Sinn und Unsinn von Maßnahmen

Hey allerseits,
Ich möchte angesichts der erwarteten und nun quasi beschlossenen Maßnahmen ein Fragezeichen hinter den Sinn bzw die Rechtfertigung mancher Maßnahmen machen.

Vorab: ich sehe vollkommen die Notwendigkeit Maßnahmen zu ergreifen ein und stehe da nicht gegen, halte es aber für wichtig, dass diese gut begründet und sinnvoll bzw effektiv/zielführend sind.

So das zentrale Element:
Kontaktbeschränkungen:
diese werden immer wieder gefordert und je nach Lage gelockert. Scheint zunächst einmal sinnvoll, nur gelten diese in der Regel nur im „öffentlichen Raum“. Folglich kann ich mich zwar in der Wohnung/Haus mit quasi beliebig vielen Menschen treffen, jedoch mich nicht im Park oder im Freien zum spazieren treffen.
Dabei ist doch das Infektionsrisiko andersherum größer.
Bei besonderen Anlässen wie Silvester kann eine solche Regelung wohl sinnvoll sein, aber generell für den Alltag eher weniger.

Maskenpflicht vor Geschäften, auf Parkplätzen oder auf öffentlichen Plätzen:
Das Ansteckungsrisiko im Freien ist nur bei engen zugewandten Kontakt realistisch gegeben über Tröpfchen Infektion. Stehe ich vor dem Supermarkt oder dem Bäcker in der Schlange mit Abstand besteht zusätzlicher Nutzen eine Maske zu tragen. Besonders bei Regen/Schnee durchnässt die Maske und wird unbrauchbar.
Und wenn ich beim Supermarkt meine Einkäufe ins Auto verräume geht kein Ansteckungsrisiko von mir aus.
Und was ist nun wenn ich an der Schlange vorm Bäcker vorbei gehe aber nicht die Absicht habe rein zu gehen, muss ich dann auch Maske tragen?
Gehe ich alleine oder mit wenig weiteren Personen in der weiteren Umgebung über einen Platz oder Sitze auf einer Bank auf einem Platz mit Maskenpflicht, geht auch kein Ansteckungsrisiko davon aus.

Böller(verkaufs)verbot
Es gibt unabhängig von Corona gute Gründe gegen das Böllern (öffentliche Sicherheit, Verletzungen, Tierschutz, Umweltschutz, Verschmutzung etc) und diese haben sich nicht geändert seit den letzten Beschlüssen Ende November, wo diese Maßnahme abgelehnt wurde, da sie nicht direkt mit Corona im.Zusammenhang steht und nicht sachfremde Gründe mit vermischt werden sollten (so Markus Söder). Nun aber doch?
Wer zu Hause auf dem Balkon, im Garten oder vor dem Haus Böller zündet bewirkt keine Menschenansammlung und keine Ansteckungen. Auch wenn ich an anderen Orten Feuerwerk zünde entsteht daraus noch keine Menschenansammlung welche ein Ansteckungsrisiko darstellt, besonders wenn ich, vernünftiger Weise, etwas Abstand von den anderen halte um nicht in dessen Feuerwerk abzubekommen.
Größere Feiern und Gruppen sind eh untersagt.

Maßnahmen wie Schulschließung, Geschäftsschließung, Veranstaltungsverbot etc. sind tatsächlich einigermaßen sinnvoll, auch wenn mittelfristig eine Lösung über Hygienekonzept und strenge Kontrollen vorgenommen werden sollte.

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Mann kann sich eben nicht mit „beliebig vielen“ im eigenen Haus treffen, sondern auch dort gelten die Kontaktbeschränkungen. Es gibt keine neue Regelungen zur Maskenpflicht im Beschluss. Zu der erweiterten Maskenpflicht ab dem 1.12. heißt es z.b. für Hessen:

auf stark frequentierten Verkehrswegen, Plätzen und Flächen unter freiem Himmel, sofern dort eine durchgängige Einhaltung des Mindestabstandes von 1,5 Metern zu Personen anderer Hausstände nicht sichergestellt werden kann, insbesondere auf Parkplätzen sowie in Fußgängerzonen und an Verkehrsknotenpunkten (die Konkretisierung erfolgt durch die Landkreise/kreisfreien Städte)

Und was ist nun wenn ich an der Schlange vorm Bäcker vorbei gehe aber nicht die Absicht habe rein zu gehen, muss ich dann auch Maske tragen?

