genäht oder darunter und dann ist man schnell bei einem weiteren Schließungstag.

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Die wirtschafltiche Lage ist sicher herausfordernd. Dabei sollte man, @pbf85 weist darauf hin, zwischen Bewertung der jetzigen Lage und den Aussichten unterscheiden.
Ergänzend vielleicht ein zusammenfassender Blick von außen, von der Economist Intelligence Unit (Forschungs- und Analyseeinheit des Economist, erbringt auch Beratungsleistungen. Quelle proprietär, versuche u. eine Zusammenfassung):

  • Derzeit milde Rezession
  • Schlechtere Performance als andere westliche Industriestaaten
  • Hauptgründe für Rezession: Die exportorientierte und energieintensive Industrie ist exponiert ggü Energiepreisschocks und Lieferkettenschwierigkeiten (Pandemie, Krieg, geringere Nachfrage aus China)
  • Innere strukturelle Probleme sind: politische Trägheit über die letzte Dekade. Beinhaltet: geringe öffentliche Investitionen, langsame Digitalisierung, vergleichsweise hohe Energiekosten und Bürokratie
  • Abhilfe ggü den strukturellen Problemen sei aufgrund des Zwangs zu einer strengen Haushaltsführung unwahrscheinlich
  • Leichte Konsumerholung abzusehen, Stimmung in Einkauf und Produktion eher schwach

Die strukturellen „Baustellen“ sind hier im Forum oft zur Sprache gekommen. Ich finde es bemerkenswert, dass öffentliche Investitionen und Haushaltspolitik in der Zsf der EIU so deutlich zur Sprache kommen.
Ich erinnere mich, dass zu Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine eine ökonomische Berechnung angestellt wurde (Bachmann et al.), nach der eine sofortige Abkopplung von russischem Gas und Öl 6% BIP kosten würde. wir haben uns dann nicht sofort, aber schnell abgekoppelt. Auch wurde häufig davor gewarnt, dass der Winter 2024 der kritischste Moment in der Energiekrise werden würde. Und dafür, muss ich sagen, stehen wir erstaunlich gut dar. Leider vergessen viele das. Ist vllt. eine Art Präventionsparadox, da es ja deutlich schlimmer hätte werden können.

Meine persönlichen 2ct:
Ich persönlich neige dazu, einen einmal eingetretenen Verlust gleich „einzupreisen“ und zu sagen: vergossene Milch. Ich passe mich der neuen Lage an und sage: der Schock muss verdaut werden, dann wird es langsam besser. Aber ich glaube, vielen Menschen gelingt es nicht so gut „sunk costs“ wegzustecken oder einzusehen, dass Gegenmittel gegen so große globale Schocks nicht von jetzt auf gleich wirken.
Außerdem ist bei mir persönlich die Stimmung weniger schlecht, wenn es „äußere“ Einflüsse sind. Klar kann man trotzdem viel besser machen.

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Ja natürlich. Man performt mehr, verdient mehr Geld, aber es nützt nichts, weil die Lohnsteigerungen nicht zu einem höheren Lebensstandard führen. Eher im Gegenteil, die Preise steigen schneller als mein Gehalt und das ungefähr seit 2018.

Natürlich nicht. Ich will aber auch nicht mit dem Porsche zum Golf-Club fahren, sondern mit einem Tesla ins Reihenhaus. Mir ist ist völlig klar, dass ein Arbeiterkind niemals Porsche fahren wird.

Mich interessiert brennend wie sie es gemacht haben. In meinem Umfeld:

  • Erster Arbeitskollege: Haus von Großeltern geerbt
  • Zweiter Arbeitskollege: Grundstück von Eltern geschenkt bekommen.
  • Dritter Arbeitskollege: Grundstück günstig von Onkel bekommen.
  • Vierter Arbeitskollege: Haus günstig von Onkel bekommen.
  • Mein Chef: Haus zusammen mit den Schwiegereltern gekauft.
  • Eine Freundin: Haus zusammen mit den Eltern gekauft.

