Sind Fake News wirklich problematisch für eine Demokratie?

Lanz und Precht haben sich in ihrem Podcast auch darüber ausgelassen. Allerdings klang es dort so, als ob die Geschichte einen wahren Hintergrund hätte. Ich habe mich ein bisschen gewundert, wie sie das in dieser Art darstellen. Es klang für mich fast so, als ob es für sie ein zwar unwahrscheinliches, aber in Kleinem nicht auszuschließendes Szenario wäre.

Ich habe das Gefühl, je mehr eine bestimmte Falschmeldung wiederholt wird, desto glaubwürdiger wird sie. Und wenn sie nun auch noch von einem personenkreis aus der Mitte der Gesellschaft immer wieder erwähnt und angesprochen wird, desto mehr Anhänger findet diese Meldung.
Schließlich hat sich über Weihnachtsbäume in Kitas auch der bayerische Ministerpräsident ausgelassen. Und plötzlich glaubte die Mitte der Gesellschaft, dass Weihnachten nicht mehr existieren würde wenn das Leben so weitergeht.

Klar ist das ein schlüssiges Argument. Wenn zuerst die ‚Meinung‘ - besser die dahinterliegende Einstellung - da ist und ein äußerer Einfluss aufgrund des Bestätigungsbias nichts ändert, dann hat dieser vermeintliche Einfluss keinen Einfluss, weil das Ergebnis das gleiche ist.

Wenn es so ist, wie skizziert, dann können sie eben im Wesentlichen gerade keine Wechselwähler sein - zumindest nicht in dem Sinne, dass sich Einstellungen grundlegend änderten. Rechte bleiben eher rechts, Progressive eher progressiv usw.

In den USA mit seinem faktischen Zwei-Parteien-System lässt sich das auch schön zeigen. Der Anteil der swing voters ist gering. Viel entscheidender für den Wahlausgang ist die Mobilisierung. Swing voters sind überwiegend politisch eher desinteressierte low-information voters. Da können dann politisch völlig irrelevante Kriterien wie etwa die äußerliche Attraktivität von Kandidaten oder der Wunsch, die Gewinnerpartei zu wählen, eine Rolle spielen.

Und da kommt dann die Statistik ins Spiel. Es geht hier ja darum, ob Fake News einen signifikanten Effekt aufs Wahlverhalten haben. Der lässt sich jedoch (nach Hoffmann) bezogen auf die Grundgesamtheit der Wähler nicht nachweisen.

Wenn Fake News bestehende Einstellungen und daraus resultierende Wahlpräferenzen verstärken, dann folgt daraus im Umkehrschluss gerade nicht, dass es sich ohne Fake News um Wechselwähler gehandelt hätte.

Nehmen wir das Extrembeispiel Trumps Lüge von haustieressenden haitianischen Einwanderern.

Auf politisch eher Progressive wirkt diese Lüge lächerlich. Sie führt nicht dazu, dass diese Menschen plötzlich menschenfeindlich werden.

Auch den meisten Leuten mit eher rechten Einstellungen ist wahrscheinlich klar, dass Trump hier gelogen hat. Aber auch wenn sie das wissen, triggert diese Lüge gewisse Emotionen. Sie wollten Trump jedoch ohnehin wählen.

Und wenn es dann noch Leute gibt, die an diese Lüge glauben, dann ändert sich auch deren Wahlentscheidung nicht, da sie vorher schon migrationsfeindlich waren, da genau das die Voraussetzung ist, um solchen Lügen Glauben zu schenken.

Im Ergebnis haben sich dann aber die Wahlentscheidungen all dieser Menschen nicht verändert.

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Die vorher existierende Meinung/Einstellung entsteht jedoch nicht im luftleeren Raum sondern im Umfeld von (Fehl-) Informationen.

Je mehr Wählende schon vorher festgelegt sind, desto mehr kommt es auf die Beeinflussung der verbleibenden „Wechsel“ -Wählenden an, sei es nun bezüglich ob oder wen er wählt.

Aber es kann ebe deren Mobilisationsgrad ändern, wie auch Lügen über Harris den Mobilisationsgrad bei den Demokraten verringern können, indem sie Zweifel sähen.

Mir scheint die Referenzgröße falsch zu sein. Es geht nicht darum wieviel von allen Wahlberechtigten beeinflusst werden, sondern wie Groß die Beeinflussung derer ist, die sich überhaupt beeinflussen lassen.

Der bitkom stellte in einer Erhebung fest, dass 2/3 der Nutzer mit Falschmeldungen in Kontakt kamen. Das sind dann nur bei sehr kreativer Sichtweise „die Wenigsten“.