Es geht beim Masketragen nicht um ihr Einkaufsziel. Einfach aufsetzen, wo lokal vorgeschrieben und / oder sie einen Abstand von 1,5-2m nicht einhalten können. Der Grund das man es festlegt sind die hohen Infektionszahlen und man will möglicherweise deutlicher machen, dass man die Maske auch schon mehr als 1m vor dem geschlossenen Raum aufsetzten könnte.

Böllerverkaufsverbot (…) Nun aber doch?

Damals konnte man halt nicht anderhalb Monate in die Zukunft schauen und dachte vielleicht das der „Lockdown light“ etwas mehr bringt. Jetzt - rasant steigende Zahlen, überlastete Intensivstationen in Teilen der Republik. Ich denke man kann schon sagen, das die Situation sich verändert hat. Und zusätzlich zu den peakenden Intensivpatienten ums Jahresende braucht man dann nicht noch welche, die sich was weggeböllert haben. Das ist halt einfach nicht mehr drin, bei der Auslastung.

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Ohne zu sarkastisch zu werden: Wann wurden denn ernsthaft die letzten Maßnahmen nachvollziehbar begründet?

Theater- und Gastronomieschließungen wurden trotz Hygienekonzepten geschlossen mit der Begründung, dass aufgrund der Fallzahlen nicht belegbar sei, dass in diesen Bereichen keine Ansteckung stattfindet.

Die Deutsche Bahn kriegt es seit 9 Monaten nicht hin, ihr Buchungssystem so umzustellen, dass für Fahrgäste der empfohlene Sicherheitsabstand gewährleistet wird. Die Bahn kommentiert, es sei nicht nachgewiesen, dass sich Menschen beim Bahnfahren ansteckten.

Für manche Einschränkungen gab es gute Begründungen, für die meisten musste man sich die Begründung selber herleiten.

@Axel_R hat das meiste in meinen Augen ganz gut auf den Punkt gebracht.

Zu den Kontaktbeschränkungen noch ein Gedanke:
Es wurden immer wieder mit gutem Grund Kontaktreduzierungen gefordert, aber aus meiner Sicht an vielen Stellen nicht ermöglicht: Ich hatte im privaten Bereich seit März so gut wie keine „analogen“ Kontakte zu Menschen, außer im Freien oder mit Maske. Mir fallen ernsthaft genau vier Besuche bei den Eltern/Schwiegereltern ein, sowie ein Ferienhausaufenthalt mit zwei Verwandten und das war jeweils mit mehreren Wochen Abstand, also genug Quarantänevorlauf.

Aber die Kontakte im beruflichen Bereich konnte ich trotz Homeoffice nicht komplett reduzieren. Da hätte man mMn viel früher Einschränkungen zumindest diskutieren können, anstatt die AG aufzufordern, möglichst Homeoffice zu ermöglichen. Ich bin glücklicherweise und dank der Wetterlage nicht auf den ÖPNV angewiesen sondern schaffe die je zehn Kilometer im 5.Monat meiner Schwangerschaft (noch) mit dem Rad. Aber das ist, wenn ich mir die Busse und Bahnen zu Stoßzeiten anschaue wirklich die Ausnahme.

Nachdem ich letztens bei der täglichen Kinderwagenrunde an einer Vierergruppe von Menschen dicht aneinandergekuschelt auf einer Parkbank (und die sich fröhlich Getränke teilten) vorbeimusste, empfinde ich das ehrlich gesagt schon als Segen. Ich kann meiner 9-Monate-alten Tochter halt noch keine Maske aufsetzen, die sie nicht durchsabbert. :wink:

Bleibt aber die Frage warum die Maßnahmen im öffentlichen Raum strenger sind.
Das Robert Koch Institut empfiehlt doch die Aktivitäten nach draußen zu verlegen.