Mein Nachbar hat sich erst letzten Monat ein Reihenhaus für 700k gekauft, der ist aber Abteilungsleiter. Ich hatte es irgendwo anders schon mal geschrieben, ich kenne persönlich nur ein Paar (Führungskräfte ausgenommen), das ohne familiäres Backup in Deutschland ein Haus gekauft hat.

Zumindest sinken die Preise gerade. 700k kann ich mir nicht leisten, aber falls irgendwann gute Häuser in guten Lagen Richtung 500k gehen sollten, dann wird das vielleicht doch noch mal was mit dem eigenen Garten.

Aber mein persönliches Empfinden leistet hier keinen Beitrag. Was fehlt ist irgendein ökonomischer Indikator, dar anzeigt wie vielen Leuten es besser geht als ihrer Elterngeneration. Ich habe ein paar Artikel und Reportagen gefunden, aber eine so simple Zahl wie den DAX oder das BIP scheint es nicht zu geben.

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Mal ganz grundsätzlich: Unserer Elterngeneration ging und geht es (im Durchschnitt) schon verdammt gut. Zumindest was den individuellen materiellen Wohlstand angeht. Ich persönlich bin mir nicht sicher, ob das Mantra „die Kinder müssen reicher werden und mehr konsumieren können als die Eltern“ noch ein sinnvolles gesellschaftliches Ziel darstellt.

Diese Skepsis liegt auch daran, dass die Wohlstandssteigerungen unserer Eltern im Wesentlichen durch Degradation der Umwelt erkauft wurden. Um den individuellen Wohlstand unserer Generation noch deutlich zu steigern, müssen wir nicht nur unsere wirtschaftliche Produktivität steigern, sondern auch die aus Klimawandel, Artensterben usw. entstehenden Kosten kompensieren.

Ich persönlich würde es bevorzugen, wenn wir den Fokus zunehmend auf die Entwicklung gesamtgesellschaftlicher Lebensqualität statt individueller Konsumquantität legen würden. Also Investition in den Ausbau nachhaltiger Infrastruktur und Wirtschaft, die Qualität öffentlicher Dienstleistungen, die Integration von Zugezogenen und die Inklusion sozial benachteiligter Menschen als vollwertige Mitglieder der Gesellschaft.

Meine Vermutung ist, dass dies mittelfristig auch wieder die Grundlage für ein (dann nachhaltiges und nicht „auf Pump“ strukturiertes) Wirtschaftswachstum entwickelt. Aber wenn wir einfach das heutige Reichtumsniveau halten, diesen Wohlstands aber sinnvoller zur Entwicklung einer starken Gesellschaft einsetzen können, wäre das für mich auch völlig OK.

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Ich kann natürlich deine persönliche Arbeitsleistung und deren Entwicklung nicht beurteilen, ganz grundsätzlich bin ich mir aber nicht sicher ob der durchschnittliche Arbeitnehmer heute erheblich produktiver ist, als noch vor 10 Jahren.

Die Erlangung von Wohneigentum scheint für dich ein wichtiges Merkmal von Wohlstand zu sein, allerdings ist das (in Deutschland) historisch eher weniger der Fall und hat auch keinen Zusammenhang mit der Wirtschaftsentwicklung. Die Eigentumsquote ist seit den 70er Jahren in Westdeutschland weitgehend unverändert, in Ostdeutschland bleibt sie inzwischen ebenfalls stabil. Insgesamt liegt sie derzeit bei knapp 45% und davon dürfte ein großer Teil Eigentumswohnungen sein, nicht Reihen- oder Einfamilienhäuser.

