Taktisch Wählen

Im Moment signalisieren die Umfragen drei realistische Koalitionen: Ampel, Deutschland, RGR. Meine These: Scholz gewinnt derzeit, weil „die Leute“ Laschet nicht wollen. Grüne verlieren immer mehr, weil „die Leute“ die Linken nicht in einer Regierung wollen.
Frage/Thema: Wenn man Laschet nicht als Kanzler will und die Linken nicht in der Regierung, müsste man dann nicht eigentlich Liberal wählen, wenn man ein Korrektiv zu Rot/Grün für sinnvoll hält?

Meine These: wenn Grüne nicht an der Regierung beteiligt sind droht weitere 4 Jahre Stillstand.

Und Scholz ist auch einfach nur Fortsetzung von Merkel mit anderem Parteibuch.

Liberale zu wählen um Linke zu verhindern heißt dann aber auch, dass man entweder zuviel Geld verdient (Steuerpolitik) oder aber wegen der Versprechungen von morgen heute nichts tun will (Klimapolitik)

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Ich fand dazu diesen Beitrag sehr hilfreich. Kurz gesagt: zu sehr sollte man sich auf taktisches Wählen nicht verlassen.

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Die Perspektive „Wie kann ich verhindern, dass Partei XYZ an die Regierung kommt?“ (statt: „Welche Position soll maximal stark im Bundestag und in den Koalitionsverhandlungen repräsentiert sein?“) ist m.E. nur in sehr engen Grenzen sinnvoll. Erst einmal sollte man XYZ selber nicht wählen. Wenn (a) Partei ABC auf jeden Fall mit XYZ koalieren will und (b) es eine dritte Partei KLM gibt, die einem inhaltlich ähnlich zusagt wie ABC, und (c) eine KLM niemals mit XYZ koalieren würde, dann sollte man wohl KLM wählen.

In der aktuellen Situation ist das alles nicht so richtig der Fall: Erst einmal will die SPD nicht mit der Linken koalieren, sondern sich das nur als Option offen halten. Es wäre nützlich für die SPD, wenn RRG möglich wäre, weil dann die Verhandlungsmacht der FDP sinkt. Eine tatsächliche Option wird RRG erst, wenn die Linken 10% holen und RRG zusammen eine deutliche Mehrheit im Bundestag hätte o.ä. Dann könnte eine Stimmung entstehen, der auch die SPD nicht entkommen kann: Man kann nach diesem Wahlkampf z.B. schlecht mit der FDP um jeden Cent Mindestlohn streiten, wenn es eine deutliche linke Mehrheit gibt. Umgekehrt könnte bei einer starken FDP – z.B. 21% Union, 15% FDP – auch eine Stimmung entstehen, dass eigentlich dieses Lager gewonnen habe und sich nur anders auf Union/FDP verteilt habe. Es ist im Wahlergebnis der FDP nicht so eine weiteres ersichtlich, ob die FDP als Korrektiv in der Ampel gewählt wurde oder als „bessere“ Union gesehen wurde. Somit bleibt das Risiko, mit einer Stimme für die FDP, Laschet zum Kanzler zu machen.

Schließlich wird nicht jede Ampel zu derselben Politik führen: Eine 25%/15%/14% Ampel wird anders regieren als eine 25%/19%/10% Ampel. Auch deshalb fährt man daher besser mit der Perspektive „Welche Position soll maximal stark im Bundestag und in den Koalitionsverhandlungen repräsentiert sein?“. In deinem Fall: Es bringt voraussichtlich mehr, andere davon zu überzeugen, nicht die Linke zu wählen, als selber die FDP zu wählen. Oder du musst die klar werden, ob dir „auf keinen Fall die Linke“ oder „auf keinen Fall Laschet“ wichtiger ist. Die Stimme für die FDP ist nur dann sinnvoll, wenn dir ersteres noch wichtiger als ist zweiteres.

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Unterschiedlicher könnten die Ansichten beider Lager kaum sein. Mir fallen nicht wirklich viele Szenarien ein, in der die FDP die ganze „linke“ Politik abnicken wird. Einige Umfragen sehen die FDP bei 13%. Und seit 1949 hat die FDP nur 2009 darüber abgeschlossen. Warum sollte die FDP diese Wähler langfristig verlieren wollen, die sie mühsam aufgebaut haben?

Leider gebe ich nicht so viel auf Prognosen. Eventuell fliegt „die Linke“ ganz raus, oder die Menschen erinnern sich daran, in wie viel Müll Olaf Scholz verwickelt war…

Jeder der taktisch wählt überschätzt das Gewicht der eigenen Stimme. Die Menschen haben kein „Hivemind“ wie Bienen. Nur weil ich nun taktisch meine Stimme abgebe beeinflusse ich damit niemanden sonst. Wichtig ist dass man eine Partei wählt wonach man selbst noch in den Spiegel schauen kann.

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Wieso das? Das ergibt überhaupt keinen Sinn. Eher ist es so, dass die Leute wirklich Laschet nicht wollen, und sich deswegen hinter dem (aus mir völlig unerfindlichen Gründen) aussichtsreichstem Gegenkandidat versammeln. Und das geht eben zu Lasten von Grünen und Linken.

Das wird uns in der Zukunft noch richtig in den Arsch beißen, denn Scholz ist praktisch auch ein CDUler, bloß in einer anderen Partei.

Davon abgesehen: FDP in der Regierung wäre ja auch die absolute Vollkatastrophe. Der einzige Grund, warum die nicht mindestens genausoviele Korruptionsskandale an den Hacken haben wie die Union, ist doch, dass die derzeit glücklicherweise relativ wenig zu sagen haben.

