Staatstrojaner für alle Geheimdienstbehörden

Na klar, wie immer wenn es um sowas geht, die SPD steht Gewehr bei Fuss. Und wieder muss man hoffen dass der BGH das kippt (natürlich nachdem es etabliert und gelebte Praxis ist).

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https://www.ccc.de/de/updates/2021/offener-brief-alle-gegen-noch-mehr-staatstrojaner

@vieuxrenard GFF?

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Wie gut dass das Internet nichts vergisst, wie z.B. diesen Tweet von Frau Esken vom 31.05.2019:

Diese neuen Befugnisse für die Bundespolizei und allen Nachrichtendienste ist zurecht hoch umstritten. Bevor überhaupt eine Konsequenz und Bewertung getroffen werden kann, muss geklärt werden, was die Quellen-TKÜ (um die es vorliegend geht) überhaupt ist und wie der (verfassungs-)rechtliche Rahmen hierzu ist.

Immer mehr Smartphone-Messenger verschlüsseln die Kommunikationsinhalte ihrer Dienste auf dem Übertragungsweg standardmäßig; die sog. Ende-zu-Ende-Verschlüsselung. Was die Nutzer zurecht freut, stellt die Ermittlungsbehörden vor enorme Herausforderungen. Klassische Methoden der „normalen“ Telekommunikationsüberwachung greifen bei verschlüsselten Nachrichten ins Leere. Seinen „Durst“ nach dem notwendigen Kommunikationsinhalt bei Beschuldigten, Störer oder „Verfassungsgefährder“ und den dahinter liegenden Daten kann der Staat dann technisch grds. nur noch unmittelbar an der „Quelle“, d.h. am Endgerät direkt, stillen. Genau dieser Logik folgt die sog. Quellen-TKÜ: Sie greift auf das Smartphone, den Laptop etc. einer Person zu, um dort bspw. einen Chat-Verlauf oder ein Videotelefonat unverschlüsselt abzuschöpfen. Die Quellen-TKÜ (als Eingriff in das Fernmeldegeheimnis aus Art. 10 I GG) dient hier nicht dazu, das informationstechnische System (Smartphone/Laptop) auszuspähen, sondern „lediglich“ die Daten abzufangen.

Nach dem BVerfG ist die heimliche Infiltration eines informationstechnischen Systems, um dessen Nutzung zu überwachen und dessen Daten abzufangen, verfassungsrechtlich nur zulässig, wenn

  • tatsächliche Anhaltspunkte einer konkreten Gefahr für ein überragend wichtiges Rechtsgut bestehen. Überragend wichtig sind Leib, Leben und Freiheit der Person sowie solche Güter der Allgemeinheit, deren Bedrohung die Grundlagen oder den Bestand des Staates oder die Grundlagen der Existenz der Menschen berührt. Die Maßnahme kann schon dann gerechtfertigt sein, wenn sich mit noch nicht hinreichender Wahrscheinlichkeit feststellen lässt, dass die Gefahr in näherer Zukunft eintritt, sofern bestimmte Tatsachen auf eine im Einzelfall durch bestimmte Personen drohende Gefahr für das überragend wichtige Rechtsgut hinweisen,
  • der Eingriff unter den Vorbehalt richterlicher oder richterähnlicher Anordnung gestellt ist und
  • das Gesetz Vorkehrungen zum Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung enthält.

Als wesentlicher Grund für die Änderung wird die effektivere und frühzeitige Erforschungsmöglichkeit der Nachrichtendienste von zum Teil auch lebensgefährlichen Gefahren des Extremismus und Terrorismus angeführt. Die Anschläge von Halle, Hanau und jüngst auch in Wien würden zeigen, dass auch Einzeltäter eine erhebliche Gefahr für die Allgemeinheit darstellen können, gerade auch, weil die sozialen Netzwerke eine breite, für jedermann erreichbare und effektive Möglichkeit bestehe, extremistische Inhalte zu verbreiten.

Dem lässt sich allerdings entgegenhalten, dass die Täter häufig nicht gerade durch eine Überwachung der Telekommunikation hätten früher erkannt werden können. Im Gegenteil: Mit Blick auf den Ausbau von (nachrichtendienstlichen) Überwachungsmaßnahmen in der Vergangenheit wird recht schnell deutlich, dass ein „Mehr“ an Befugnissen nicht zwangsläufig auch ein „Mehr“ an Sicherheit zur Folge hat - bestes Beispiel ist der NSU-Terror.

