Was auf dem sylter Video zu sehen ist, kann nur verurteilt werden und es ist gut, dass ermittelt wird. Ich finde auch, dass der Podcastbeitrag das Video mehr zum Anlass genommen hat, um über den fehlgeleiteten Migrations- bzw. „Parallelgesellschafts-“ diskurs zu sprechen. Allerdings frage ich mich tatsächlich, ob dieses Video wirklich so viel mediale Aufmerksamkeit verdient. In erster Linie ist es nur aufgrund von Tiktok Algorithmen getrendet und vielleicht womöglich, weil eine hübsche junge Frau darin zu sehen ist. Viele von uns kennen dieses stumpfe gegröle. Vor allem aus dem reichen nationalkonservativen Burschenschaftsmilieu ist mir so ein Verhalten nicht fremd. In Zeiten wo die AFD ein xenophobes Partriprogramm fährt und Vertreter:innen ständig solche schlimmen Dinge auf Veranstaltungen sagen, finde ich es schräg, dass sich über einige junge Leute deutlich mehr empört wird. Lassen wir uns da nicht von Tiktok die mediale Agenda setzen? Folgen die Medien nicht einer bloßen Empörungswelle. Und an LdN gerichtet: war es wirklich das relevanteste was in dieser Woche passiert ist? Und damit meine ich nicht medial…
Ist so nicht richtig.
Es war die Christdemokratin Nora Zabel, die dem Video als Erste zu Reichweite verhalf, mit den Worten: „Wohl eher: Anzeigen sind raus. Los Twitter, do your Magic.“
Sylt Video Skandal Pony Hitlergruß - Panorama - SZ.de
Genau diese Frage Stelle ich mir auch!
Was mich interessieren würde wäre eine Einschätzung von Ulf und Phillip zum Verhalten der Medien in diesem und in anderen Fällen, namentlich die Veröffentlichung der Namen und Fotos der Beschuldigten in seriösen Medien vor dem Hintergrund des Pressekodex. Mittlerweile sind bei ARD und ZDF die Bilder verpixelt. Ich bin mir aber ziemlich sicher, dass das nicht die ganze Zeit so war. Auch z.B. bei WDR finden sich das Video noch ungepixelt.(Rassistische Parolen auf Sylt: Gröler entschuldigt sich - Nachrichten - WDR)
Unabhängig davon, was man von diesen Idioten hält, muss sich die Berichterstattung an Regeln halten, die ich hier abermals nicht eingehalten sehe.
Das Argument, dass dieses Video ja öffentlich hochgeladen wurde, zieht aus meiner Sicht auch nicht, denn ich bezweifle, dass die Zustimmung der Veröffentlichten dazu gegeben wurde.
Hier der entsprechende Auszug aus dem Pressekodex:
Ethische Standards für den Journalismus
Der Pressekodex legt Richtlinien für die journalistische Arbeit fest. Von der Achtung der Menschenwürde bis zur Unschuldsvermutung, vom Opferschutz bis zur Trennung von Werbung und Redaktion: Die 16 Ziffern des Pressekodex sind Grundlage für die Beurteilung der bei uns eingereichten Beschwerden. Die meisten deutschen Verlage bekennen sich dazu, den Pressekodex zu achten.
Ziffer 8 – Schutz der Persönlichkeit
Die Presse achtet das Privatleben des Menschen und seine informationelle Selbstbestimmung. Ist aber sein Verhalten von öffentlichem Interesse, so kann es in der Presse erörtert werden. Bei einer identifizierenden Berichterstattung muss das Informationsinteresse der Öffentlichkeit die schutzwürdigen Interessen von Betroffenen überwiegen; bloße Sensationsinteressen rechtfertigen keine identifizierende Berichterstattung. Soweit eine Anonymisierung geboten ist, muss sie wirksam sein.
Die Presse gewährleistet den redaktionellen Datenschutz.
[Richtlinie 8.1 – Kriminalberichterstattung]
(1) An der Information über Straftaten, Ermittlungs- und Gerichtsverfahren besteht ein berechtigtes Interesse der Öffentlichkeit. Es ist Aufgabe der Presse, darüber zu berichten.
(2) Die Presse veröffentlicht dabei Namen, Fotos und andere Angaben, durch die Verdächtige oder Täter identifizierbar werden könnten, nur dann, wenn das berechtigte Interesse der Öffentlichkeit im Einzelfall die schutzwürdigen Interessen von Betroffenen überwiegt. Bei der Abwägung sind insbesondere zu berücksichtigen: die Intensität des Tatverdachts, die Schwere des Vorwurfs, der Verfahrensstand, der Bekanntheitsgrad des Verdächtigen oder Täters, das frühere Verhalten des Verdächtigen oder Täters und die Intensität, mit der er die Öffentlichkeit sucht.
