Sollte die sog. IHRA-Arbeitsdefinition von Antisemitismus wirklich verbindlich werden?

Ich wäre euch sehr dankbar, wenn ihr euch der von der Bundesregierung geplanten rechtlichen Implementierung der sog. „IHRA-Arbeitsdefinition Antisemitismus“ annehmen könntet. Die Auswirkungen auf die Meinungsäußerungs- und Informationsfreiheit halte ich für höchst bedenklich.

Selbst einer der maßgeblichen Verfasser dieser Definition, Kenneth Stern, warnt seit der rechtlichen Implementierung in den USA durch Donald Trump eindringlich davor, da der Text ausdrücklich als nicht rechtsverbindliche Definition für das wissenschaftliche Monitoring entwickelt und zu diesem Zweck sehr weit gefasst wurde. Herr Stern, der sich selbst als Zionist bezeichnet, schreibt, dass die IHRA-Arbeitsdefinition von rechtsgerichteten Juden zur Unterdrückung der Meinungsfreiheit missbraucht würde: I drafted the definition of antisemitism. Rightwing Jews are weaponizing it | Kenneth Stern | The Guardian.

Herr Stern hat sich dazu im Zusammenhang mit der in Berlin geplanten Änderung der Antidiskriminierungsklausel bei Fördermitteln auch kürzlich in der Berliner Zeitung geäußert Berliner Antidiskriminierungsklausel – Kenneth Stern: IHRA-Definition in Berlin missbraucht.

Sehr informativ ist die Stellungnahme der Juristinnen und Juristen von Verfassungsblog.de unter Die Implementation der IHRA-Arbeitsdefinition Antisemitismus ins deutsche Recht – eine rechtliche Beurteilung – Verfassungsblog.

In diesem Zusammenhang ist meines Erachtens auch zu bedenken, dass durch diese sehr weite und für die Rechtsanwendung erkennbar ungeeignete Definition in Deutschland erneut Jüdinnen und Juden zur Zielscheibe von Zensur und Strafverfolgung werden. Wie der Autor Tomar Dotan Deyfus auf Instagram (tomerdr) schreibt, ist Deutschland erneut ein gefährlicher Ort für Juden geworden. Er schreibt weiter:

The fight against anti-Semitism is constantly weaponized and instrumentalized in order to push a far-right agenda and policies into the mainstream. Jews make up 1% of the population but 30% of cancellations of events due to „suspected anti-Semitism“ because it’s not about us and protecting us. It’s about protecting a fellow nationalist nation-state.“

Ein Überblick über die in diesem Zusammenhang ausgeübten Zensur findet sich in dem Archive of Silence_Public Cases_Stand 03.02.2024 unter OPEN: Archive of Silence_Public Cases_Stand 03.02.2024 - Google Tabellen.

Aufgrund der massiven Beeinträchtigungen, die insbesondere auch jüdische Kulturschaffende, die sich israel-kritisch oder pro-palästinensisch äußern, in Deutschland erleiden, haben unter dem Begriff „Strike Germany“ hunderte von KünstlerInnen (u.a. Annie Ernaux und Judith Butler) zum Boykott des deutschen Kulturbetriebes aufgerufen. Dazu kursiert der Spruch: „Germany is running out of Jewish intellectuals – again“.

Ich denke nicht, dass wir eine solche Entwicklung in Deutschland (wieder) zulassen sollten.

2 „Gefällt mir“