Überdies besteht bei der Überwachungsmethode der Quellen-TKÜ das Problem, dass diese von der Online-Durchsuchung rechtlich und technisch nicht immer klar abgrenzbar ist. Selbst wenn das Recht vorgibt, dass eine Quellen-TKÜ sonstige Daten auf dem Endgerät nicht erheben darf, lässt sich die Gefahr, dass der Staat mehr als nur die laufenden Kommunikationsvorgänge wahrnimmt, technisch nicht sicher bannen. Denn eine Überwachungssoftware muss notwendigerweise mit maximalen Administrationsrechten ausgestattet sein, um sich unentdeckt in einem System einnisten zu können. Jede technische Einschränkung der zulässigen Auswertungstiefe bürgt daher allein noch nicht für die erwünschte Ergebnissicherheit. Erforderlich sind konkrete rechtliche Vorgaben, die sicherstellen, dass sich der ermittlungsbehördliche Zugriff stets auf den laufenden Kommunikationsvorgang beschränkt. Mit Blick auf den Wesentlichkeitsvorbehalt und das Gebot der Normenklarheit muss der Gesetzgeber zumindest die normstrukturellen Rahmenbedingungen für die Vollzugspraxis in einer Weise vorzeichnen, die den Zugriff auf sonstige Daten hinreichend sicher versperrt.

Der Gesetzgeber muss das Restrisiko, dass eine Behörde im Rahmen einer Quellen-TKÜ auch vergangene Kommunikation oder private Bilder auf dem Speichermedium abschöpft, in verfassungsrechtliche Bahnen lenken, indem er rechtlich eingrenzt, wie die Software technisch gestaltet und konfiguriert ist. Bereits die gesetzliche Ermächtigungsnorm selbst muss präzisieren, wie eine Quellen-TKÜ technisch umzusetzen ist. Hinzutreten sollten weitreichende verfahrensrechtliche Sicherungsmechanismen, die nachprüfbar garantieren, dass die Softwarefunktionen den rechtlichen Vorgaben auch realistischer folgen. Da die Überwachungsbehörden die Software fallspezifisch konfigurieren und sie durch Software-Updates verändern können, müssen zudem Mechanismen wie bspw. eine Funktionstrennung zwischen konfigurierender und ausführender Stelle sicherstellen, dass die Maßnahme nur laufende Kommunikation abfängt. Hierzu muss es eine Protokollpflicht verankert werden.

Sicherheit soll der Staat gewährleisten, Aggresivitäten, Begehrlichkeiten und Rachsucht der Menschen in Schranken halten und dafür zu sorgen, dass das Zusammenleben sich nicht zu einem „Krieg aller gegen alle“ (Hobbes) entwickelt. Doch Sicherheit, Ruhe und Ordnung sind kein Selbstzweck: in der demokratischen rechtsstaatlichen Republik wollen die BürgerInnen vielmehr ihre Freiheit unter und durch selbstbestimmte Regierungen genießen. Freiheit und Sicherheit zu gewährleisten, sind so spätestens seit Locke (Rechtsstaat) und Hobbes (alleiniges und starkes Gewaltmonopol des Staates) zentrale Aufgaben des Staates; sie beinhalten ganz maßgeblich seine Existenzberechtigung.

Auch wenn „Sicherheit“ selbstverständlich eine der Voraussetzungen für „Freiheit“ ist, stehen sie in einem auszutarierenden Spannungsverhältnis: Denn Freiheit meint eben auch die Freiheit von staatlichen Sicherheitsansprüchen. Zu den wesentlichen Verfassungsprinzipien zählt die Bindung der Vollzugsorgane an Recht und Gesetz, der Rechtsweg gegen alle sicherheitspolitischen Maßnahmen steht offen und die BürgerInnen können schließlich Verfassungs- und Menschenrechtsbeschwerden einlegen. Dennoch: Die Terroranschläge des 09/11 markieren auch hierzulande einen Einschnitt im allgemeinen öffentlichen wie im Bewusstsein aller für die öffentliche Sicherheit verantwortlichen PolitikerInnen und BeamtInnen. Im Rahmen einer „neuen Sicherheitsarchitektur“ wurde die staatliche Befugniserweiterung v.a. im Bereich der Prävention erheblich ausgebaut.

