Solidarität bei Lockerungen für Geimpfte und Genesene

Eine bundesweite Entscheidung macht da m. E. eh nicht viel Sinn, die Infektionslage ist ja in fast jedem Kreis/Stadt anders.
Aber die Erkenntnis, dass Homeschooling kein adäquater Ersatz ist, kommt aus meiner Sicht reichlich spät. Dieses Schuljahr ist so oder so gelaufen - mit fatalen Folgen für viele. Um die Lücken, die damit gerissen wurden, wieder auszugleichen, bräuchte es gute Konzepte, gutes Personal und ausreichende Ressourcen (Geld und Infrastruktur). Leider alles Dinge, die es in diesem Land nicht gibt, geht ja nur um Kinder.
Stattdessen werden wir es spätestens am nächsten Jahr mit massiven Kürzungen zu tun haben, irgendwie müssen ja die Milliardenhilfen wieder „reingeholt“ werden - auch hier droht eine Fortsetzung einer fatalen Politik. Niedersachsen fängt jetzt schon mal an mit den größten Kürzungen an Hochschulen seit fast 20 Jahren… So viel zum Thema „Lehren aus der Pandemie“…

Deine Kritik ist berechtigt.

  1. Wenn keine Gefahr von einer Person ausgeht, dann können, sollen und müssen die Grundrechtseingriffe zurückgenommen werden.

  2. Das von Geimpften keine Gefahr ausgeht, ist die zugrundeliegende Annahme (mindestens bei den neu auftretenden Varianten gibt es noch keine ausreichende wissenschaftliche Erkenntnis, welches diese Annahme untermauern kann)

  3. Folglich ist es eine politische Entscheidung, dass wir das Restrisiko eingehen. Insbesondere weil es keinen sicheren Nachweis gibt, ob jemand geimpft worden ist oder nicht.

  4. Wir verzichten darauf Geimpfte zu testen. So schwer ist der Grundrechtseingriffe nicht, der zurückgenommen wird. Wir verpassen die Möglichkeit die Verbreitung von Varianten zu erkennen.

  5. Es ist nicht nachvollziehbar, warum für Geimpfte die Kontaktbeschränkungen aufgehoben werden, nicht jedoch für Getestete. Hier stellt man die beiden Gruppen, von denen nahezu keine Gefahr ausgehen soll, nicht gleich. Und man sorgt für weitere Anreize einen leicht zu fälschenden Impfnachweis zu verwenden.

Mein Fazit ist: Wenn man Grundrechtseingriffe zurückfährt, dann auch der Basis, dass von einer Person keine Gefahr ausgeht. Persönlich halte ich die Wahrscheinlichkeit für einen falsch negativen Schnelltest für geringer als ein gefälschter Impfausweis.

Die spannende Frage ist eben, was sind diese „Grundrechtseingriffe“? Bestimmt kein Recht auf einen Besuch im Restaurant, Kino, Theater. Denn die könnten ja weiterhin aus pandemischen Gründen weiterhin geschlossen bleiben. Worüber reden wir also, was so viele Menschen auf die Barrikaden bringt?

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Ich bin kein Jurist. Mir stellt sich die Lage wie folgt dar.

Wir reden von:

  1. Keine Testpflichten (körperliche Unversehrtheit)
  2. Keine Kontaktbeschränkungen
  3. Keine Quarantäne, wenn man aus den Urlaub zurückkehrt
  4. Keine Ausgangssperren

Mehr können Sie hier erfahren:

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Den Frust verstehe ich ja, aber fühlt man sich besser, wenn deine 80–jährige Oma, die sich auch seit einem Jahr in ihrer Wohnung verbunkert hat und unter sehr realistischen Ängsten höchster Bedrohung ihres Lebens gelitten hat, jetzt ein bisschen mehr Freiheiten zu haben und ihre Enkel wieder in den Arm zu nehmen, was andere vielleicht noch nicht dürfen?

Ich muss echt sagen, dass ich viele der Kommentare schon recht hart fand, weil sie im Tenor nur die Aussage hatten, mir geht es schlecht, warum soll es anderen besser gehen.

Wie wäre es denn einfach mal mit, ja das ist echt eine üble Zeit, aber ich gönne es jedem der jetzt geimpft wird, dass er ein bisschen mehr von seinem Leben zurück bekommt und irgendwie gibt mir das auch Hoffnung, dass das bei mir auch irgendwann der Fall ist, auch wenn es im Einzelfall frustrierend ist Leute zu sehen, die etwas dürfen, was ich nicht darf, zu unrecht an mir vorbei ziehen.

Das besondere an dieser Pandemie ist, dass sie wirklich jeden beeinflusst. Jeden anders, auch nicht immer vergleichbar …aber genau deshalb ist das gegeneinander aufrechnen des Leides, was die eine Gruppe mehr erleidet als die andere falsch. Pandemien sind nicht gerecht.