Insbesondere in Ballungsgebieten war es noch nie so, das man sich mit einem „ordentlichen Job“ immer und auf jeden Fall ein Eigenheim hat leisten können. Ja, auf dem Land (den von dir zitierten „strukturschwachen Gebieten“) war das Eigenheim wegen niedriger Grundstückspreise und viel Eigenleistung die „Normalität“, aber eben nicht in der Stadt und schlüsselfertig. In meinem größeren Dorf sind, soweit ich das beurteilen kann, fast alle meine Nachbarhäuser ursprünglich durch erhebliche Eigenarbeit entstanden und auch die aktuelle Renovierungswelle ist stark durch Eigenleistungen geprägt.

Kleinere Neubauten gehen hier (ca. 30 Minuten vor den Toren von Mainz) aktuell für ca. 650.000 Euro mehr oder weniger schlüsselfertig und einschließlich Kaufnebenkosten über den Tisch, mit kleinem Garten. Wenn man davon 250.000 Euro als Eigenkapital bzw. Eigenleistung erbringt, dann kann der nötige Kredit (400.000 Euro) über 30 Jahre mit einer monatlichen Rate von knapp 1.700 Euro (bei 3% Zinsen) abbezahlt werden. Wenn man noch irgendeine Eigenheimförderung bekommt, dann geht es schneller.

Das scheint mir nicht so weit von dem weg zu sein, wie meine Großeltern und Eltern an ihr Eigenheim gekommen sind. Mein persönlicher Eindruck ist eher, dass die marginalen Zinsen von 2008 bis 2022 in Verbindung mit der extrem niedrigen Inflation bei vielen Menschen den Eindruck hinterlassen haben, dass eine Hausfinanzierung „zum Nulltarif“ normal ist und es deshalb „zum guten Leben“ dazugehört.

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Ich teile den Eindruck von @Schorschie, dass es deutlich schwerer geworden ist, sehe aber aus persönlicher Erfahrung nicht ganz so duster. Meine Eltern, keine Akademiker, konnten mit einem Gehalt (angestellter Maschinenbaumeister) ein Haus finanzieren, inwiefern da meine Großeltern unterstützt haben weiß ich nicht. Bei deren Nachbarn war es ähnlich, die Frauen fingen langsam an in Teilzeit zu arbeiten, wenn die Kinder alt genug waren. Das ganze in einer Großstadt am Niederrhein.
Wir sind beide Akademiker und haben ohne Unterstützung ein Haus kaufen können, mit einer sehr niedrigen Eigenkapitalquote bei einer Finanzierung, die bis zum Rentenalter gerechnet ist. Dafür mussten wir aber aus der Großstadt in eine der umliegenden Kleinstädte rausziehen.
Die Fragen die aufgeworfen werden sind alle berechtigt, ich halte es insg. aber vor allem für ein Kommunikationsproblem. Es gibt kein Ziel, wo wir hinkommen wollen, ein Gros der Parteien macht Politik nach dem Motto „weiter so“, alle Versuche einen neuen Pfad einzuschlagen werden schnell torpediert und es heißt, die nehmen uns was weg. Dass wir sehenden Auges ins Verderben rennen (Klimawandel, soziale Ungleichheit, unterfinanzierter Staat) wird dabei einfach ignoriert.

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Klar kenne ich nicht alle Details, aber in den meisten Fällen mit dem selbst-verdienten/erarbeiteten Eigenkapital und ähnlich wie bei @reyma mit einer sehr langfristigen Kreditfinanzierung. Dazu kommt in manchen Fällen eine erhebliche Eigenleistung bei der Renovierung. Wenn ich mir vorherige Generationen meiner Großeltern oder im Umfeld meiner Eltern anschaue, dann war das damals auch oft üblich. Hinzukommt, dass direkt in Zentren eben kein Auto mit dabei ist. Aber auch einfach, weil man es nicht dauerhaft benötigt. Auf dem Land ist das mit dabei, aber eben auch, weil die Immobilie günstiger ist.

Was aber aus meiner Sicht heute wie damals zutrifft, dass der Normalfall nicht alles und vor allem nicht auf einmal haben kann. Wenn ich z.B. meine Eltern betrachte, dann haben die Großeltern zwar in ihre Immobilien investiert, aber ein Urlaub war selten drinnen. Das Auto war auch kein gehobeneres Modell. Viel eher gebraucht und irgendetwas kleineres.