Ich habe gerade mal die aktuelle Corona-Schutzverordnung von NRW gelesen, diese besagt bezüglich der Kontaktbeschränkungen:

(1) Partys und vergleichbare Feiern sind generell untersagt.
(1a) Ansammlungen und ein Zusammentreffen von Personen sind im öffentlichen Raum nur
zulässig, wenn nach den nachfolgenden Regelungen der Mindestabstand unterschritten werden darf oder wenn die Ansammlung oder das Zusammentreffen nach anderen Vorschriften
dieser Verordnung unter Wahrung des Mindestabstands ausdrücklich zulässig ist.
(1b) Im öffentlichen Raum ist zu allen anderen Personen grundsätzlich ein Mindestabstand
von 1,5 Metern (Mindestabstand) einzuhalten, soweit in dieser Verordnung nichts anderes bestimmt ist oder die Einhaltung des Mindestabstands aus medizinischen, rechtlichen, ethischen
oder baulichen Gründen nicht möglich ist.
[…]

und die Defintion:

(5) Öffentlicher Raum im Sinne dieser Verordnung sind alle Bereiche mit Ausnahme des nach
Art. 13 Absatz 1 des Grundgesetzes geschützten Bereichs

Daraus geht keine Kontaktbeschränkung im privaten Raum hervor. Wobei ich mir bei folgender Klausel unsicher bin was sie praktisch bedeutet:

(2) Jede in die Grundregeln des Infektionsschutzes einsichtsfähige Person ist verpflichtet, sich
so zu verhalten, dass sie sich und andere keinen vermeidbaren Infektionsgefahren aussetzt

Zum Maskentragen steht dort:

(2) Die Verpflichtung zum Tragen einer Alltagsmaske besteht unabhängig von der Einhaltung
eines Mindestabstands
[…]
1a. im unmittelbaren Umfeld von Einzelhandelsgeschäften auf dem Grundstück des Geschäftes, auf den zu dem Geschäft gehörenden Parkplatzflächen und auf den Zuwegungen zu
dem Geschäft,

Was sind nun die Zuwegungen? Wenn die Schlange vom Geschäft bis zur Straße und um geht, wo beginnt die Zuwegung?

Folgende Regel hat auch keinen unmittelbaren Zusammenhang mit Corona-Ansteckungsrisiko und halte ich daher für eher weniger sinnvoll:

(5) Im öffentlichen Raum ist der Verzehr von alkoholischen Getränken untersagt.

Wenn ich auf der Parkbank meinen mitgebrachten Glühwein trinke, stecke ich niemanden an.

Auch nächtliche Ausgangssperren halte ich für fraglich von der Effektivität, aber gut.

Ich verstehe natürlich, dass es darum geht alles rauszuholen. Ich plädiere nur für einheitliche, einfache und sinnvolle Maßnahmen da wo es Effektiv ist.

Solche Maßnahmen müssen immer generalisieren. Es wird keine noch so ziseliert definierten Maßnahmen geben, die immer alle Fälle angemessen berücksichtigt. Vereinfachungen sind nicht zu vermeiden. Zudem müssen Maßnahmen auch einfach verständlich sein - sonst hält sich eh keiner dran.

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Der Geltungsbereich für Kontaktbeschränkungen ist abhängig vom Bundesland. In NRW ist ausdrücklich der „öffentliche Raum“, d.h. „alle Bereiche mit Ausnahme des nach Art. 13 Absatz 1 des Grundgesetzes geschützten Bereichs“ gemeint. Also kann ich mich, wie Ruhrpottler schrieb, mit beliebig vielen Menschen in der Wohnung treffen, aber nicht gemeinsam spazieren gehen - es sei denn der Mindestabstand wird eingehalten!

Meiner Meinung nach (was meint Ulf als Jurist dazu?) hat die Landesregierung in der Verordnung zur Änderung der Coronaschutzverordnung vom 30. November 2020 die durch Art. 13 Abs. 7 GG in Verbindug mit § 28a Abs. 1 Nummer 3 IfSG ermöglichten Regelungen nicht voll ausgeschöpft, während andere Bundesländer dort restriktiver handeln.

Dafür stehen dort schwammige Regelungen wie in § 2 Abs. 1: „Partys und vergleichbare Feiern sind generell untersagt“, ohne dass definiert wird was eine Party im Sinne dieser Verordnung ist. Nach meinem Verständnis ist es eine Party, wenn ich mit meiner Frau und n Person(en) Musik höre, etwas esse und/oder trinke, und wir vielleicht tanzen. Aber mit welchem n fängt ein Zusammensein an, eine Party zu sein? Sehr unbestimmt, dieser Passus!

