Strommarkt in Deutschland jetzt gescheitert?

Gerne. Ich bin der Meinung, dass der europäische Strommarkt mit dem Merit Order Prinzip mit zwei Einschränkung funktioniert.

  1. Preisextreme müssen gekappt werden (es darf nicht sein, dass das letzte zugeschaltete Kraftwerk mehr als ?? Prozent über dem davor liegt (?? Ist zu diskutieren)
  2. Es darf nicht mehr sein, dass produzierter Strom aus EE nicht ins Netz kommt, solange es davon noch nicht genug gibt (Speicherausbau oder Umwandlung der Energie in einen Trägerstoff).

Jetzt ist es aus meiner Sicht wichtig, durch CO2 Bepreisung der Energieträger, gezielter "Start"förderung von Speichertechniken sowie einem Konzept für die Dunkelflaute den Strommarkt zukunftsfest zu entwickeln.

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Ich würde dem Kappen entgegenhalten, dass hohe Preise ein notwendiges Knappheitssignal des Marktes sind. Das zeigt an, dass es sich lohnt in günstigere Technologien zu investieren und die sehr teure Technologie aus dem Markt zu drängen. Genaugenommen gibt es die Obergrenze auch schon. Ich vermute nur, dass du die 4000€/MWh als zu hoch ansiehst (https://www.eex.com/fileadmin/Global/News/EEX/EEX_Customer_Information/2022/20220826_EEX_Customer_Information_-_Change_price_limits_power_long_term_and_gas_contracts.pdf). Viel wichtiger ist aus meiner Sicht vielmehr, dass sichergestellt wird, das kein Akteur so viel Marktmacht hat den Markt so zu manipulieren, dass er den Marktpreis künstlich nach oben treibt.

Das ist ja zum Teil kein Marktthema. Wenn die Netze nicht in der Lage sind den Strom zu transportieren, dann wird es leider Stunden geben, wo abgeregelt wird. Auch eine Marktzonenteilung hilft vermutlich nur bedingt, weil dann ggf. der EE Strom im Norden einfach nicht verkauft wird, weil die Netzkapazität in den Süden direkt berücksichtigt wird. Dann ist er zwar nicht abgeregelt aber wird auch nicht genutzt.
Weiterhin sind für den zweiten Teil wieder entsprechende Preisdifferenzen notwendig, damit sich Speichertechnologien lohnen. Egal ob Batterien oder über chemische Energieträger, die Spreads müssen groß genug sein, was wiederum ein Problem für deine Kappung des maximalen Börsenpreises ist.

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Die Ermittlung des Strompreises bewirkt aber genau das Gegenteil.
Da immer der höchste ermittelte Preis für alle Marktteilnehmer gilt, macht es im Gegenteil Sinn, genau so viele Kapazitäten vorzuhalten, dass ein teurer Marktteilnehmer gerade noch zum Zug kommt. Der macht zwar Verluste, das kann man durch den zusätzlichen Gewinn bei Erneuerbaren aber ausgleichen. Es ist also noch ärger: je teurer der Marktteilnehmer, desto besser.

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Es ist sogar noch bescheuerter: wenn viel Strom aus PV oder Wind vorhanden ist, sinkt der Strompreis. Unternehmen im Süden von D kaufen den Strom, der kann aber nicht transportiert werden. Also werden Windkraftanlagen abgeregelt und trotzdem vergütet und im Süden werden Gaskraftwerke hochgefahren um den billig gekauften Strom teuer zu produzieren. Finanziert werden diese Redispatch-Maßnahmen aber von allen Stromkunden.

Und in Norddeutschland darf man noch den Anschluss der Windkraftanlagen über Netzentgelte bezahlen.

Edit: 2022 lagen die Kosten für Redispatch bei 4,2 Mrd. Euro.

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In der Theorie ja, in der Praxis muss dafür entweder genug Marktmacht vorhanden sein oder die Marktteilnehmenden sich untereinander absprechen. Dieses Jahr ist dazu eine neue Analyse des Bundeskartellamts herausgegeben worden. Wie schon zuvor ist vor allem RWE ein Problem. Die LEAG und EnBW sind nahe der Vermutungsschwelle, dass entsprechend Marktmacht vorhanden ist. Das Problem besteht aber vor allem dann, wenn nicht genug EE am Markt sind, um eine hohe Nachfrage zu decken. Es ist aber wohl noch nicht festgestellt worden, dass sie die Marktmacht auch ausnutzen (Bundeskartellamt - Homepage - Bericht zur Marktmacht auf den Stromerzeugungsmärkten 2022/23 vorgelegt – Marktmacht weniger Unternehmen verfestigt sich – Stromimporte werden bedeutsamer). Nichts desto trotz wäre es sinnvoll hier schon jetzt entsprechende Maßnahmen zu treffen, dass die Gefahr nicht mehr besteht.

Ein Aspekt ist dabei, dass gerade Importe in solchen Stunden helfen die Marktmacht zu reduzieren oder gar zu beseitigen. Also genau der europäische Strommarkt und das integrierte System, was im Eingangspost kritisch angesehen wird.

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Welches dir aber nur etwas nützt, wenn der jeweilige Kunde darauf eingehen kann.

Derzeit wird die kWh aber zum Festpreis an den Endkunden verkauft, so dass dir evtl. Preissignale gar nichts bringen.

Wir haben hier Tarife, die 15 minütlich wechseln.
Auch für Privatkunden zugänglich. Damit hast du dann wirklich die Vorraussetzung auch Netzdienlich zu arbeiten, einfach weil du deinen Hauptverbrauch zeitlich so steuern kannst, dass es für dich möglichst billig wird.