Dazu gab es für viele auch damals mehr als genug Zukunftssorgen, ob das wirklich gut geht. Ich glaube da unterscheiden sich die Generationen zum Teil gar nicht mal so stark. Dieser Teil wird nur auch sehr gerne vergessen oder wurde von außen nicht so gesehen, weshalb es bei einem heute ein schlimmerer Eindruck ist als es im Vergleich sein müsste.

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Ich kann der Frust auf der individuellen Ebene nachvollziehen. Aber frage trotzdem noch mal mach der Anspruchshaltung. Ich bin immer noch der Meinung, dass es nicht immer aufwärts gehen kann. Klar ist das bitter aber vielleicht hilft auch hier der Vergleich mit der eigenen Vorgängergeneration im gleichen Lebenszyklus.

Bei meinen Eltern z.B. hatten in der Kindheit nicht alle ein TV. Bei uns war es noch sehr lange eine Röhre. Heute ist ein (nicht selten großer) Flatscreen. Computer waren definitiv nicht der Standard. Wir haben heute Laptops und können von fast überall ins Internet. Von einem Kabel-gebundenen Telefon zu Smartphones etc. Uns geht es objektiv deutlich besser als der vorherigen Generation. Wir haben uns nur an vieles gewöhnt und nehmen Dinge, die mal Luxus waren einfach gar nicht mehr so bewusst wahr.

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Eine Viertelmillion ansparen dauert bei 5% Zinsen (!) und 500€ im Monat 23 Jahre und bei 1000€ im Monat 15 Jahre…

Aber was ist denn die Alternative? Welche Story soll denn eine Partei erzählen die möchte, dass die Wirtschaft nicht mehr wächst?
Das klingt jetzt gleich extrem polemisch, aber man muss sich mal vorstellen, welche Implikationen es hat, wenn die Wirtschaft nicht mehr wachsen darf.

  • Tut mir leid, Lohnsteigerung wird erst genehmigt, wenn irgendwo anders die Löhne gesenkt werden.
  • Nein, ein Haus darfst Du Dir nicht bauen. Die Alten in dem Ort? Ja, tut mir leid, die waren halt schon vor der Gesetzesänderung da und dürfen ihr Haus behalten. Wenn die mal nicht mehr sind wird deren Haus enteignet und abgerissen.
  • Nein, fliegen darfst Du jetzt auch nicht mehr, es sei denn Du kaufst von Deinem eingefroren Gehalt die Kompensation dazu. Aber die Reichen? Ja die sind halt reich, da kann man jetzt auch nichts machen…

Der Soziologe in der Lage 369 hat das schon ganz richtig formuliert. Die Mehrheit (und ich) sind nur bereit, durch ein tiefes, dunkles Tal zu gehen, wenn dahinter in sagen wir mal spätestens fünf Jahren das Paradies wartet.

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Es muss ja nicht immer das Paradies sein und mehr ist ja nicht immer und für jeden besser. Es gibt ja sehr wohl auch Leute die ohne freistehendem Einfamilienhaus mit mindestens 1000 qm Garten zufrieden sind und ganz gezielt eine gut geschnittene Wohnung ohne Garten aber dafür mit viel Grün in der Umgebung suchen. Aber auch das ist ja Mangelware. Stattdessen wird oft das wenige Grün zumindest teils auch noch Opfer der Nachverdichtung.

Wer täglich arbeitet, damit sein mehr oder minder zufriedenstellendes Gehalt verdient, möchte sich damit natürlich auch etwas gönnen, einen gewissen Lebensstandard schaffen.