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Danke für den Link. Zusammenfassung und Teaser (oder wie nennt man den kurzen Vorschautext?) haben mich neugierig gemacht, was genau dagegen spricht.

Vorweg: Die interviewte Politologin ist in der SPD.

Generell hält die Politologin nicht so viel vom taktisch gesetzten Kreuzchen, vor allem wenn es dazu dienen soll, eine Koalition zu verhindern. „Beim sogenannten Verhinderungswählen kommt es am Ende häufig dazu, dass populistische oder Randparteien die Stimme bekommen.“ Doch die schafften oft nicht die Fünf-Prozent-Hürde, daher sei diese Stimme quasi verschenkt.

Wenn nicht Kleinstparteien wie FW oder Piraten in Rede stehen, sondern die Linke (Umfragen: 6%), ist das Argument hinfällig.

Es lässt sich sogar ins Gegenteil verkehren: Wenn die Linke (wenn auch knapp) unter 5% bekommt und weniger als 3 Direktmandate, dann sitzen sie nicht im Bundestag. In diesem Fall würde sich das Tortenstück des rechten Lagers (~ Laschet) im Vgl. zum linken deutlich vergrößern. Hier kann man das visuell darstellen lassen, indem man „Was wäre, wenn Linke nicht die 5%-Hürde schafft?“ aktiviert.

Beispiele:

  • Mit der Linken
    • hat RRG eine Mehrheit
    • hat Union-FDP-AfD keine Mehrheit
  • Ohne die Linke
    • hat RRG keine Mehrheit
    • hat Union-FDP-AfD eine Mehrheit

Eine Einigung zwischen Union-FDP-AfD ist, denke und hoffe ich, unrealistisch.

Mit der Linken haben SPD und Grün also zwei Koalitionsoptionen (ohne CDU und AfD). Ohne die Linke nicht nur zwei. Das macht an sich schon eine RGX-Regierung wahrscheinlicher, verbessert aber zusätzlich auch die Verhandlungsposition von SPD und Grünen.

Zuletzt:

Wer hingegen auf keinen Fall eine Bundesregierung unter Armin Laschet will, sollte ganz klar die SPD wählen, sagt Julia Schwanholz. Grund ist, dass die SPD die Fortsetzung der Großen Koalition ausgeschlossen hat.

Ich weiß nicht, auf welche Quelle sie diesen Ausschluss stützt. Jedenfalls sagte Scholz in der ARD-Wahlarena (Link mit Zeitstempel) vorgestern (d. h. einen Tag nach Veröffentlichung von Schwanholz’ DLF-Interview) Folgendes:

Sie können sicher sein, dass mein ganzes Ziel das ist, wie übrigens, wie ich den Eindruck hab’, das Ziel vieler Bürgerinnen und Bürger, dass CDU und CSU sich jetzt mal in der Opposition erholen können.

Zur Linkspartei, Transatlantik und EU gefragt äußerte sich Scholz erstmal allgemein (affirmativ) zu den Sachthemen, ohne die Linke zu erwähnen (Link mit Zeitstempel). Auf Nachhaken der Moderatorin sagte er:

Ja die Koalitionsfrage ist eine, die die Wählerinnen und Wöhler beantworten müssen mit ihrer Abstimmung. […] Wir haben ja im Moment ein ganz, ganz demokratisches Momentum. Viele Bürgerinnen und Bürger überlegen sich, wen sie wählen sollen, wen sie sich als Kanzler vorstellen. Und da sag’ ich nur: Auf den Kanzler kommt es an. Wenn man sich überlegen will, wer das machen soll, muss man überlegen: Wie ist der und vertrau’ ich dem, was wird der machen? Z. B. in all diesen Fragen. Aber es ist Bewegung entstanden, weil es nicht so ausgegangen ist, wie sich einige Leute […] das so vorgestellt haben, dass man letztendlich in irgendeinem Hinterzimmer sich überlegt, wie die Wahl ausgeht, und dann überlegt, wer da mit wem was macht. Sondern jetzt ist die Stunde der Bürgerinnen und Bürger. Die entscheiden. Und umso stärker das Votum für die SPD ausfällt, umso besser wird es eine gute Regierung [zubringen?].

edit: Dass die Linke mind. 3 Direktmandate bekommt, ist wohl sehr wahrscheinlich. Das würde die 5%-Hürde für sie unerheblich machen.

edit2: Das mit den 3 Direktmandaten war jetzt doch knapp.

Interessanter Link, danke! Beantwortet zwar nicht direkt die Frage, greift aber das Thema ‚taktisch wählen‘ ganz gut auf.

Das stimmt so pauschal auch nicht. Es kommt ja sehr darauf an, a) wie öffentlich und orchestriert das taktische Wählen passiert und b) wie knapp verschiedene Parteien/Kandidat:innen ohnehin schon auseinanderliegen.
zu a) Kampagnen wie die von campact können durchaus Erfolg haben, zumindest sieht es derzeit in 4 der 6 von ihnen anvisierten Wahlkreise so aus als würden sie ihr Ziel erreichen.
zu b) In Passau eine Kandidatin der Linken pushen zu wollen oder in Kreuzberg einen CDU-ler ist natürlich Unsinn, aber wenn der Abstand nur wenige Prozentpunkte beträgt (was ja häufig der Fall ist), kann es sich schnell ändern, gerade wenn es sich nicht um ein ausschließlich individuelle Entscheidung handelt (siehe a)