Steuersenkungen und Beitragserhöhung der Sozialversicherungen

Da scheinst du etwas grundsätzlich falsch verstanden zu haben. Die Verschiebung der Beitragsbemessungsgrenze wirkt sich nur für die negativ aus, die außerhalb der Beitragsbemessungsgrenze liegen.

Weil nach deiner Logik Menschen die mehr verdienen weniger wert sind (weil für sie ein geringeres Existenzminimum angenommen werden soll)? Du willst hier einfach eine doppelte Steuerprogression.

Eine Erhöhung des Freibetrages aber schon. Es sollte eigentlich offensichtlich sein, dass das von der Besteuerung ausgenommene Existenzminimum im Zusammenhang mit der Inflation steht. Ein durch Inflation steigendes Existenzminimum sollte offensichtlich zu einem höheren Freibetrag führen.

Du kannst ja gerne mal die Formel vorstellen, nach der der Chef dann einen kalte Progression berücksichtigenden Inflationsausgleich berechnet.

Sorry, das ist absurd. Der Chef hat keine Ahnung, was ich an Steuern zahle. Und gibt er Brutto dann unverheirateten mehr, damit sie gegenüber den verheirateten auf den selben Nettobetrag kommen? Wenn ich einen Teil meiner Gehaltserhähung in einen Riestersparplan stecke und dadurch meine Steuerlast senke, muss ich das dann vorher angeben, damit er mir Brutto weniger gibt?

Das ist einfach Unsinn. Siehe folgendes Rechenbeispiel: Mindestlohn ist (vereinfahcht) 13€. Bei 40 Stunden und 5 Wochen Urlaub ergibt das: 13 * 40 * 47 = 24.440 € Bruttoeinkommen. Nehmen wir mal 4% Inflation (=Mindestlohnerhöhung) an und ignorieren alle steuerlichen Freibeträge (sind ja deiner Meinung nach nicht für die Bekämpfung der kalten Progression zuständig), dann zahlt der Mindestlöhner in 26 Jahren Spitzensteuersatz (24.440 € * 1,04^26 = 67.759 €).

Klingt sinnvoll…

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Genau diesen Effekt erzielt man doch aktuell über die steigenden Steuersätze.

Ob sich jetzt bei einem Einkommen x der Durchschnittliche Steuersatz aus einem höheren Freibetrag mit dafür höheren Steuern oder aus einem niedrigen Freibetrag mit dafür niedrigeren Steuersatz zusammensetzt ist doch egal.

Das aktuelle Modell ist dabei vergleichsweise leicht zu handhaben und zu verstehen. Ein dynamischer Freibetrag passend zu dem Bruttoeinkommen würde wieder die benachteiligen die zwar ein hohes Bruttoeinkommen haben, aber ein niedriges zu versteuerndes Einkommen, z.B. weil als Selbstständige auch viele Ausgaben dazukommen.

Eine Ausrichtung am zu versteuernden Einkommen würden wiederum erst bei der Steuererklärung korrekt erfasst werden.

Ich verstehe wirklich nicht wo da der Vorteil gegenüber dem heutigen System liegen soll, weil auch mit dem heutigen System könnte man den tatsächlich zu entrichtenden Anteil progressiver machen wenn man will.

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Das steuerfreie Existenzminimum ist verfassungsrechtlich geboten. Hier nochmal in Abschnitt 2 schön aufgedröselt:

Asymmetrie der Anpassungen des Bürgergelds und des steuerfreien Existenzminimums – Verfassungsblog.

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Meine Beitrag von oben basierte auf falschen Annahmen und ungenügendem Wissen. Das hätte ich so nicht schreiben sollen. Ich bitte um Entschuldigung.

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Ist ja erstmal nicht schlimm. Es fällt auf, dass in Beiträgen zu diesem Thema auch in renommierten Zeitungen gerne einiges falsch gerechnet wird. Auch von denen die gerne schreiben wie hoch der Steuersatz für Facharbeiter ist.

So wird oft vergessen, dass Bruttoeinkommen ungleich zu versteuerndes Einkommen ist. Es wird vergessen, dass der Grenzsteuersatz nicht der durchschnittliche Steuersatz ist.