Demand-Side-Integration ist eine der zentralen Säulen der Energiewende. Deutschland ist leider bei diesem Aspekt der Energiewende Schlusslicht in Europa.

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Ich wollte mich erst mal nur auf Speichertechnologien beziehen, die direkt am Strommarkt partizipieren können. Gerade weil das Stichwort des Umwandelns in chemische Energieträger gefallen ist. Hier ist der Preisspread relevant. Neben den Strompreisen sind auch hier weitere Kostenbestandteile wie z.B. Netzentgelte relevant.

Das wird besonders bei Haushalten sichtbar. Di hast recht, dass es hier einen breiteren Zugang zu variablen Tarifen geben sollte. Da der reine Strompreis aber oft nur einen kleineren Teil der Kosten ausmacht sind variable Netzentgelte ein weiterer Baustein, um Haushalten Anreize zu schaffen systemfördernd zu konsumieren. Ich vermute ihr habt in Schweden nicht nur einen 15-Minütigen Strompreis, sondern auch verschiedene Netzentgelte, je mach Zeitpunkt des Konsums.

Das letzte was ich davon gehört hatte, war dass wohl die Netzentelte sowohl beim ein- also auch beim ausspeichern fällig werden, was wohl das größte Hindernis zur Attraktivität ist.

Keine Ahnung, hab keinen solchen Tarif, da er mir derzeit nichts bringt.
Hab keinerlei steuerbaren Verbraucher.

Das ist sicher nicht ganz falsch, aber grundsätzlich verboten. Wir in der Energiebranche haben strenge Auflagen. Eine dieser Auflagen ist, dass Erzeugung und Vermarktung keinerlei direkten Kontakt haben dürfen. Regelmäßige Compliance-Schulungen, die das absichern, sind zumindest bei uns Usus. Und so dürfen wir noch nicht einmal den Tradern sagen wenn voraussichtlich morgen kurzfristig eine große Anlage ausfallen wird. Stattdessen müssen wir die Information über eine zentrale dritte Plattform melden, die Trader aller Energieunternehmen lesen können.

Wir dürfen auch nicht einfach Kapazitäten zurückhalten um damit Preise zu beeinflussen. Ab einer gewissen Gesamtkapazität ist jeder Energieversorger verpflichtet stets seine ganze Kapazität am Markt anzubieten (Ausnahme Kapazitätsausfälle durch Ausfälle und Reparaturen).

Ich kann Fehlverhalten nicht ausschließen, aber grundsätzlich sind Praktiken, wie von dir beschrieben, ganz klar verboten.

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Das ist nur noch ein temporäres Problem. Ab 2025 sind schon alle Energieversorger verpflichtet dynamische Stromtarife anzubieten. Ich vermute die werden sich dann auch schnell durchsetzen, denn sie nehmen dem Versorger mächtig Risiko ab. Daher wird er die klassischen Tarife ganz fix teuer machen.

Ich sehe nur das grundsätzliche Problem, dass 100% Erneuerbare damit wenig attraktiv erscheint. Lieber 95% und stattdessen auf ein paar zusätzliche Gaskraftwerke setzen.
Auch wenn die Windkraft im Norden oder die Photovoltaik im Süden verpuffen, weil sie mangels Leitungen in Spitzenzeiten keiner wegleiten kann, erscheint da gar nicht mehr so tragisch.
Natürlich haben wir auf der zweiten Seite Naturstromanbieter, die gerne investieren, ihren Teil vom Kuchen wollen und gerade gute Gewinne einfahren, was zu noch mehr Ausbau führt. Aber auch die wissen natürlich, dass die Gewinne wegbrechen, wenn ihr Anteil zu groß ist.
Die Anreize sind im derzeitigen System einfach falsch gesetzt.

  1. Ich dachte das ist ohnehin die Strategie? Gaskraftwerke als Backup sind doch absolut notwendig. Das ist doch Common Sense.

  2. Ich denke kaum, dass die Energieerzeuger wegen des Merit-Order Prinzips mehr fossile Kraftwerke am Markt lassen als nötig. Machen wir mal ein Beispiel und sagen 1 kWh aus Gas kostet 22 ct/kWh, während Erneuerbare eher um die 10 ct/kWh Gestehungskosten haben.

    Nun haben wir das Merit Order Prinzip und 95 % unseres Stroms werden aus EE erzeugt, während die letzten 5 % durch Gas geliefert werden. Für jede EE erzeugte kWh bekommen die Erzeuger also 12 ct/kWh extra Gewinn, während der Gasanbieter nur seine Gestehungskosten ersetzt bekommt. Auch der Betreiber der Gasturbine wird also interessiert daran sein, seine Stromerzeugung auf EE umzustellen. Soll doch der andere Gasturbinenbetreiber die letzte MWh liefern und damit mit Minigewinn rausgehen.

    Am Ende wird es ein Wettlauf darum geben wer am schnellsten seine Produktion umbauen kann und das sehe ich bei uns auch schon. Wir verkaufen aktuell nach und nach Assets der fossilen Erzeugung um damit Geld für Offshore-WKA-Felder und Speichertechnologien flüssig zu machen.

Übrigens wundert mich immer wieder die Fokussierung auf das Merit-Order System. Tatsächlich wird doch das überwiegende Volumen nicht per Day-Ahead oder Spot Markt gehandelt, sondern mit bis zu Jahren Vorlauf per Termingeschäft. Da haben uns Medienschaffende ein Ei ins Nest gelegt als sie wochenlang die Merit Order diskutiert haben. Selbst im letzten Jahr war das Verhältnis Termingeschäft zu Spot Markt bei ca. 5:1

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