Für ein überwiegendes öffentliches Interesse spricht in der Regel, wenn
- eine außergewöhnlich schwere oder in ihrer Art und Dimension besondere Straftat vorliegt,
- ein Zusammenhang bzw. Widerspruch besteht zwischen Amt, Mandat, gesellschaftlicher Rolle oder Funktion einer Person und der ihr zur Last gelegten Tat,
- bei einer prominenten Person ein Zusammenhang besteht zwischen ihrer Stellung und der ihr zur Last gelegten Tat bzw. die ihr zur Last gelegte Tat im Widerspruch steht zu dem Bild, das die Öffentlichkeit von ihr hat,
- eine schwere Tat in aller Öffentlichkeit geschehen ist,
- ein Fahndungsersuchen der Ermittlungsbehörden vorliegt.
Liegen konkrete Anhaltspunkte für eine Schuldunfähigkeit des Verdächtigen oder Täters vor, soll auf eine identifizierende Berichterstattung verzichtet werden.
(3) Wenn erneut über ein zurückliegendes Strafverfahren berichtet wird, sollen im Interesse der Resozialisierung in der Regel Namensnennung und Fotoveröffentlichung des Täters unterbleiben. Das Resozialisierungsinteresse wiegt umso schwerer, je länger eine Verurteilung zurückliegt.
(4) Über Personen, die an der Rechtspflege beteiligt sind, wie z. B. Richter, Staatsanwälte, Rechtsanwälte, Sachverständige, darf in der Regel identifizierend berichtet werden, wenn sie ihre Funktion ausüben.
Bei Zeugen sind Namensnennung und Fotoveröffentlichung in der Regel unzulässig.
Danke für den Hinweis. Ich finde es ändert nichts an der Tatsache, dass es vorher schon viral gegangen war. Nora zabel hat die Thematik bloß in die politische Sphäre getragen. Meine Frage bleibt. Wie relevant war das Ereignis? Kann man daran wirklich einen Trend ablesen? Auf tagesschau.de wurde für diese Thematik eigens ein Dossier aufgemacht. Kurz darauf gibt es eine weitere Meldung von der Erlanger Bergkirchweih mit einem ähnlichen Vorfall. (War früher öfters auf diesem Fest und bin auf rechte Burschis gestoßen. D.h kein neues Phänomen) da kommt in mir ein Gefühl auf, dass sogar Leitmedien Nachrichten auf Empörungswellen reiten. Das ist doch nicht der Zweck von Journalismus oder?
Sie brauchen das Video ja nur verlinken.
So hat es die SZ gemacht. Und auf der Vorschau des eingebetteten YouTube-Videos waren bereits zwei Gesichter zu sehen.
Ich glaube, die Medien machen sich lächerlich, wenn sie Dinge verpixeln, die einen Klick weiter sowieso zur Verfügung stehen.
Kann man drüber streiten, in es ein neues Phänomen ist.
Eines ist jedenfalls klar: wenn Rechte seit Monaten oder Jahren hier ein geheimes Erkennungszeichen etabliert haben, wo man sich verstehend zunicken kann, während alle Schlafschafe keine Ahnung haben, ist das nun vorbei.
Wenn das alles etwas gebracht hat, dann, dass dieses Thema nun die Öffentlichkeit erreicht hat, die nun entscheiden muss, wie sie damit umgeht.
Die Frage ist, ob das überhaupt passieren sollte.
Das glaube ich nicht, denn es macht einen Unterschied. Und es macht sich sicherlich nicht jeder die Mühe, nach dem ungepixelten Video zu suchen.
Mittlerweile kennt jeder das Gesicht von Moritz M. und Elisa Maria K., weiß wo sie leben und wo sie gearbeitet haben.
Die Ausführungen des Pressekodex gibt es ja nicht ohne Grund, auch im Zeitalter sozialer Medien.
Denkt man das weiter, könnte man als Presse alle Informationen, die man selber nicht veröffentlichen will oder darf, in den Bericht per Link einbinden.
Falls das der Influencer und das Model sind: die sind Personen öffentlichen Interesses und müssen damit leben…
Genau. Das ist das Grundprinzip des Internet.
Natürlich gibt es Regeln, wie nichts strafbewertes zu verlinken.
Ahja…
Erstens wusste man bei der Veröffentlichung des Videos ja noch garnicht, um wen es sich handelt.
Zweitens bezweifle ich, dass es sich bei den Personen um Personen von öffentlichen Interesse in Sinne der Presserichtlinien handelt.
Für die Presse gibt es allerdings offensichtlich strengere Regeln als das „Grundprinzip des Internet“.
