Stark-Watzinger für mehr Mitsprache des Bundes bei Bildung

Etwas zu spät finde ich, aber ich finde ihre Schlussfolgerungen gut und den Apell ebenfalls.

Die Frage ist jetzt, was daraus folgt. Entweder die Länder und der Bund arbeiten wirklich konstruktiv zusammen oder das sind einfach wieder nur Worte und das ganze zerbricht am Föderalismus.

Wie seht ihr das?

Erstmal bin ich überrascht, ich dachte wir hätte gar keine Bildungsministerin mehr und Lindner hätte an dieser Stelle gespart…Spaß beiseite. Prinzipiell sicher richtig, denn die Länder können mit Ihrer Macht in diesem Bereich scheinbar nicht gut umgehen. Passieren wird aber nichts. Die FDP ist doch eine Lame Duck und Stark-Watzinger doch besonders. Hinzu kommt, dass die Union nicht kompromiss- oder diskussionsfähig ist. Es wird jetzt vermutlich populistisches Bierzeltplöken aus Bayern geben und noch einige Auslassungen der Bundes-Union. Die SPD-Länder werden sich höchstens formal gesprächsbereit zeigen, aber nur unter zig Zusatzbedingungen.

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Ich weiß nicht, ob deine pessimistische Prognose angesichts der Umstände so zutrifft. Ich kann dich total verstehen und wahrscheinlich liegt das auch an mir, aber ich bin halt Optimist und will nicht glauben, dass die Länder sich so destruktiv verhalten, wo doch jeder weiß, dass die sich damit nur selbst schaden. Gute Bildungspolitik aus egoistischen Motiven zu verhindern, ist doch nur ein Schuss in das eigene Knie. Und mittlerweile sollte wirklich bei jedem verantwortlichen Politiker angekommen sein, dass wir uns das nicht mehr erlauben können, weil Wissen doch unsere wertvollste Ressource ist.

Ich finde den Vorstoß in dieser Form ehrlich gesagt unnötig und inkonsequent. Das große Problem im Bildungsföderalismus ist doch nicht, ob ein Bundesland seinen Schulen einen schnellen Internetzugang verschafft. Dafür sind ohnehin die Schulträger zuständig und das sind die Gemeinden oder Landkreise, nicht die Länder. Wenn der Bund hier das Gefühl hat, dass es Nachholbedarf gibt, dann könnte Herr Lindner dafür einfach ein „Schulinfrastruktur-Sondervermögen“ aufmachen, aus dem sich die Kommunen unbürokratisch bedienen können. Dagegen würde sich vermutlich absolut niemand wehren. Da muss der Bund auch nicht „mitreden“ wie Stark-Watzinger das fordert. Soll da jemand aus dem Bildungsministerium wöchentlich die Internetgeschwindigkeit messen oder was?

Wo ich mir tatsächlich eine „Einmischung“ vom Bund wünschen würde, wären einheitliche und hohe Mindeststandards bei der personellen Ausstattung (Betreuungsschlüssel) für das pädagogische Personal und dessen Qualität vorzugeben. Dafür sind tatsächlich die Länder zuständig und dieser Pflicht kommen sie bisher weitgehend nicht nach. Da würden die Länder dann sicherlich die Hand aufhalten, was ich auch OK fände.