Wie so ein Lebensstandard aussieht, ist sicher sehr individuell.
Allerdings denke ich, das man sich oft die eigene „Wohlstands-Messlatte“ sehr hoch hängt. Sei es weil Freunde, Familie oder Nachbarn ein bestimmtes Niveau erreicht haben, dem man nicht nachstehen möchte (Status), sei es weil man es so durch die Eltern gelernt hat („Haus, Garten, Mercedes, Luxusurlaub….“), oder einfach weil man das Gefühl hat man hat sich das einfach verdient („Ich lebe über meine Verhältnisse, aber unter meinem Niveau.“).

Soll heißen: Manchmal ist sicher auch die Frage angebracht, brauche ich das alles wirklich?

Rückblickend betrachtet hab ich einen Haufen Geld versenkt für Konsumartikel (mal eine Stereoanlage die ich kaum genutzt habe, der neue Gebrauchtwagen, weil der alte zwar noch ok, aber langweilig war, and so on). Heute betrachtet sinnfrei.

Im Nachhinein betrachtet bin ich froh, mir nie ein eigenes Haus angetan zu haben. Bei einigen beruflichen Tälern wäre das knapp geworden finanziell, die Kinder waren nie scharf auf den eigenen Garten, weil die mit 13 eh immer unterwegs waren. Zudem bin ich schlicht zu faul für Garten und Co.
Für mich ist meine aktuelle großzügige und ebenerdige, aber ältere und sicher nicht luxuriöse Mietwohnung mit Seeblick mehr als ausreichend, günstige Miete und keine Schulden im Nacken. Für mich persönlich passt das, ohne das ich das Gefühl habe, es fehlt etwas. Alle zwei Jahre eine Woche Ostsee, ein zuverlässiger Gebrauchtwagen, gelegentlich mal lecker Essen gehen, das ist mit meinem Gehalt kompatibel. Man passt sich da auch etwas an, oder?

Hierfür bräuchte es dann eben eine positive Vision der Zukunft. Dabei könnte man auch darüber nachdenken, ob der persönliche Wohlstandsbegriff sich auf Eigentum beschränken sollte, oder ob nicht funktionierende Ökosysteme, soziales Miteinander etc. mitberücksichtigt werden sollten.

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Das ist extrem polemisch.

Bei dem ersten Punkt mit den Löhnen stellen sich mir die Fragen, ob das in einer post-Wachstumsgesellschaft noch relevant ist und ob die Lohnsteigerung nicht auch zu Lasten der Dividenden für Aktionäre oder Boni für Führungskräfte gehen kann.

Zwei ist total polemisch, da sehe ich auch keinen Inhalt.

Zu drei, es gibt ja durchaus Möglichkeiten, das anders zu lösen, z. B. gewisse Freikontingente beim CO₂. Aber da möchte ich drauf hinweisen, dass die Mobilität und Fernreisen auch früher nicht Standard für die Mittelschicht waren.

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Das war gar nicht mal unbedingt gesamtwirtschaftlich gemeint. Vielmehr individuell, dass es auch mal eine Phase gibt, wo es scheinbar nicht besser wird. Wenn man dann aber ab und an auch mal auf die kleineren Dinge achtet, dann ist es vermutlich doch voran gegangen. Das wollte ich auch mit meinen Beispielen verdeutlichen.

Zumal wir an vielen Punkten sehr weit davon weg sind. Was die Löhne angeht auf jeden Fall. Da ist es doch eher so, dass wir in gewissen Lohngruppen gerne mehr Steigerung haben sollten. Das ja, aber doch weit davon weg, dass es dafür woanders Senkungen geben muss. Was den Hauserwerb angeht werden wir uns vermutlich hier (und auch in diversen anderen Diskussionen im Forum nicht einig werde). Aber auch da muss und soll niemand enteignet werden, damit andere Eigentum erhalten. Beim Fliegen sind wir erst recht meilenweit davon weg. Das wäre vermutlich ein super Indikator wie viel besser es uns heute geht. Wenn ich mir anschaue, wer sich alles in den 90ern Flugreisen leisten konnte. Heute sind viele, die studiert haben schon mehrfach in Europa unterwegs gewesen und haben auch schon mal eine Überseereise gemacht.

