Sondervermögen Infrastruktur

Beim „Sondervermögen Bundeswehr“ hat man es offenbar hinbekommen, durch einen verfassungskonformen Bypass zur Schuldenbremse zusätzliche Finanzierungsbedarfe sicherzustellen. In der Wikipedia heißt es dazu:

Auf die Kreditermächtigung [des Sondervermögens Bundeswehr] sind Art. 109 Abs. 3 und Art. 115 Abs. 2 GG nicht anwendbar, d. h. die Kreditermächtigung ist von den Kreditobergrenzen der sog. Schuldenbremse ausgenommen.

Offenbar lässt sich so die Schuldenbremse umgehen.

Nicht erst die Fußball-EM hat gezeigt, dass die verkehrliche Infrastruktur hierzulande in einem beklagenswerten Zustand ist.

Die Bedarfe an Erhalts-, Nachhol- und Modernisierungsinvestitionen sind immens:

Es könnte sogar noch deutlich mehr erforderlich sein, denn die Kosten für die Digitalisierung der Bahn liegen mit geschätzten 69 Milliarden € wohl mehr als doppelt so hoch wie bisher taxiert:

Auch die Mobilitätswende wird man sich komplett abschminken können, wenn es bei der bisherigen Unterfinanzierung bleibt.

Es wäre daher meines Erachtens zweierlei zu diskutieren:

  1. Wäre ein Sondervermögen Infrastruktur voraussichtlich verfassungskonform?
  2. Kann verhindert werden, dass nachfolgende (z. B. schwarz-gelb-dominierte) Regierungen, Mittelzuweisungen innerhalb des Sondervermögens umschichten?

Die letztgenannte Frage stellt sich vor dem Hintergrund der unrühmlichen Rolle der CSU- und FDP-Verkehrsminister in Vergangenheit und Gegenwart.

Wenn das Sondervermögen wie im Falle der Bundeswehr als Verfassungsänderung beschlossen würde, wäre es nur unter der Annahme „verfassungswidrigen Verfassungsrechts“ nicht verfassungskonform. Die Grenzen dazu sind sehr hoch, es müsste quasi gegen den unveränderlichen Kern des Grundgesetzes verstoßen, was schwer vorstellbar ist.

Das macht letztlich ja auch logisch Sinn - schließlich könnte die Politik jederzeit mit Zwei-Drittel-Mehrheit die Schuldenbremse wieder aus dem Grundgesetz streichen, daher würde es wenig Sinn machen, bei einer mit verfassungsändernder Mehrheit beschlossenen Ausnahme von der Schuldenbremse härtere Kriterien anzulegen als bei der Schuldenbremse selbst.

Das ist schwierig. Die Frage ist, wie genau man so etwas in die Verfassung schreiben will. Macht man es wie beim „Sondervermögen Bundeswehr“, also sehr knapp mit „Alles weitere regelt ein Bundesgesetz“ hat die jeweilige Regierung natürlich immer die Möglichkeit, mit einfacher Mehrheit das betreffende Bundesgesetz zu ändern und zumindest die Mittelzuweisung in Details zu ändern. Wir reden hier aber eher über Grauzonen alá „Darf das Sondervermögen Bundeswehr für Soldaten-Pensionen ausgegeben werden“ oder vielleicht sowas wie „Dürfen vom Sondervermögen Bundeswehr die zuführenden Straßen zu einer Kaserne saniert werden?“ und nicht über eine völlige, offenkundige Zweckentfremdung. Die dürfte nur schwer möglich sein.

Ich befürchte aber wie gesagt, dass die Union niemals einem Sondervermögen Infrastruktur in dieser Legislaturperiode zustimmen wird, ebenso, wie sie niemals der Abschaffung der Schuldenbremse zustimmen wird.

Ein weiteres Problem ist, dass Geld die Probleme der Infrastruktur nicht auf die Schnelle lösen kann. Dazu hatte ich zuletzt einen interessanten Podcast gehört (irgendwas öffentlich-rechtliches, ich weiß leider nicht mehr genau, welcher es war…), in dem es darum ging, dass Geld nur in Grenzen hilft, ein Sondervermögen Infrastruktur daher auch über einen langen Zeitraum gestreckt werden müsste - zu viel Geld auf Einmal führt im schlimmsten Fall zu Ressourcenknappheit (sowohl an Arbeitskraft als auch an Material) sodass alles schlicht viel teurer wird und die staatlichen Investitionen in einen Bieterwettstreit mit ebenso relevanten wirtschaftlichen Investitionen geraten, wir also weniger „Bang for the Buck“ bekommen, wenn wir zu viel Geld auf Einmal zur Verfügung stellen.

Etwaige 400 Milliarden müssten daher über einen Zeitraum von mindestens 10 oder gar 20 Jahren gestreckt werden, damit die Kostensteigerungen durch die gewachsene Nachfrage nicht einen guten Teil der Investitionen auffrisst. Und das bedeutet, dass es eine sehr langfristige Sache ist, von der Politiker und Parteien kurzfristig kaum profitieren können (und man gar Gefahr läuft, dass die Erfolge der Nachfolgeregierung in den Schoß fallen). Das ist leider unbestreitbar eine der Schwächen der Demokratie.

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Meine Überlegung war, dass ein Sondervermögen Infrastruktur vielleicht eine Möglichkeit sein könnte, Länderfürsten mit C-Parteibuch zu gewinnen, die dann Druck auf Merz & Co. ausüben könnten. So ließe sich eine Art Workaround finden, ohne den Schuldenbremsendogmatismus zu verletzen.

Verlässlich 40 Milliarden € pro Jahr wären ja schon mal etwas. Im Haushalt 2024 wurden für Verkehrsinfrastruktur (außer Wasserstraßen) - trotz absoluten Rekordinvestitionen - ca. 25 Milliarden € locker gemacht. Das wäre dann noch mal eine 60-prozentige Steigerung.

Und vielleicht könnte man auch dealen, da das Sondervermögen Bundeswehr ja absehbar nicht ausreichen wird. Da wären dann CDU/CSU auch auf das Wohlwollen der Ampel-Parteien angewiesen, um weiter aufzustocken.