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Ja ich meinte ja, dass der Kommentar aus Frust geschrieben wurde.
Was vielleicht nicht so richtig ankam war, dass ich es halt absurd finde, dass für manche Leute dann halt kaum Einschränkungen gelten und diese Ausgangssperre noch existiert.
Der Kommentar von mir war von mir so oder so nur in leichter Rage geschrieben, weil ich die Behandlung der Thematik im Podcast selbst relativ undifferenziert fand.
Allgemein sollen ja so viele Menschen wie möglich ihre Freiheiten haben und auch die „Schwachen“ zuerst geschützt werden, aber diese Ausgangssperre ist absurd (gehört vlllt auch nicht in diesen Teil des Forums rein sorry)
Sonst wollte ich meiner Wut nur etwas Luft machen, weil ja jeder seine eigenen Gründe hat in dieser Situation frustriert zu sein und der Tenor der alten Folge war so ein bisschen, dass man sich nicht so anstellen sollte, was ich mir VOR ALLEM von älteren Leuten wie meinen Großeltern (weshalb sich vermutlich auch meine Freude für die Oma die jetzt wieder Freiheiten hat etwas in Grenzen hält) anhören muss, obwohl sie sich in der Pandemie sehr wenig eingeschränkt haben.

Aber in der neuen Folge wurde das ja schon etwas tiefgehender besprochen.

Wundert Dich das denn ernsthaft, so wie hierzulande die Rücknahme von Einschränkungen für Geimpfte in den letzten Wochen diskutiert wurde?
Nochmal mein Lieblingsbeispiel Dänemark: Dort gabe es kurz nach den ersten Öffnungen eine App (Coronapas), die zwar Zutrittsvoraussetzung ist, bei der aber niemand mehr sehen kann, als nötig. Sie zeigt grün an, egal ob jemand geimpft, genesen oder getestet ist. Momentan wird das Grün automatisch 14 Tage nach der ersten(!) Impfung freigeschaltet. Und jetzt wurde beschlossen, dass die Einschränkung „nur mit Coronapas“ wegfallen soll, sobald alle über 16-Jährigen die wollen, geimpft wurden, also vermutlich im August. Hierzulande ist es vermutlich August, bis die App überhaupt da ist. Sprich: es wurde klar kommuniziert, dass es keine Öffnungen „nur für Geimpfte“ gibt und dass die Berechtigung per App eine zeitlich befristete Angelegenheit ist. Damit hat sich ein Großteil der Debatten die wir führen, erledigt. Es gibt in Dänemark auch nur wenig Diskussionen über „100%igen Schutz“ weil man angesichts sehr niedriger Hospitalisierungs- und Todesraten sowie der steigenden Impfquote auch bei Inzidenzen weit über 100 weiter öffnet. Diskussionen über „Vordrängler“ oder „AZ-Verweigerer“ gibt es nicht, weil beide Gruppen einfach nicht existieren.

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Sehr schönes Beispiel. Das kannte ich noch nicht. Damit würden wir uns auch jede Menge Ärger ersparen. Danke für den Hinweis.

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Gut zwei Wochen später ist aus dieser „Verschwörungserzählung“ nun fast Realität geworden: Bund und Länder beschließen ohne medizinische Indikation die schnellstmögliche und massenhafte Impfung von Kindern und Jugendlichen - ohne Vorliegen einer Impfstoffzulassung, entgegen der erwartbaren Empfehlung der Stiko und obwohl etwa 25% der Personen über 60 Jahren bzw. mit Risikofaktoren noch nicht mal eine Erstimpfung haben und keineswegs sichergestellt ist, dass es nach Aufhebung der Priorisierung genügend Impfstoff für diese besonders gefährdeten Menschen geben wird.
Natürlich gibt es keine formalen Impfzwang. Aber an die Stelle einer Abwägung unterschiedlicher individueller und gesellschaftlicher Faktoren (die vorzunehmen ja gerade Aufgabe der Stiko ist!) wird die individuelle Infektion von Kindern und Jugendlichen nun unabhängig von deren epidemiologischen Bedeutung pauschal zum Risiko erklärt und von einer „moralischen Impfpflicht“ gesprochen. Mit anderen Worten: Es wird ohne eindeutigen medizinischen oder empidemiologischen Nutzen eine Notwendigkeit schnellstmöglicher Impfungen suggeriert. Das ist m. E. nicht besonders rational.