Klar, Teile davon sollten wir aus Klimagründen ändern. Aber ich sehe nicht, dass sich in den Parteien ein Verbot wirklich durchsetzt (es lässt sich nur der Ruf danach medial sehr gut ausschlachten).

Das ist ein guter Punkt. Nur trifft das aus meiner Sicht einen anderen Aspekt und nicht unbedingt die wirtschaftliche Lage sondern viel eher die Frustration, wie es aktuell in der politischen Landschaft aussieht. Hier werden wir uns vermutlich auch einig, dass es da aktuell an vielem fehlt, was ein positives Bild von der Zukunft erwarten lässt.

Ich denke schon, wie sollte man denn sonst die Leute motivieren mehr zu arbeiten?

Dividenden kann es in einer Post-Wachstumsgesellschaft nicht geben und Boni sind ja auch nur eine Art von Lohnsteigerung. Damit wären wir ja genau bei meiner Aussage. Die Lohnsteigerungen der einen müssten mit Lohnkürzungen der anderen finanziert werden. Wer entscheidet wo gekürzt wird?

Anders formulierts, wenn ich den Hebel von „Wachstumsgesellschaft“ auf „Post-Wachstumsgesellschaft“ umlege, dann gibt es zu dem Zeitpunkt Menschen in Mietwohnungen und Menschen in Einfamilienhäusern. Wie gleiche ich diesen unfairen Umstand aus?

Das heißt in einer „Post-Wachstumsgesellschaft“ gibt es eine Oberschicht, die per Defintion genug verdient um zu fliegen, der Rest hat Pech gehabt?

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Ich hatte ja auch geschrieben 250.000 Euro Eigenkapital bzw. Eigenleistung.

Ich hatte heute zufällig meinen Großonkel zu Gast, der ist jetzt über 80 und war Lehrer und später Schulleiter in Oberbayern. Die haben bei 6% Zinsen ihr Haus finanziert: 1/3 Eigenkapital, 1/3 Bausparvertrag, Rest von der Bank. Kleines Auto, Urlaub einmal im Jahr zum Campen am Simsee. Neben dem Lehrberuf einen eigenen Verlag für Musiklehrbücher aufgebaut, wo meine Großtante mitgearbeitet hat. Kleider wurden geflickt, nicht gekauft. Das ist die Realität des Eigenheimbesitz unserer Vorgängergenerationen.

Wenn ich mich heute mit Menschen unterhalte, die sich darüber beklagen sich kein Eigenheim leisten zu können, hört sich der Rest der Ansprüche anders an: Zwei Autos, Ferien im Ausland mit Vollpension und natürlich auch mal ein Städtetrip oder so. Der Flachbildfernseher wurde ja schon angesprochen.

Nicht falsch verstehen: jeder soll so konsumieren, wie er das für richtig hält. Aber die Erwartungshaltung an das was die Gesellschaft und Politik einem für die eigene Arbeitsleistung bieten müssen sind doch arg eskaliert.

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Vielleicht, dass es noch andere schöne Dinge gibt als einen ewig steigenden Konsum? Soll ja Menschen geben, die ihre Lebensfreude aus anderen Dingen ziehen.

Nur so zur Erinnerung: wir leben in einer der reichsten Gesellschaften der Menschheitsgeschichte. Wenn im Durchschnitt der Bevölkerung schlechte Stimmung herrscht, dann hängt das jedenfalls nicht Ursächlich mit dem durchschnittlichen Monatslohn zusammen.

Richtig verteilt könnte sich unsere Gesellschaft mit dem vorhandenen Geld problemlos eine intakte Umwelt, eine gute Bildung für jedes Kind, die Abschaffung von Armut, gute Infrastruktur für Sportvereine, öffentlich geförderte Kultur für jeden Geschmack, solide Gesundheitsversorgung und Pflege und vieles mehr leisten. Für nichts davon ist Wirtschaftswachstum notwendig, für manches vielleicht sogar schädlich.