Ich kann das sehr gut glauben, ich frage mich schon länger ob die Länder eigentlich auch irgendetwas positives an den Tisch bringen.
Die Bildungspolitik ist eine andauernde Katastrophe, oder besser gesagt, sechzehn andauernde Katastrophen.
Während Corona, als es wirklich mal nötig war sich zusammenzureißen, haben diverse Landesfürsten die Gelegenheit genutzt sich zu profilieren, statt nach den Empfehlungen der Wissenschaft zu agieren.
In der Lage wird immer wieder thematisiert, wie der Bundesrat die gewählte Regierung blockiert, nicht aus Sachgründen sondern einfach weil die Opposition es kann.
Notwendige Transformationen werden für billigen lokalen Populismus blockiert (Bayern und der Strom seit gefühlt ewig, geplanter Rückbau von Radwegen in Berlin, NRW und die Kohle).
Durch konfuse Systeme wie dass die Länder für Steuerfahnder bezahlen, deren aufgetriebenes Geld der Bund bekommt, liegen die Länder im Wettbewerb wer am meisten Steuerhinterziehung ermöglicht, mit Blüten wie in Bayern oder gar Hessen.
Die Länder jammern nach Geld vom Bund, bluten aber ihre eigenen Kommunen aus (siehe Folgen zur Infrastruktur).

Kurzum, das einzige Argument, das mir einfällt, warum wir immer noch Föderalismus haben und uns nicht auf Bund und Kommunen beschränken, ist „Steht so im Grundgesetz“, und das ist, polemisch ausgedrückt, das Niveau von „Cannabis ist illegal weil es verboten ist“.

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Das es im Grundgesetz steht hat ja durchaus handfeste historische Gründe: eine politische Gleichschaltung des Landes durch eine nationale Regierung soll wenn nicht unmöglich, dann doch mindestens extrem schwierig sein.

Deiner Analyse, dass die Länder die Politik der Bundesregierung teils „aus Prinzip“ und nicht aus Sachgründen blockieren stimme ich zwar zu, dass sie dazu die Fähigkeit haben ist aber explizit ein Feature unseres Systems, kein Bug. Was es nicht unbedingt besser macht, denn mit Macht sollte eigentlich auch Verantwortung einhergehen.

Vielleicht ist es aber tatsächlich Zeit für eine größere Reform des Föderalismus, nicht zuletzt um die Frage der Finanzordnung, die ja in der LdN auch schon thematisiert wurde, zu klären.

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So ist es. Man neigt schnell dazu, Gründe der unmittelbare und rein momentanen Zweckmäßigkeit isoliert zu betrachten und zu vergessen, was hinter den Grundentscheidungen unseres Grundgesetzes steht.

Natürlich weist der Föderalismus verschiedene Probleme auf, und die Bildung ist nur ein Beispiel – Nachbesserungsbedarf gibt es zweifellos. Aber wie @ped es andeutet: Der Föderalismus ist eine unmittelbare Lehre aus der NS-Zeit, in der demokratiekonstituierende Bereiche zentral geregelt und kontrolliert wurden – mit der Folge, dass die Nazis, um etwa den Rundfunk (Propaganda) oder Bildung (Volkserziehung) zu ihren Zwecken zu missbrauchen, nur an einer Stelle ansetzen mussten, sprich: nicht an der innerstaatlichen Opposition der Landesregierungen vorbeimussten.

Die Lehre für die Mütter und Väter des Grundgesetzes hieraus war, im Grundgesetz die Gewaltenteilung nicht nur horizontal (zwischen Exekutive, Legislative und Judikative), sondern auch vertikal (zwischen dem Bund und den Ländern) zu konstituieren.

Ich verstehe es ja sehr gut, mit den Augen zu rollen, wenn es wieder der Föderalismus ist, der eigentlich sinnvollen Maßnahmen im Weg steht. Aber Schutzmaßnahmen haben es nun einmal an sich, zu der kognitiven Verzerrung zu führen, sie würden nicht gebraucht werden, solange keine Krisensituation vorliegt (die Pandemie hat dies übrigens ständig verdeutlicht).

Wir können also sinnvoll auf jeden Fall darüber diskutieren, wie der Föderalismus ausgestaltet werden soll, damit er Reformen nicht im Weg steht – aber als verfassungsimmanentes Schutzprinzip vor einem zentral gelenkten Machtmissbrauch ist er m.E. unbedingt erforderlich.