Grds. darf keine Wahrheitsfindung um jeden Preis erfolgen. So müssen den gerade lediglich im Gefahrenvorfeld tätigen Überwachungsbehörden deutliche Grenzen bei Eingriffen in die Privat- und Intimsphäre gesetzt werden, um einem übermäßigen und immer stärker werdenden Überwachungsdruck entgegenzutreten. Die Schaffung eines solchen angemessen Ausgleichs zwischen der informationellen Freiheit der BürgerInnen und dem Sicherheitsinteresse des Staates ist dabei die oberste Aufgabe des Staates in der „neuen Sicherheitsarchitektur“ - diese Aufgabe erfüllt der Staat, getrieben von einem Sicherheitswahn der Union nicht!!

Sicherheitsbehörden müssen allerdings ebenso auf die neuen Gegebenheiten reagieren können. Während in den letzten Jahrzehnten (domestic) Terroristen und verfassungsfeindliche Gruppierungen ihre Kommunikation noch physisch (mündlich oder schriftlich) ausübten, werden Anschläge oder andere Aktivitäten weitestgehend im digitalen Raum geplant. Auch findet eine Radikalisierung neutraler Personen zunehmend im Internet statt. Unsere veraltete Sicherheitsarchitektur geht dabei aber noch bei der Kommunikationsüberwachung mit dem sog. Lauschangriff vor und hat keine Befugnisse, die Kommunikation auch virtuell zu überwachen. Dementsprechend könnte eine rechtsstaatlich ausgeformte Quellen-TKÜ die Sicherheitsbehörden auf Augenhöhe mit den Störern bringen.

Sie muss dabei aber sehr streng normiert und restriktiv eingesetzt werden. Die geplante Erteilung einer Genehmigung zum Einsatz des sog. kleinen Staatstrojaners durch die vier Mitglieder der G10-Kommission als „richterliche Anordnung“ geht dabei den falschen Weg. Eine Quellen-TKÜ ist dabei zu eingriffsintensiv, um sie von vier Mitgliedern erteilen zu lassen. Dabei setzt eine eingriffsintensive Überwachungsmaßnahme eine ordentliche Prüfung eines Richters voraus. Neben einer gerichtlichen Vor- und effektiven parlamentarischen - ggf. auch gerichtlichen - Nachkontrolle muss die Eingriffsberechtigung auch restriktiv anhand der Vorgaben des BVerfG normiert werden.

Durch das Trennungsgebot sollten Polizeibehörden die Quellen-TKÜ im präventiven Sicherheitsbereich grds nicht nutzen dürfen. Dies ergibt auch im Hinblick auf die präventiven Aufgaben von Polizeiaufgaben keinen Sinn. Auch darf sie nur bei drohenden Gefahren gegen den Bestand des Bundes oder eines Landes eingesetzt sowie zeitlich befristet werden.

Fehlen all diese oben stehenden Voraussetzungen ist der Einsatz der Quellen-TKÜ strikt abzulehnen, da sonst der übermäßige und immer stärker Überwachungsdruck und das Sicherheitsverständnis Hobbes‘ Überhand gewinnt und von der informationellen, individuellen Freiheit wenig bis nichts übrig bleibt. Zudem stellt der rechtsstaatliche Einsatz der Quellen-TKÜ die sicherheitspolitische rote Grenze dar, die nicht mehr überschritten werden darf, ohne die Grundrechte komplett auf ein Minimum zu beschränken. Weitergehende digitale Befugnisse wie die Online-Durchsuchung sind daher folgerichtig abzulehnen.

Ist das dieselbe Saskia Esken, die auch mal was gegen die GroKo und gegen Scholz als SPD-Kanzlerkandidat hatte^^
Wobei ich vermute, dass die Grünen die SPD in den nächsten Jahren in puncto „was interessieren mich meine Wahlversprechen von gestern“ noch bei Weitem übertreffen werden… Das zeigt jedenfalls der Blick auf die bisherigen Koalitionen in Hessen und BaWü.

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Diese gesamte Going-Dark Debatte ist für mich nichts anderes als eine Nebelkerze. Wenn man mal mit offenen Augen im Netz unterwegs ist, begegnet einem an jeder Ecke Hass und Hetze, bei Facebook, Twitter, öffentliche Telegramkanäle - überall. Meist unter Klarnamen.

So lange dagegen nichts unternommen wird zeigt sich eigentlich nur, dass die Ermittlungsbehörden mit den Mengen an Daten, die heute schon anfallen, entweder überfordert sind, oder kein Interesse an Dingen wie Volksverhetzung etc haben.

