ich gehe öfters in Stuttgart für die Ukraine auf Demos, um mehr Unterstützung für die ukrainische Selbstverteidigung zu fordern (Demo Veranstalter: Ukraine Demo Stuttgart) und habe dort schon ein paar unangenehme Situationen erlebt: zum Beispiel wurde ich zwei Mal von außenstehenden Personen (die keine Demonstranten waren) als „Kriegstreiberin“ beschimpft. Am 07.08. hat eine junge Frau bei einer öffentlichen Diskussionsrunde die Veranstaltung mit einem „Free Palestine“ Ruf aktiv gestört und am 19.04. sind an unserer Demogruppe selbst ernannte Friedensdemonstranten vorbeigelaufen, von denen uns einer den Stinkefinger gezeigt hat. Vielleicht haben andere Lagehörer*innen, die sich öffentlich für die Ukraine einsetzen, ähnliche Erfahrungen gemacht?
Ich fände es spannend und wichtig, wenn ihr in einer Folge mal das Spannungsfeld aufgreifen könntet, das sich zwischen Ukraine-Solidarität, Friedensbewegung, Palästina-Aktivismus und linker Identitätspolitik aufspannt. Ich habe das Gefühl, dass es in Deutschland einen Riss in der Gesellschaft gibt, der wenig thematisiert wird.
Ist die Spannung zwischen Befürwortern einer auch militärischen Unterstützung auf der einen und “Pazifisten”*) auf der anderen Seite nicht ein ganz normales Abbild unserer Gesellschaft?
Das gleiche gilt für Spannungen, die dadurch entstehen, dass sich sehr viel mehr Deutsche für eine Unterstützung der Ukraine einsetzen als für eine Unterstützung der Gaza-Bewohner.
“Stinkefinger”, blöde Kommentare oder gerufene Parolen sind doch nicht wirklich ein Problem, oder? Oder habe ich das was falsch verstanden?
*) bewusst in Anführungsstrichen, weil die Befürworter ja keine Bellizisten sind.
Tja, dass sind halt die Auswirkungen der Meinungsfreiheit - das muss man aushalten können.
Aber ja, es gibt immer Menschen, die Spass haben andere Leute zu stören und Chaos zu verbreiten.
Natürlich gehört es zur Demokratie, andere Meinungen auszuhalten, aber darum geht es beim Themenvorschlag doch gar nicht.
Ich finde die Frage spannend, warum in Deutschland so viele Menschen eine stark pazifistische Grundhaltung vertreten, obwohl mit Russland ein klarer Aggressor existiert, der auch für uns gefährlich ist. Es geht ja zum Beispiel sogar so weit, dass Teile der SPD es für nötig erachten, ein ,Friedensmanifest" aufzusetzen. Ich finde es wichtig, diese Gegenhaltung nochmal genauer zu beleuchten.
Das zentrale Problem ist, dass die Gefahr für die Menschen so weit weg erscheint.
In Finnland oder dem Baltikum (oder natürlich der Ukraine) schütteln die Menschen über diese „Pazifisten“ nur den Kopf, weil für diese Länder die Bedrohung viel, viel „fassbarer“ ist. Wir sind im Prinzip weit genug von Russland weg, um - wenn wir völlig isolationistisch agieren - nicht direkt bedroht zu sein, zumindest nicht die nächsten 10+ Jahre. Schließlich müsste Russland erstmal das Baltikum und Polen erobern, und das würde selbst wenn die EU diese Länder im Stich lässt viele Jahre dauern. Deshalb ist es für Pazifisten in Deutschland leicht, zu fordern, nicht in Verteidigung zu investieren und keine Waffen an die betroffenen Länder zu liefern. Diese scheinbare Sicherheit, diese scheinbar sichere Entfernung zum Aggressor Russland, ermöglicht vielen Menschen, die tatsächliche Gefahr auszublenden.
Man kann Angriffskriege eben so schön ignorieren, so lange man nicht selbst der Angegriffene ist und so lange es noch mehrere andere Opfer gibt, die vor einem selbst an der Reihe sind, wenn der Aggressor weiter expandieren will…