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[quote=„emil.brandenburg, post:7, topic:23039, full:true“]

Ich möchte an dieser Stelle aber auch darauf hinweisen, dass die ursprünglich als Schutzmechanismus gedachte Länderzuständigkeit für Teilbereiche des öffentlichen Lebens durchaus auch inhärente Gefahren birgt - man stelle sich vor, was eine durch Herrn Höcke geführte Landesregierung im Bildungsbereich des Bundeslandes Thüringen anrichten könnte.
Da könnte ich mir durchaus vorstellen, dass eine gewisse Durchgriffsfähigkeit des Bundes gegenüber den Ländern eine gewisse Schutzfunktion gegen das Abdriften einzelner Regionen darstellen könnte.

So hat eben jedes Ding seine zwei Seiten.

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Das ist natürlich richtig. Dafür haben wir aber wiederum ebenfalls Mechanismen: (1) Art 28 Abs. 1 Satz 1 GG sowie (2) die abstrakte Normenkontrolle nach Art. 93 I Nr. 2 GG iVm. §§ 76 ff. BVerfGG, die als Gegenstand auf die Überprüfung hinsichtlich ihrer Verfassungsmäßigkeit auch landesrechtliche Normen haben kann.

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Ich würde noch ergänzen, dass auch die Bundesgerichtsbarkeit der Kontrolle der Landesregierungen entzogen ist und damit auch für „Otto-Normalbürger“ eines möglicherweise AfD-regierten Bundeslandes (schauder) die Möglichkeit besteht, gegen rechtswidrige Akte einer extremistischen Landesregierung vorzugehen.

Ich sehe hier offen gestanden die Gefahr eher in den gerade so nicht rechtswidrigen Akten einer potentiellen AfD-Landesregierung.
Steter Tropfen höhlt bekanntlich den Stein. Wirklich dramatisch würde sicherlich dann eine zweite Legislatur sein, wenn die Institutionen nachhaltig durchsetzt werden.
Will man sich gar nicht vorstellen, aber ein Blick nach Polen zeigt ganz gut, mit welchen Schwierigkeiten es verbunden sein kann, in so einem Fall das Rad wieder zurück zu drehen.

Gut, aber so richtig das auch ist, ist „steter Tropfen höhlt den Stein“ ein Problem, das sich 1:1 auch auf Bundesebene zeigen kann – er ist also für sich genommen kein Argument gegen den Föderalismus. Gerade in Polen sind, wo Sie es ansprechen, die den Rechtsstaat aushöhlenden Justizreformen ja von zentralstaatlicher Stelle ausgegangen. Wir bewegen uns mit dieser Frage aber etwas zu weit vom Thread-Thema weg; der Ausgangspunkt dieser Subdiskussion war ja die Frage nach der Berechtigung eines föderalistischen Systems. Was ich oben versucht habe darzustellen, ist, dass diese Berechtigung auf jeden Fall besteht und sich nicht auf dem

bewegt. Aber das Prinzip der vertikalen Gewaltenteilung muss natürlich im Doppelklang zur Kontrolle der Länder durch Bundesinstitutionen stehen – und das tun sie ja.

Woher kommt eigentlich die Annahme, dass ausgerechnet der Föderalismus das Problem unseres Bildungssystems ist?

Wenn ich es richtig im Blick habe fehlt es an den Schulen an Geld, Personal und moderner Infrastruktur, die Verantwortung haben dafür momentan die Länder. Dementsprechend unterscheiden sich die Probleme auch zwischen den Ländern, wenn auch nicht fundamental.

Personal und Infrastruktur lassen sich auch auf Geld zurückführen, daher ist das der springende Punkt: Wenn momentan die Länder aus Geldgründen bei der Bildung sparen, wieso soll dann der Bund es besser machen? Ich sehe da keinen Automatismus. Wäre es nicht umgekehrt sinnvoller, sich erst konkrete Maßnahmen zu überlegen und dann wie man diese in einem föderalen oder potentiell reformierten System umsetzen kann?