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Das kann ich natürlich nicht beantworten, jedoch: In der aktuellen Phase der Pandemie geht es darum möglichst viele Kontakte zu reduzieren, auch im öffentlichen Raum. Und das dürfte vermutlich ebenso eine Empfehlung des RKI sein.

Ich kann natürlich die rechtliche Verankerung nicht beurteilen, jedoch wird von der Bundesregierung folgendes kommuniziert:

Auch private Zusammenkünfte mit Freunden, Verwandten und Bekannten sind grundsätzlich nur mit den Angehörigen des eigenen und eines weiteren Hausstandes gestattet, maximal dürfen fünf Personen zusammenkommen. Kinder bis 14 Jahre sind hiervon ausgenommen. Die einzelnen Regelungen finden Sie auf der Internetseite Ihres Bundeslandes.

NRW und Hessen schließen sich dieser Kommunikation an, bspw NRW:

Ich gehe also bisweilen davon aus, das diese Zusammenkünfte auch rechtlich in der einen oder anderen Form verankert sind.

Was sind nun die Zuwegungen?

Das ist nicht ganz trennscharf und je nach Situation unterschiedlich, wo genau diese beginnt. Die Zuwegung dient der letzlichen Erschließung des Ortes. Wenn das Ziel ein Geschäft ist und man schon in der Schlange davor steht ist es eine Zuwegung.

Das mit dem Alkoholverbot in der Öffentlichkeit und den Ausgangsperren (in Hessen ab gewisser Inzidenz) soll die Anlässe für Kontakte stärker beschränken. Da geht es dann auch um Handhabbarkeit - Alkoholisierte sind schwer zu kontrollieren, Nachts ständig Streife fahren bei gewissen Plätzen etc pp. Aber ich stimme dir zu was die Eigenschaften der Maßnahmen betrifft - aber bisher schau ich da zumindest noch von der anderen Seite auf die Maßnahmen :slight_smile:

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Dass die Verordnungen manchmal mit sehr heisser Nadel gestrickt werden, zeigt die Zweite Verordnung zur Änderung der Coronaschutzverordnung vom 30. November 2020 vom 15. Dezember 2020, die die am Vortag veröffentlichte Verordnung mit unleserlichen „Juristen-Diffs“ patcht.

Interessant ist in NRW, dass mit Nummer 7 des CoronaSchVO-Patch vom 15. Dezember das Verkaufsverbot von Pyrotechnik entfällt. Ob da wohl ein im Land ansässiges bekanntes Unternehmen lobbyiert hat?

Du tust es in dem Moment vielleicht nicht, aber 1. trinken die wenigsten allein und 2. motiviert der Alkoholkonsum häufig dazu, Abstände nicht einzuhalten oder dich an Silvester mit Feuerwerkskörpern krankenhausreif zu verletzen. Da ursprünglich argumentiert wurde, ein Feuerwerksverbot an Silvester brächte nichts ohne ein entsprechendes Alkoholverbot, finde ich das erstaunlich konsequent. Klar, kannst du auch zu Hause trinken, aber da ist es wiederum auch egal, ob du Abstand hältst.

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@Ruhrpottler: das mit dem Alkoholverbot macht aber Sinn.

Klar, dass du mit dir alleine auf der Parkbank beim Glühweintrinken niemanden ansteckst, aber: was ist auf dem Weg nach Hause?

Alkohol hat eine berauschende Wirkung und enthemmt. Was also macht dich so sicher, dass du nach deiner Thermosflasche Glühwein mit Schuss noch ausreichend beisammen bist um auch auf dem Heimweg alle geltenden Regeln einzuhalten?

Auch problematisch ist ja von außen die Alkoholverträglichkeit von Personen zu bestimmen, also der Einfachheit halber Total Verbot.

Alle Jahre wieder gibt’s ein Feuerwerksverbot. Dieses Jahr ist eine Konsequenz, dass Weco in Freiberg ein Werk schließt.

Ich bin der Meinung, dass Feuerwerk zwar verzichbar ist, die Verbotsmentalität finde ich unverhältnismäßig. Die wirtschaftlichen Folgen spielten bei der Entscheidung wohl auch eine untergeordnete Rolle.

Eine der wenigen positiven Entwicklungen.