Es muss durchaus eine Diskussion darüber geben, was nicht erlaubt werden darf vs. was praktisch nicht verboten werden kann. Wenn Social Media als „unzensiertes“ und weitestgehend unreguliertes News Medium mehr Einfluss auf die Gesellschaft bekommt als traditioneller Journalismus, weil dieser einer restriktiven Selbstregulierung folgt, würde ich das nicht unbedingt als eine positive Entwicklung sehen.
Ich gebe Dir 100% Recht, auch wenn ich glaube, dass Du das, was daraus folgen sollte, genau gegenteilig einschätzt.
Man kann jedenfalls nicht aus der Tatsache, dass sich das Internet anscheinend an keine Regeln halten muss folgern, dass die Presse das dann auch nicht mehr muss, um nicht an Einfluss zu verlieren. Genau das Gegenteil muss mMn passieren; die Stellschraube sind hier die sozialen Medien.
Auf den konkreten Fall bezogen halte ich das Argument im übrigen nicht für besonders überzeugend. Ich glaube nicht, dass die Einhaltung der Selbstregulierung in diesem Fall einen Nachteil für die Berichterstattung (außer vielleicht für DAS Qualitätsmedium BILD) oder einen sinkenden Einfluss der Presse auf die Gesellschaft zur Folge gehabt hätte.
Ich habe vielmehr das Gefühl, dass die Berichterstattung/Presse den sozialen Medien hinterherzurennen versucht in der vermeintlichen Angst, wie du es sagst, Einfluss zu verlieren, dabei aber aus den Augen verliert, dass sie ihrer eigentlichen Aufgabe immer weniger nachkommen und sich quasi selbst abschaffen - denn das was sie nachzumachen versuchen, kann tatsächlich das Internet besser als sie. Ich bezweifle allerdings, dass das von gemeinen Leserinnen und Lesern tatsächlich nachgefragt wird.
Unabhängig von der Frage, wie seriöse Medien arbeiten sollten und was ihr Zweck sein sollte, muss man wohl konstatieren, dass eine gewissen Social-Media-Logik auch hier längst Einzug gehalten hat, egal wie bewusst oder unbewusst das im Einzelfall passiert.
Inhaltlich war das was auf Sylt dokumentiert wurde ja überhaupt keine Überaschung. Ich würde es so deuten, dass das Video selbst zu einem Medienereignisse geworden ist, das vor allem Empörung und andere emotionale Reaktionen auslöst und nur darüber vermittelt - also indirekt - eine Diskussion über die Inhalte, die damit im Zusammenhang stehen. Etwas Ähnliches konnten wir bei den Correctiv-Enthüllungen zu dem Treffen in Potsdam(?) beobachten: Auch hier war inhaltlich eigentlich nichts Neues, aber durch ein Medienereignis, das entsprechende emotionale Reaktionen auslöste, kamen diverse Steine ins Rollen (bis hin zu den Massendemos). Ich würde sagen, dass auch viele „Debatten“ über politische Fragen (Stichwort Taurus oder Heizungsgesetz) inzwischen nach einer Social-Media-Logik funktionieren und dass sowohl die seriösen Medien, als auch Politiker, aber eben auch das Publikum aka die Wähler sich sehr gerne auf diese Dynamik einlassen.
Übermedien hat heute die Art der Berichterstattung kritisiert. Ein Zweifel an der Relevanz wurde nicht geäußert. Ich stelle mal folgende These auf: hätten irgendwelche Männer solche Texte auf einer weniger exklusiven Feier gesungen, dann wäre das video erstens nicht bekannt geworden und zweitens hätten sich keine Politiker:innen dazu geäußert und natürlich auch nicht die Leitmedien. Das Vergehen wäre dasselebe. D.H. der entscheidende Faktor der Information ist der sozioökonomische Background der Tätergruppe. Die bloße Evidenz, dass es reiche Leute waren hat das ganze überhaupt erst vom „umgefallenen Sack Reis in China“ zu einer Nachricht gemacht. Finde ich aber problematisch, weil diese Dynamik der Berichterstattung bei Personen mit Migrationshintergund bei strafrechtlich relevanten Vorfällen genauso gemacht wird. Von Einzelfällen wird dann immer auf eine größere Gruppe geschlossen. Wirklich Relevant wäre dieser Exzess im PONY für mich erst dann gewesen, wenn die Leute im Video Personen des öffentlichen Interesses, wie z.B wichtige Unternehmer:innen gewesen wären. Dann hätte dieser Link auch besser funktioniert, dass ihr Fehlverhalten stellvertretend für eine Normalisierung des Rechtsextremismus steht. Das Potential der Schadenfreude war einfach zu groß. Das konnte sich anscheindend kein Medium entgehen lassen.