In dem Bereich, den Sie beschrieben haben, ist es durchaus eine Nebelkerze. Sie haben den Bereich der sog. repressiven Tätigkeit der Polizei- bzw. Sicherheitsbehörden beschrieben. Dort ist bereits eine Straftat geschehen oder es besteht der Anfangsverdacht gegen eine Person.

Allerdings ist gerade im präventiven Bereich, v.a. der Gefahrenerforschung, eine genaue Gefahrenprognose nicht ermittelbar. Gerade bei den Anschlägen von Halle, Hanau oder Wien haben sich die Täter im Internet sozialisiert sowie über ihre internetgestützte Kommunikation Anregungen gefunden. Da eben diese Art der Kommunikation von den Sicherheitsbehörden nicht mehr mit ihren herkömmlichen Methoden einsehbar sind und so eine Gefahrenprognose erstellen und im Rahmen eines „Frühmeldesystem“ die Sicherheitsbehörden nicht mehr warnen können, ist die Idee der Quellen-TKÜ sinnvoll. Aus diesem Grund ist die „Going Dark“-Debatte keine Nebelkerze.

Des Weiteren ist es auch nicht die Aufgabe der Nachrichtendienste, schon geschehene Straftaten zu verfolgen. Die Nachrichtendienste sind in erster Linie Behörden zur Informationsbeschaffung und „Frühwarnsysteme“ für die anderen Sicherheitsbehörden. Diese sind in ihrer Funktion strikt zu den Ermittlungsbehörden zu trennen, diese ist die Staatsanwaltschaft. Die Polizei nur ihr „Erfüllungsgehilfe“ und Aufklärungsorgan.

Inwiefern konnten das die Geheimdienste denn früher, als verschlüsselte Kommunikation weniger verbreitet war?
Ich frage, weil ich den Eindruck habe, dass von interessierten Kreisen gerne eine Ausweitung der Befugnisse von Geheimdiensten und/oder Polizeien gefordert wird, aber ich wenig von Erfolgen höre, die auf die Verwendung solcher Befugnisse (in früheren Zeiten oder in Staaten, wo es sie schon gibt) zurückgehen.
Ich sehe also die theoretische Möglichkeit, dass die „Going Dark“-Debatte keine Nebelkerze ist, aber ist das auch praxisrelevant? Zur Sicherheit: Das ist eine ernstgemeinte Frage, keine rhetorische.

Telekommunikationsüberwachung bezeichnet allgemein die Informationserhebung von über eine gewisse räumliche Distanz ausgetauschten Informationen. Erfasste Übertragungsmittel dieser Kommunikation sind bspw. Briefe, Telefongespräche, SMS, Fax, E-Mail oder der Internetverkehr allgemein. Diese Kommunikation wird erhoben auf dem Postweg, an Fernmeldekabeln oder bei der Funkübertragung.

Im Grunde werden und wurden im unverschlüsselten Bereich entweder die Daten aus den Fernmeldekabeln oder der Funkübertragung herausgefiltert. Da dies technisch und rechtlich problematisch ist (Gefahr einer Herausfilterung falscher Kommunikation) werden dabei nur die Verkehrsdaten beim Telekommunikationsdienstleister abgeschöpft. Da die Kommunikation aber nun verschlüsselt sind, ist dies auch nicht mehr möglich, da der Anbieter die Daten auch nur verschlüsselt empfängt und weiterleitet.

Dies ist auch schwierig, da die Öffentlichkeit wenig über gescheiterte Anschläge oder anderen Erfolgen unterrichtet wird. Soweit ich weiß, sind viele polizeiliche Erfolge gegen die sog. Reichsbürger-Szene aufgrund einer Telekommunikationsüberwachung zurückzuführen. Ansonsten waren andere Erfolge nicht breitgetreten. Grds. ist die Anwendungsbreite der Quellen-TKÜ generell schon eher gering. Auch schon deshalb ist es für mich ein Grund, warum Polizeibehörden die Quellen-TKÜ als Befugnis nicht bekommen sollten (neben weiteren Gründen).

In den USA werden Quellen-TKÜ etc sehr viel extensiver eingesetzt als bei uns und da scheint es doch mehrere Erfolge vonseiten des FBI, Homeland etc. zu geben, so viel ich mitbekomme. Von anderen europäischen Ländern weiß ich nicht, ob diese auch eine Quellen-TKÜ erlauben.