Das hat auch nichts für die Beschneidung von Freiheiten zu tun. Es ist nur die Frage, auf was wir gesellschaftlich und persönlich Wert legen.

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Wieso mehr arbeiten?

Lohnsteigerung ≠ Lohnerhöhung. Lohnsteigerung gibt es auch, wenn Du Überstunden machst und Dir auszahlen lassen kannst. Wenn man Deine Gleichsetzung mitgeht, dann ist die Antwort an der Stelle, da streichen wo es mehr als genug gibt.

Willst Du darauf hinaus, dass alle entweder Eigentum oder Mietwohnung haben sollen? Also alle gleich leben? Dann ja, abreißen und die Architekturhandbücher aus der DDR rausholen, Platte für alle. (Ja, ist polemisch)

Ich weiß nicht, wie Du zu dieser Schlussfolgerung kommst, in meiner Antwort sehe ich keinen Anhaltspunkt dafür.

Die sind heute billiger als Ferien im Inland. Eine Woche Mallorca inkl. Flug in der Nebensaison ca. 1000€ für 4 Personen weniger als an der Nordsee ohne Anreise.

Was sind denn Lohnsteigerungen anderes als Inflationsausgleich? Eine Inflation gibt es in einer Wirtschaft ohne Wachstum nicht. Also braucht es auch keine Lohnerhöhungen mehr.

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Hier geht eine Menge durcheinander.

Erstmal muss man zwischen gesteigerter Produktivität und längerer Arbeitszeit unterscheiden. In einer Post-Wachstumsgesellschaft wird gesteigerte Produktivität nicht mehr in mehr Konsum, sondern in die Reduktion von Arbeitszeit investiert. Man ermöglicht Menschen zunehmend weniger zu arbeiten, was sehr positive Effekte haben kann: Mehr Zeit zum Aufbau und zur Pflege sozialer Bindungen, mehr Zeit für gemeinnütziges Engagement, mehr Zeit zur persönlichen Entfaltung.

Auch in einer Post-Wachstumsgesellschaft gibt es weiter Unternehmensgewinne. Dividenden sind nur eine Form von Unternehmensgewinn. Die Gewinne steigen einfach gesamtwirtschaftlich nicht weiter, sie müssen aber auch nicht sinken.

Genauso wie jetzt: Eine Mischung aus Politik und Markt. In Zukunft dann eben ein wenig mehr Politik, ein wenig weniger Markt.

Erstens gibt es keinen „Hebel“. Zweitens ist das Verhältnis zwischen Mietern und Eigenheimbesitzern schon jetzt ein Ergebnis aktiver Politik (z.B. Eigenheimförderung), kein neutrales Naturgesetz. Man muss Eigenheime nicht verbieten um einen stärkeren politischen Fokus auf Zugang zu finanzierbarem Wohnraum zu legen.

Das hat hier niemand gesagt. Aber „per Definition“ kann schon heute nicht jeder zur Oberschicht gehören. Wenn du dich darüber aufregst, dass du dir nicht gleichzeitig ein Eigenheim und regelmäßige Flugreisen leisten kannst, dann habe ich eine schlechte Nachricht für dich: du bist nicht die Oberschicht und rein statistisch ist es auch extrem unwahrscheinlich, dass du je zu ihr gehören wirst.

Du gehörst nicht zu den Gewinnern der Wachstumsgesellschaft. Ein großer Teil deiner Produktivität wird als Gewinn abgeschöpft und die Empfänger dieses Gewinns verkaufen dir das falsche Versprechen auf unendlichen Konsum. Und wenn sie dieses Versprechen nicht einlösen können, verkaufen sie dir das falsche Narrativ, dass mit weniger Steuern bestimmt alles besser wird. Und dann forderst du niedrigere Steuern und erhöhst damit nur den Teil deiner Produktivität, der von anderen als Gewinn abgeschöpft wird. Genial.

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