Supreme Court kassiert Bidens Vorschlag mit 6:3 Stimmen. Anträge der Opposition aus Prinzip ablehnen?

Es ist doch kein Zufall, dass der Supreme Court Bidens Vorschlag mit 6:3 Stimmen ablehnt, wenn 6 Richter eher konservativ (Republikaner) und die anderen 3 eher liberal (Demokraten) sind. Corona und USA: Gericht blockiert Bidens Impfpflicht für große Firmen - Politik - SZ.de Es ist ein gutes Beispiel dafür, wie weit die Spaltung in Amerika reicht finde ich. Anträge aus der Opposition werden nicht nach Inhalten behandelt, sondern aus Prinzip rein ideologisch abgelehnt.
Auch in Deutschland konnte man dieses (…) Problem sehen. Hierbei ging es um die Anträge der Grünen und der Linken zu einer geordneten Evakuierung der Menschen aus Afghanistan letzten Sommer. Die Anträge wurde von der Regierung ebenfalls aus Prinzip abgelehnt, weil sie aus der Opposition kamen. Regierende Politiker gaben es später nachweislich als Fehler so zu, meine ich gelesen zu haben.
Ich finde diese Entwicklung gefährlich, da es Vorankommen blockiert und eine inhaltliche Auseinandersetzung mit wichtigen Themen völlig außen vor lässt. Wie kann man einem solchen Problem in Zukunft begegnen…
Freue mich auf eure Antworten :).

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Ich würde in der Analyse den Supreme Court und den politischen Umgang mit Anträgen der Opposition voneinander trennen und beides nicht unbedingt ineinander blenden. Dass der Supreme Court u.a. besetzt wird, um parteipolitische Interessen langfristig durchzusetzen und zu sichern ist ja keine neue Entwicklung. Der politische ‚Trick‘ dabei ist ja gewissermaßen, dass zwar einerseits jede:r weiß, dass der Supreme Court ein ideologisch bzw. nach politischer Arithmetik besetztes Gremium ist, die Legitimation des Courts aber gerade auf der Fiktion beruht, er sei dies gerade nicht. Und Chief Justice John Roberts ist es - mit Unterstützung einiger Medien - auch bisher gelungen, diese Fiktion zumindest nicht zu sehr zum Einsturz bringen zu lassen. So langsam lässt sich der deutliche konservative Bias des Supreme Court aber nicht mehr zurückhalten.

Die eine Lösung für das Problem wurde in der Lage ja auch schon einmal ausführlich besprochen: Court Packing. Joe Biden hat zu Beginn seiner Amtszeit immerhin angekündigt, er würde eine Task Force einrichten, die Möglichkeiten zur Veränderung des Supreme Court auslotet - von dieser hat man seit dem aber meines Wissens nichts mehr gehört. Dass man eine solche Änderung in einer hauchdünnen Senatsmehrheit, die sich auf Kysten Sinema und Joe Manchin stützen muss, durchsetzen könnte, ist aber ohnehin unwahrscheinlich.

Eine andere Möglichkeit wäre es, als liberale:r Justice nicht den Fehler der - sonst vollkommen zurecht - gefeierten Ruth Bader Ginsburg zu machen und rechtzeitig zurückzutreten, wenn die Mehrheitsverhältnisse es den Democrats erlauben würden, eine Vakanz selbst zu besetzen. Deshalb hat man letzten Sommer versucht, Stephen Breyer zu überzeugen, sein Amt zur Verfügung zu stellen. But, well…

Der Schuh lässt sich aber auch anders herum anziehen. Auf der politischen Ebene geht gerade nichts voran, weil etwa die demokratische Senatorin Kyrsten Sinema die Regierung bei der Durchsetzung von Voting Rights und sinnvolleren Regeln für den Senat blockiert - im Namen von „Zusammenarbeit“ mit der Gegenseite (die an erleichterten Zugängen zu Wahlen natürlich kein Interesse hat) und um sich mit conservative credentials Stimmen für die eigene Wiederwahl zu sichern.

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Doch, es gibt einen Abschlussbericht, der aber eher nur den Zustand beschreibt und gerade zu den großen Baustellen (Richterzahl, Amtszeit) keine Empfehlungen ausspricht.

