Mir sind keine Studien bekannt, die qualifizierte Aussagen darüber treffen könnten, ob diese „Eigenschaften und Verhaltensmuster“ in einer „Überdosierung“ - sprich rein weibliche Führungsgremien - ebenfalls ein besseres Ergebnis liefern als in einer Mischung mit den statistisch typischen „Eigenschaften und Verhaltensmustern“ männlicher Führungspersonen.
Da wird es nämlich schnell knifflig mit den unerwarteten Folgen in zweiter und dritter Ordnung. Mag sein, dass einzelne Verhaltensmuster in bestimmten Krisensituationen, die wir als solche gut kennen, weil wir sie in unserer heutigen - eher männlich dominierten - Realität haben, Vorteile gegenüber anderen Verhaltensmustern, die bei Männern statistisch häufiger auftreten, haben. Aber wir kennen eben auch nur spezifisch die Art Krisen, die aus den männlichen Verhaltensmustern resultieren. Wir kennen die „anderen“ Krisen weniger gut, die aus weiblichen Verhaltensmustern resultieren würden. Oder womöglich geht’s auch nur um andere Pfade, auf denen es zu denselben Krisen kommt wie denen, die wir schon kennen. Ein riesiges unbekanntes Feld lauert da, über das man praktisch keine verlässlichen Aussagen treffen kann - außer man lässt sich zu der doch eher phantastischen Behauptung hinab, dass eine rein weibliche Führung ganz generell in keinerlei Krisen, weder bekannten noch unbekannten, münden würde. Damit wär man aber tief im Bereich des Glaubens und weitab von evidenzbasierter Diskussion.
Meine persönliche anekdotische Evidenz aus der Beobachtung einzelner weiblicher Führungspersonen im Bekanntenkreis weist jedenfalls nicht darauf hin, dass automatisch alles heiti-teiti ist, wenn alleinig Frauen das Sagen haben. Der wesentliche Unterschied ist zumindest im Kleinen eher, dass es in der Tendenz einfach nur zu anders gelagerten Krisensituationen kommt als mit männlichen Chefs.
Und wenn man eine echte Veränderung haben will, dann muss man auch generell Strukturen überdenken. Wenn man mit der gleichen Art der Selektion Frauen statt Männern selektiert, dann bekommt man weiterhin die gleichen Führungspersönlichkeiten nur eben als Frau und die werden dann als Ausnahmen deklariert und ändern tut sich wenig.
Denn die Eigenschaften von Menschen mögen bei Frauen und Männern anders verteilt sein (ganz unabhängig davon ob soziologische oder biologische Ursachen), aber es gibt eben auch bei Frauen die, die dem aktuell kritisierten Typ Mann, der vorwiegend in Führungspositionen ist, entsprechen. Wenn jetzt einfach nur die in die Position der Männer rutschen wird es kaum eine Änderung geben.
Es sollte unser Ziel sein, Verhaltenszuschreibungen aufgrund des Geschlechts aufzubrechen und nicht weiter zu verfestigen, nur weil es diesmal positivere Attribute sind.
Darüber hinaus stellt sich sowieso die Frage, ob diese Tendenzen nicht eher eine Frage von Rollenbildern und Erziehung als von biologischen Zwangsläufigkeiten sind…
Daher ist die Frage Mann/Frau bei Führung oder Verantwortung auch zu kurz gesprungen. Vieles deutet darauf hin, dass Vielfalt hinsichtlich möglichst vieler Aspekte und paritätische Verteilungen von Macht und Verantwortung die Richtung ist, in der die Einbeziehung von Frauen eben nur der erste Schritt ist.
Bleibt die Frage, ob an bestimmten aktuell männlich konnotierten Verhaltensmustern ein grundlegender Makel ist, der schädliche Dynamiken wie Eskalation gewalttätiger Konflikte oder übermäßige Ausbeutung der Umwelt zulasten unserer eigenen Lebensgrundlagen befördert.
Und gerade die in manchen Vorstellungen von Maskulinität verbreitete Objektifizierung der Umwelt und der Wettbewerb bei deren Unterwerfung zeigen doch arge Ähnlichkeiten zu den großen Krisen unserer Zeit.
Das ist richtig. Um sie aufzubrechen muss man sie aber erstmal (an)erkennen. Ob Verhaltensmuster für die Lösung von Krisen günstig oder hinderlich sind, ändert sich natürlich nicht, nur weil sie einem anderen oder gar keinem Geschlecht mehr zugeschrieben werden.
Vielleicht kann man die Frage umformulieren: Inwieweit ist die Tatsache, dass Eigenschaften, die aktuell eher mit Männern assoziiert sind, in der globalen Führungsverantwortung vorherrschend sind, für unsere Krisen ursächlich?
Dann ist auch egal welchem Geschlecht die Führungsperson, die diese Eigenschaften pflegt, selbst- oder fremdzugeschrieben wird.