Gerade wenn es um die Bewertung von Vorschlägen für Reformen geht wo unten entlastet wird und oben belastet wird den mittleren Einkommen so gerne eine Mehrbelastung angerechnet die es real nie geben würde weil die Entlastung im unteren Bereich größer wäre als die Belastung im oberen Bereich des Einkommens.
Und so argumentieren dann sogar Politiker mit zahlen die nicht der Realität entsprechen.

Insgesamt kamen wir als Gesellschaft vermutlich um diesen Schritt nicht drum herum.
Das Krankenkassensystem ist überlastet, aus diversen Gründen.
Im aktuellen Presseclub der Tagesschau
https://www.youtube.com/live/TW5MzpQ9pcA?si=qn3hkiAye5VqWhiK
fand hier ein ganz guter Austausch statt. Kann man sich gut geben.

Wo ich nebst den Strukturproblemen der Kassen und der Medikamentenpreise einen Nebenproblem sehe, ist der Zeitpunkt.
wir werden absehbar -0,2% Wirtschaftskraft haben,heißt es aktuell, also Rezession.
Da die Kosten zu erhöhen tut, egal wie fair sie verteilt sind oder nicht, unteren Einkommen mehr weh als höheren, vor allem wenn schlechte Proteinwerte in der Getreideernte, vor allem beim Weizen auch noch auf die Preise für Brot drücken (wobei da Energie und Personal eher eine Rolle spielen, wo der erhöhte Arbeitgeberanteil für KV auch reindrückt)
sprich die „Lohnerhöhungen“ die vielerorts „nur“ Inflationsanpassung waren, die verpuffen nicht nur, man steht mit etwas Pech wieder schlechter da als in der Krise, weil sich die Negativsituationen überhäufen.
Und da geht’s auch nicht darum wer hat Schuld, der Zeitraum der Erhöhungen ist halt trotzdem Mist. Aber vlt müsste es sein, weil sonst wieder 16 Jahre nichts passiert wäre. :thinking:

zweitens
Karl Lauterbach sagt, diese Erhöhungen finanzieren z.T. auch die Krankenhausreform. Das ist insofern unfair für uns Zahlschweinchen, dass der Privatpatient davon ebenso profitiert, aber nicht mit bezahlt. Und selbst wenn die Abrechnungspauschalen steigen, dann steigen Sie ja für alle Versicherungstypen.
Also zahlen 1.000 gesetzliche das neue MRT (Was EIGENTLICH Aufgabe der überlasteten Landes-Haushalte wäre, oder eben in Hilfe des Bundes) anteilig das Gerät mit und der Privatpatient bekommt ohne Aufschlag den ersten Termin…
etwas überspitzt polemisiert, ich weiß.

Dritter Gedanke.
Als Sozialstaat dürfen wir ja vlt auch Mal etwas sozialistisch Denken.
Was wäre denn, würde der Staat die wichtigsten Medikamente der Abgrundversorgung selbst herstellen. Zumindest da wo es keine Patente mehr gibt. In Krankenhäusern fehlen oft Basis Antibiotika, Paracetamol und solche Geschichten. Klar ist das ein Markteingriff, aber so könnte der Staat nicht nur resilienter im Kriegs- oder Katastrophenfall sein…
Indien ist die Apotheke der Welt, wenn dort eine Pandemie oder Krieg oder Umsturz geschieht, sitzen wir bei vielen Medikamenten auf dem Trocknen, haben wir bei Corona gesehen…
das hatte aber vor allem den Effekt, er könnte sich diese Medikamente selbst günstig verkaufen oder herstellen, zur nit mit einer Bundesgesellschaft wie die Deutsche Bahn.
Zu dem Gedanken habe ich noch nichts gefunden, außer eine Handvoll alter Artikel die sagen warum es nicht geht, von Lobbyisten von Bayer :person_shrugging:
vlt hat da jemand einen Guten Einwand oder Gedanken zu.

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Auch eine staatliche Firma müsste ja erstmal die Infrastruktur aufbauen und würde wohl vorwiegend für den lokalen Markt produzieren. Günstiger wäre das sicher nicht, es bliebe da wohl tatsächlich der Vorteil der Unabhängigkeit für den man dann aber eben mehr bezahlen müsste.