Eine gute Zusammenfassung der verschiedenen Argumente für und wider Impfungen nicht gesundheitlich vorbelasteter Kinder und Jugendlicher findet sich hier: https://www.researchgate.net/publication/351662151_COVID-19_Impfung_fur_Kinder_und_Jugendliche_Vierzehn_Argumente_fur_einen_rationalen_Weg_in_Deutschland_COVID-19_vaccination_for_children_and_adolescents_Fourteen_arguments_for_a_rational_approach_in_G
Ein entsprechendes Interview mit einem der Autor:innen hier: Keine Impfempfehlung für Minderjährige - "Wir wissen noch recht wenig" | deutschlandfunkkultur.de

Bin in die aktuellen Beschlüsse noch nicht so tief eingestiegen, aber zumindest in dem Artikel klingt das nicht so wild. Freigabe mit Aufhebung der Priorisierung (das ist ein Nobrainer, wenn Zulassung und Empfehlung bis dahin entsprechend vorliegen, sonst gäbe es ja weiterhin eine Priorisierung (der Erwachsenen)). Keine zusätzlichen Dosen, keine konkrete Kampange, Impfung ist keine Voraussetzung für irgendwas, Freiwilligkeit betont, Wichtigkeit von EMA und Stiko betont. Ich tue mich schwer das jetzt über typischen Aktionismus hinaus zu kritisieren und sehe da auch nicht das, was ich vor 2 Wochen als unrealistisch angeprangert habe.
Sie gehen halt davon aus, dass Zulassung und Empfehlung kommen werden. Für die Zulassung trifft das auch sicherlich zu und selbst wenn es nur für Kinder mit Indikation empfohlen wird, ist das schon ein Gewinn, diese mitimpfen zu können. Dadurch und durch andere Länder entstehen weitere Daten und dann gibt es doch wahrscheinlich Richtung Herbst Klarheit, ob man es allen Kindern empfiehlt oder eben nicht.

Letztlich muss der Impfstoff ja auch nur besser als die Krankheit sein. Man vergisst glaube ich manchmal, dass z. B. Polio nicht für jedes Kind eine eiserne Lunge bedeutet, insgesamt viele Krankheiten, gegen die wie standardmäßig und zurecht impfen für viele ungefährlich wären. Aber wenn alle infiziert werden, können auch aus geringen Wahrscheinlichkeiten hohe Zahlen werden. Das Prinzip sollte uns die Pandemie gelehrt haben.

Genau das ist aber ja noch gar nicht ausreichend untersucht. Und der Vergleich findet inzwischen eher zwischen Infektion und Impfung statt, das ist ja genau der Punkt. Die bisherige Studie mit etwas über 1000 Kindern kann ja auch gar keine Nebeneffekte mit einer Wahrscheinlichkeit von 1:1000 finden (z.B. die in Israel vermuteten signifikant häufigeren Herzmuskelentzündungen bei Jüngeren Männern nach einer Pfizer-Impfung).

Epidemiologisch gesehen ist aber die entscheidende Frage, in welchem Zeitraum sich „alle“ infizieren, und welche Schutzmaßnahmen und welche Behandlungsmöglichkeiten es dann jeweils gibt. Der hypothetsiche Fall, dass sich bei stark vermindertem Infektionsgeschehen plötzlich Millionen Kinder in kurzer Zeit infizieren, hilft da m. E. nicht wirklich weiter.

Dem widerspreche ich ja gar nicht, habe im Gegenteil versucht einen realistischen Gang der Dinge aufzuzeichnen, bei dem einige Kinder in einigen Ländern geimpft werden (z. B. die mit Risikofaktoren, die es definitiv auch gibt) und letztlich wohl Daten vorliegen werden um es für alle zu empfehlen oder halt auch nicht.
Der heutige Beschluss wird nichtig, wenn der Impfstoff gar nicht zugelassen wird. Er wird im Wesentlichen anhand der Stikoempfehlung angepasst werden. Für eine schnelle, gleichmäßige Durchimpfung „aller Kinder“ gibt es außerdem aktuell gar nicht genug Impfstoff.

Wenn die Politik jetzt plötzlich massiv von den Empfehlungen dieser bislang heiligen Behörden abweichen sollte, wäre ich wirklich überrascht - das scheint ja deine Sorge zu sein. Müssen wir wohl abwarten.

Das Forum weißt mich darauf hin, dass eine großartige Diskussion viele Stimmen und Sichtweisen einbezieht und ich dir hier sehr oft geantwortet habe :smiley: Würde es von daher erstmal dabei belassen, bis wir mehr wissen.

In der Tat ist das meine Sorge und ich halte sie für berechtigt. Spahn hat ja die heutige Entscheidung bewusst vor einem Votum der Stiko herbeigeführt und die scharfe Kritik der Stiko etwa durch Lauterbach, spricht auch eine eindeutige Sprache. Zudem wurde vereinzelt schon die Impfstoff für Hausärzt:innen zurückgehalten mit dem Hinweis auf die Impfungen von Kindern und Jugendlichen. Aber gut, belassen wir es erst mal dabei.