Ich denke, viele Medien sind erst auf den fahrenden Zug aufgesprungen, weil es schon vorher so viel Empörung und damit Aufmerksamkeit für das Ereignis gab - und da wollen dann alle dabei sein. Das meine ich mich Social-Media-Logik. Wer oder was den Stein am Anfang mal ins Rollen gebracht hat, ist dann oft fast schon egal.
Das Schlimme daran, dass der Schwerpunkt auf diesem Video liegt, ist, dass es ablenkt von den wirklich Verantwortlichen für den Rechtsruck.
Und das ist nicht nur die AfD, sondern auch die Union, Sarah Wagenknecht und die Regierungsparteien. Sie verwenden Rhetorik, die mich sehr stark an das „Ausländer raus“ erinnern. Die Afd-B.v.Storch kann sich ohne Probleme auf Scholz’ Spiegelcover berufen.
Und die Regierungsparteien setzen das „Ausländer raus“ sogar um.
Der Neuigkeitswert des Videos ergab sich (für mich) daraus, dass es symptomatisch dafür steht, dass die - immer schon falsche - Erzählung von den armen, abgehängten, unterdrückten, aber eigentlich anständigen Menschen, die aus reiner Notwehr gegen ihr materielles Elend rechtsextreme Einstellungen unterstützen und/oder teilen, falsch ist. Weil man - annähernd ebenso falsch - in unserer Gesellschaft zusätzlich davon ausgeht, Einkommen und Vermögen würden verdient, kam dazu das Narrativ, hier sei die „Elite“ des Landes zu sehen. Das macht den Fall (solange man die meritokratische Prämisse teilt) logischerweise schwerwiegender, als das bekannte Foto vom eingepissten Nazi in der Trainingshose beim Hitlergruß.
Dass in sozialen Medien schnell die üblichen Pranger-Ersatz"handlungen" um sich griffen, muss man nicht feiern, aber das gehört dazu, wenn gesellschaftliche Normen umkämpft sind (wie es die Ablehnung von Rechtsextremismus ja leider ist).
Wo bleibt eigentlich der mediale Aufschrei wegen von der Leyens und Webers Kooperation mit Melonis Faschisten in der EU?
Offenheit nach rechtsaußen als Machtoption. Unglaublich. Hauptsache, an der Macht bleiben. Um jeden Preis.
Und kaum einer scheint es mitzubekommen… Stattdessen eine Woche heißer Diskussion über #sylt . (Ich schließe mich da ein. Mich regt das Syltvideo natürlich auch auf.)
Es waren Influencer, Models, Arbeitgeber.
Dass sie uns unbekannt sind, muss nicht heißen, dass sie eine gewisse Einflussrelevanz in Teilen der Bevölkerung haben.
Und damit sind wir eben auch bei einem Punkt, der sich vom Reissack in China (die fünf durchschnittlichen Arbeitnehmer, die sich daneben benehmen) unterscheidet.
Dazu kommt natürlich, dass es für Zeitungen wenig reizvoll ist, negativ über die Mitte der Gesellschaft zu berichten, da sie damit genau den Großteil ihrer Leser treffen. Das gleiche in den sozialen Medien, weil es da besonders viel Widerspruch auf sich ziehen wird.
Genauso hier, wo eine großteils besser gestellte Klientel das Problem in gehobener Schicht nicht wirklich als Problem sehen kann oder will.
Es ist leider so, dass aus deutscher Sicht italienische Faschisten erst ein Problem sind, wenn die in der EU nicht mehr mitspielen. Was in Italien passiert, scheint demgegenüber relativ egal zu sein, mutmaßlich spielt auch Resignation angesichts immer breiterer Normalisierung von Rechtsextremismus eine Rolle. Ich kann mir auch vorstellen, dass nicht alle Medien viele Korrespondenten in Italien haben, die die Meloni-Partei und deren Innenpolitik besser einordnen können.
Mit den Personen habe ich mich gar nicht so genau auseinandergesetzt. Hieß es nicht Sie wären mittlerweile alle entlassen? Spricht weniger für Unternehmertum. Sonderlich einflussreich waren sie aber meines wissens nicht. Hätten sich die Medien anhand des Videos allein der Frage gewidmet, wie rechtes Gedankengut anhand von Social Media an junge Leute herangetragen wird, hätte ich den großen Wirbel schon eher verstanden. Es ging aber Größtenteils um ihre soziale Verortung in einer einer wohlhabenden Klasse, die Sie meines erachtens auf einer Privatparty als Privatpersonen nicht repräsentieren. Wenn deine soziale Herkunft über die mediale Aufmerksamkeit entscheidet, wenn es nur um moralische nicht aber um strafrechtliche Tatsachen geht, dann frage ich mich schon ob die Medien ihre Prioritäten letzte Woche richtig gesetzt haben.