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Tatsächlich würde ich auch die Abstimmung über Anträge der Opposition im Parlament und das Verhalten von Richtern am Supreme Court trennen. Interessent wird es bei dieser Thematik aber m.E. gerade dann, wenn das Parlament als „Richter“ fungieren muss. Beispiele wären die Amtsenthebung von Trump im US-Senat und diverse Untersuchungsausschüsse im deutschen Parlament. Wenn man sieht, wie parteitaktisch da gehandelt wird, finde ich das auch einen Gedanken wert.

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Der Filibuster hat durchaus seine Daseinsberechtigung.
Ich kann verstehen, wenn sich Demokraten gegen die Abschaffung stellen.
Die Demokraten sind auch mal wieder Opposition und dann froh, wenn es ihn gibt.
Aber dass Biden die eigenen Leute in den Rücken fallen ist ein echtes Problem.

Die Diskussion um Sinn und Unsinn des Filibuster scheint mir ein wenig komplexer zu sein. Und dafür ist es ja auch nicht ganz unerheblich, auf welche Weise der Filibuster aktuell eingesetzt wird. Momentan dient er - im Verbund mit anderen biases des amerikanischen politischen Systems - dazu, eine obstruktionistische Minderheit zu übervorteilen und dieser die Verfügbarkeit über politische Macht zu erhalten. Dass der Filibuster historisch vor allem dazu beigetragen hat, nicht-weiße Minderheiten von Wahlprozessen auszuschließen sollte ebenfalls berücksichtigt werden. Und man sollte sich dann in der aktuellen Situation auch noch einmal die Absurdität vor Augen führen, dass eine Partei sich auf „Bipartisanship“ beruft und deshalb Wahlrechts- und prozedurale Reformen aufschiebt, während die derart umworbene andere Seite aktiv daran arbeitet, bestimmte Bevölkerungssegmente vom politischen Prozess fernzuhalten und demokratische Normen außer Kraft zu setzen.

Deshalb scheinen mir politische Maßnahmen, die an der Beseitigung solcher Unwuchten des politischen Systems arbeiten (Reform des Filibuster, Statehood for D.C. und Puerto Rico, Court Reform), erstmal wünschenswert und sinnvoll zu sein.

Zur politischen Diskussion und zur Geschichte des Filibuster:

https://www.washingtonpost.com/outlook/2021/03/12/history-reveals-that-getting-rid-filibuster-is-only-option/

Das Problem an dieser Argumentation ist: Die Demokraten könnten den Filibuster jetzt mit ihrer einfachen Mehrheit abschaffen, aber die Republikaner werden es sofort tun, sobald sie selber die Mehrheit stellen und die Demokraten ihn dann einsetzen.

Deren Rhetorik wird sich dann in nullkommanix um 180° drehen, so wie es bereits bei der Frage war, wie kurz vor einer Präsidentschaftswahl noch neue Supreme Court Richter eingesetzt werden sollten.

Insofern gewinnen Demokraten überhaupt nichts, wenn sie den Filibuster jetzt nicht abschaffen. Dahinter steckt – wenn man mal die nicht ganz von der Hand zu weisende Möglichkeit außen vor lässt, dass Manchin und Sinema sowieso bereits auf der Payroll der GOP stehen – immer noch die naive Vorstellung, dass die Republikaner vielleicht mit ein bisschen Appeasement doch wieder den Weg zurück zum konstruktiven Miteinander finden könnten. Das wird aber nicht passieren.

Das müssen sie nicht einmal. Die Republikaner können ihre wesentlichen politischen Inhalte auch im jetzigen System schon durchsetzen, denn für finanzpolitische Gesetze (= Steuersenkungen per Reconciliation) und Richterbesetzungen gibt es bereits Ausnahmen, durch die eine absolute Mehrheit ausreicht. Die Demokraten hingegen brauchen für ihre Ziele den „normalen“ Gesetzgebungsprozess. Anders gesagt: Den Republikanern reichen fast immer 50 Stimmen, die Demokraten brauchen fast immer 60. Aus Sicht der Republikaner ist das ein ziemlich bequemer Zustand.

Ja, das stimmt. Da habe ich nicht von 12 bis Mittag gedacht. Das ist ein gutes Argument.
@Eule auch in Deutschland sind Gesetze, die das Steuerrecht betreffen meist mit einfacher Mehrheit zu entscheiden, für das Wahlrecht braucht es oft eine 2/3-Mehrheit. Über Umwege erzeugt diesen Effekt auch der Filibuster. Aber ja, das amerikanische System ist mittlerweile an vielen Stellen ganz schön verkorkst.