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Interessant finde ich ja, wie die Steuerfreiheit des Existenzminimus gelöst ist, nämlich durch einen Steuerfreibetrag.

Es ginge, zumindest in der Theorie, aber auch anders. Dazu erst mal folgende Annahmen:

  1. Das Einkommen würde komplett vom ersten Euro an besteuert (also kein Grundfreibetrag).
  2. Das Existenzminimum läge bei exakt 10000 € (einfacher zu rechnen) und jmd. der genau soviel verdient, soll natürlich weiterhin keine Steuern zahlen müssen.
  3. Die zu zahlende Steuer für die 10.000 € (Existenzminimum) liegt, der Einfachheit halber, bei 2500 €.
  4. Alle weiteren Abzüge und Vergünstigungen seien hier mal ignoriert.

Nun berechnet der Staat für jeden die fällige Einkommenssteuer (wie in §32a EStG, nur eben ohne Grundfreibetrag) und zieht anschließend(!) die 2500 € von der fälligen Steuerschuld ab.

Wer also gleich oder weniger als die 10.000 € Existenzminimum zvE verdient, der zahlt durch diesen Abzug eben gar keine Steuern. Wer z.B. 50.000 € verdient und darauf (fiktiver Wert!) 10.000 € Steuern zahlen würde, dem würden auch die 2.500 € abgezogen und er hätte noch 7.500 € Steuerschuld.

Der Vorteil, zumindest in meinen Augen, ist, dass diese Art der effektiven Nichtbesteuerung des Existenzminimums eben nicht dazu führt, dass große Einkommen immer weiter bevorteilt würden, je höher ihr Grenzsteuersatz liegt (wie es aktuell der Fall ist).

Wieso wird mit dem Freibetrag der bevorteilt der einen höheren Grenzsteuersatz hat?

Sowohl in deinem Vorschlag als auch aktuell wird auf jeden Euro den man mehr verdient ein Betrag x als Lohnsteuer fällig. Dieser Betrag x steigt bis maximal 45%.

Ob man jetzt auf den unteren Teil des Einkommens keine Steuer zahlt oder eine Steuer zahlt die einem aber vom gesamten Betrag wieder abgezogen wird macht doch für die Steuerlast im oberen Bereich rechnerisch gar keinen unterschied.

Oder meinst du man sollte einfach die aktuellen Grenzen um den aktuellen Freibetrag senken? Das wäre aber ja schon für moderate Einkommen eine deutliche Mehrbelastung.

Was meinst du genau mit „unteren Teil des Einkommens“? Denn eigentlich wird ja jeder Euro des Einkommens mit dem gleichen Durchschnittssteuersatz besteuert und dieser Satz ergibt sich halt, wenn man die Steuerschuld (nach §32a EStG usw.) durch das zvE teilt, oder sehe ich das falsch?

Und daher führt ein Steuerfreibetrag (wie der Grundfreibetrag ja auch einer ist) eben bei den höheren Einkommen (mit höherem Durchschnittssteuersatz) zu größeren Steuerersparnis, was mMn unsozial ist.

Würde man aber stattdessen einfach einen festen Betrag als „Steuerschuld des Existenzminimums“ bei jedem Steuerzahler abziehen, unabhängig von dessen Durchschnittssteuersatz, hätte man diese unsozialen Effekt vermieden.

Nein, das wäre natürlich zu wenig, man müsste schon auch den Verlauf der Steuerkurve anpassen, ansonsten würde das in der Tat zu höheren Steuern bei den niedrigen Einkommen führen. Aber diese Eckdaten der Steuerkurve sind ja nicht in Stein gemeißelt. :slight_smile:

Das ist etwas verkürzt dargestellt. Die PKV Abrechnung ist zwischen 1,8 und 3,5 mal höher als die GKV Abrechnung. D.h. Privatpatienten bezahlen immer mehr für die gleiche Leistung (also aus Sicht der Gebührenordnung).

Der Durchschnittssteuersatz ergibt sich aber aus einer Formel die die verschiedenen Bereiche der Steuersätze abbildet. Steigt der Freibetrag, nicht aber die Höhe dieser Stufen, dann sinkt der Durchschnittssteuersatz stärker für kleine Einkommen als für große Einkommen.

