ich habe mich sehr gefreut, dass in der letzten Folge das Thema systematischer Einschüchterung zivilgesellschaftlicher Akteure u.a. durch Unternehmen aufgegriffen wurde (Stichwort: SLAPP). Vor kurzem habe ich gemeinsam mit Kollegen der University of North Carolina eine wissenschaftliche Studie zu diesem Thema durchgeführt. Datenbasiert zeigen wir, dass:
(i) Arbeitnehmer:innen sich öffentlich kritischer/negativer über ihre Arbeitgeber äußern, wenn deren Möglichkeiten, öffentliche Meinungsäußerung zu unterdrücken, durch sogenannte anti-SLAPP Gesetze eingeschränkt werden – insbesondere zu sensiblen Themen wie zum Beispiel Diskriminierung von Minderheiten am Arbeitsplatz.
(ii) Die Äußerungen der Arbeitnehmer:innen nicht nur kritischer/negativer werden, sondern auch glaubwürdig sind – es handelt sich also nicht um bloßen „cheap talk“, sondern um faktenbasierte Informationen.
(iii) Öffentliche Meinungsäußerung von Arbeitnehmer:innen seltener zensiert werden.
Falls ihr das Thema in einer zukünftigen Folge erneut aufgreifen möchtet, sende euch den Link zur aktuellen Version der Studie: https://papers.ssrn.com/sol3/papers.cfm?abstract_id=4904664. Solltet jemand darüber hinaus Interesse an einem Austausch zu diesem Thema haben, freue ich mich natürlich auch sehr.
Rechtlich gab’s in D in der Hinsicht zuletzt eher Einschnitte in die Transparenz, zumindest soweit es Bewertungsportale betrifft: Das OLG Hamburg hat in einem Eilverfahren entschieden, dass Bewertungsportale die Verfasser:innen negativer Bewertungen dem AG ggü. identifizieren oder die Bewertung löschen müssen, wenn Zweifel daran bestehen, dass die Person tatsächlich für diesen AG tätig war. Dafür reicht es schon, das pauschal zu bestreiten.
Ich wollte dazu einen Kommentar schreiben, hab das aber jedenfalls bis zur Entscheidung im Hauptverfahren aufgeschoben. Die Studie wird dabei wahrscheinlich für mich wertvoll sein (und wenn ich darf, würde ich dann ggf. nochmal mit Fragen auf Dich zukommen :)).
Ich finde, im Podcast ist leider ein wichtiger Punkt dieser SLAPP unter den Tisch gefallen: Es geht nicht darum, berechtigte Interessen vor Gericht durchzusetzen, sondern vor allem darum, die Kritik durch die hohen zu erwartenden Gerichtskosten, den dafür notwendigen Zeitaufwand und dem Stress zu unterdrücken. Die Beklagten sollen angesichts dieser Faktoren davon abgehalten werden, die Kritik vor Gericht durchzufechten.
Es ist eben nicht Ziel, dass die SLAPP am Ende vor Gericht gewinnt, allein der Prozess soll die Beklagten von der Fortsetzung der Kritik abhalten.
@tacuissem Vielen Dank für die zusätzlichen Informationen. Soweit ich weiß, gab es in den USA kürzlich ein ähnliches Urteil. Interessant finde ich dabei, dass Unternehmen zwar verpflichtet sind, relativ viele Informationen zur finanziellen Lage (z. B. Bilanz, Gewinn- und Verlustrechnung) zu veröffentlichen, aber in Bezug auf Arbeitsbedingungen oder Gehälter nur sehr begrenzt Angaben machen müssen. Dies führt natürlich dazu, dass Informationsquellen wie Glassdoor oder Kununu für Arbeitssuchende besonders relevant sind. Die Bereitschaft, Informationen auf diesen Plattformen zu teilen, sinkt jedoch aufgrund des von dir erwähnten Urteils drastisch, insbesondere wenn es sich um möglicherweise für den Arbeitgeber unangenehme Informationen handelt. Dies hat wiederum direkte (negative) Auswirkungen auf die Verfügbarkeit von Informationen für Arbeitssuchende…
PS: Du kannst du dich natürlich sehr gerne melden, wenn Fragen aufkommen!