Denn der Freibetrag fällt ja immer von unten an und reduziert den Betrag auf den nur wenig Lohnsteuer anfällt.
Anders ist es mit dem absetzen von Ausgaben, der mindert das zu versteuernde Einkommen und damit den Anteil auf den hoher Steuersatz zu bezahlen ist.

Der Freibetrag mindert nicht das zu versteuernde Einkommen, sondern es ist lediglich so, dass ein zu versteuerndes Einkommen bis zu diesem Freibetrag mit 0% versteuert wird. Jeder weitere Euro wird dann mit einem bestimmten Satz versteuert wodurch sich ein Durchschnittssteuersatz ergibt.

Edit:

Würde der Freibetrag auf 20.000 € angehoben werden hätte jeder der 20k oder mehr zu versteuerndes Einkommen hat die gleiche Steuerersparnis. Denn es würde lediglich der Satz auf den Anteil des Einkommens der unter 20k liegt auf 0% sinken.

Ohh Gott, stimmt. Da hatte ich in der Tat einen Denkfehler. Der Grundfreibetrag wird ja wirklich anders realisiert, als die sonstigen Abzüge. Da habe ich echt auf dem Schlauch gestanden. Danke für die Erläuterung.

edit;
Und noch mal ne andere Frage: Sehe ich es richtig, dass der Inflationsausgleich durch Anpassung des §32a EStG zu einer Steuersenkung bei all jenen führt, die keine Lohnsteuererhöhung erhalten?

Hier findest du eine ganz gute Übersicht zum Ausgleich der kalten Progression. Im Grundsatz werden durch die Verschiebung der Eckwerte des Steuertarifs alle Einkommensschichten entlastet.

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Danke erst mal für den Link. Tatsächlich ist meine Frage von oben dort sogar mit ungefähren Zahlen hinterlegt:

Nach der Faustformel aus Tabelle 10 der „Datensammlung zur Steuerpolitik“ führt eine Verschiebung aller Tarifeckwerte des Einkommensteuertarifs (inklusive Grundfreibetrag) um einen Prozentpunkt zu gesamtstaatlichen Mindereinnahmen von gut 2,5 Mrd. Euro jährlich.

Auch das ist verkürzt dargestellt. Die ärztliche Leistung wird höher abgerechnet, das Zimmer wird höher abgerechnet, die Rezeption, Tiefgarage, der Garten, der Schockraum, die Heizungsanlage etc. werden nicht höher abgerechnet. Da gibt es eine höhere Abrechnung für Unikliniken und eine geringere für das „normale“ städtische Krankenhaus. Die Infrastruktur, mit der dann höher abrechnungsfähige Leistungen erbracht werden, wird also von allen gleich finanziert. Zumindest war das vor ca. 10 Jahren noch so als ich näher an den Themen dran war.

Es gibt Krankenhäuser, die Gemeinkosten wie Heizung direkt auf der Rechnung ausweisen? Habe ich noch nie gesehen. Ich dachte, das wird alles auf die tatsächlichen Behandlungskosten umgelegt, wodurch die PKV Patienten es mit höheren Faktoren finanzieren.

Aber ich stecke da ebenso nicht tief drin.

Nein, das sollten verschiedene Töpfe sein. Die Krankenkassen sollten den Teil tragen, der die Behandlung betrifft. Die Bundesländer den Rest.

Jedoch gehen die Investitionen der Bundesländer in die Krankenhausfinanzierung seit Jahren zurück. So sank die Investitionsquote der Länder von 25 Prozent im Jahr 1972 auf nur noch ca. 3 Prozent im Jahr 2021.
Krankenhausfinanzierung | BMG

Dass Privatpatienten mehr kosten hängt aber natürlich daran, dass sie bessere Leistungen bekommen.
Als Kassenpatient kann man das mit einer Zusatzversicherung ausgleichen.

Nein, tut es „natürlich“ nicht. Ein Arzt kann die gleiche Leistung viel teurer abrechnen, weil er die Gebührenordnung überschreiten darf, die für die GKV gilt: Doppelte Vergütung für Privatpatienten - Hans-Böckler-Stiftung

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In dem Link geht es aber nicht um Krankenhäuser?