Zwei Drittel (67 Prozent) derjenigen, die sich im Internet über aktuelle Ereignisse und das Zeitgeschehen informieren, haben in den vergangenen 12 Monaten Falschmeldungen wahrgenommen, davon 11 Prozent häufig, 31 Prozent gelegentlich und 25 Prozent selten. 18 Prozent haben keine Falschmeldungen wahrgenommen, 15 Prozent sind sich nicht sicher oder machen dazu keine Angabe. Im Jahr 2021, während der Hoch-Zeit der Corona-Pandemie und dem Jahr der Bundestagswahl, hatten in einer Bitkom-Studie unter Nutzerinnen und Nutzern sozialer Medien noch 92 Prozent angegeben, auf Fake News gestoßen zu sein.
Nachrichtenflut im Netz: Jeder und jede Zweite fühlt sich überfordert | Presseinformation | Bitkom e. V.

Ich habe mir die Studie jetzt nicht angesehen, aber vielleicht muss man hier ja auch deutlich mehr differenzieren.

Was genau sagt die Studie aus? Welcher Zeitraum wird betrachtet? Was wird als Fake-News definiert?

Ich meine bisher hiesse es immer, dass es sehr wohl Evidenz dafür gäbe, dass wiederholt gehörte Botschaften die eigene Meinung massiv beeinflussen. Warum sollte das anders sein well diese Botschaften Fake-News sind. Aber wurde das so überhaupt in der Studie betrachtet?

Der Fehler Ergebnisse von Studien zu verallgemeinern und eine sehr isolierte Aussage auf eine Vielzahl an viel weiter gefasste Fällen anzuwenden wäre ja auch kein Fehler der zum ersten Mal gemacht wird.

Hat hier denn jemand eine nähere Kenntnis über die Studie selbst die hier als Grundlage genommen wird?

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Hab ein Interview gefunden, das seine Sichtweise recht deutlich macht.
Demnach sind 1% der konsumierten Inhalte Fake-News.

Das heißt, diese, sagen wir weniger als ein Prozent, sind ja ein Durchschnitt. Und wenn wir sehen, dass ein großer Teil davon von ganz wenigen konsumiert wird, heißt das, dass die breite Bevölkerung wirklich so gut wie keine Fake News konsumiert.[…]
Wenn ich mir halt schon ein bestimmtes Wissen aufgebaut habe, dann hinterfrage ich das nicht jedes Mal komplett, wenn ich was Neues höre.[…]
Und insofern ist diese Virus-Analogie, die wir oft sehen, Menschen stolpern über eine Falschinformation und werden von der angesteckt, sehr irreführend.
Das Interview mit Christian P. Hoffmann zum Nachlesen: Ist die Angst vor Fake News übertrieben? | MDR.DE

Er wehrt sich also gegen eine Panikmache bei dem Thema und sieht ein ganz anderes Problem - da wir uns unsere Meinung eben nicht einfach so nehmen lassen.

Vielmehr ist es eigentlich so, dass wir oft beobachten, dass Menschen richtige Informationen ablehnen. Also das heißt, die Wahrscheinlichkeit ist eigentlich höher, dass ich im Internet herumsurfe, etwas sehe, was wahr ist, aber keine Lust habe, dazuzulernen und deswegen eine richtige Information ablehne.

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Zwecks genauerer Klärung zitiere ich mal das Abstract der auf Klicksafe verlinkten, in Science Advances erschienenen Studie:

“Fake news,” broadly defined as false or misleading information masquerading as legitimate news, is frequently asserted to be pervasive online with serious consequences for democracy. Using a unique multimode dataset that comprises a nationally representative sample of mobile, desktop, and television consumption, we refute this conventional wisdom on three levels. First, news consumption of any sort is heavily outweighed by other forms of media consumption, comprising at most 14.2% of Americans’ daily media diets. Second, to the extent that Americans do consume news, it is overwhelmingly from television, which accounts for roughly five times as much as news consumption as online. Third, fake news comprises only 0.15% of Americans’ daily media diet. Our results suggest that the origins of public misinformedness and polarization are more likely to lie in the content of ordinary news or the avoidance of news altogether as they are in overt fakery.

Das Vermeiden von Nachrichten und der Konsum gewöhnlicher Nachrichten tragen demnach also mehr zur Fehlinformiertheit und Polarisierung bei als Fake News.

Es wird dabei schon ein sehr breites Verständnis von Fake News zugrunde gelegt:

We emphasize here that both our definition of news and fake news are extremely broad. In the case of news, we include, for example, morning shows and portals, while our definition of fake news includes highly biased and hyperpartisan news sites such as Breitbart.com i.e., corresponding to the “red” and “orange” categories defined in (8)] and outright fraudulent sites (i.e., the “black” category). Our estimates of the prevalence of news and fake news therefore likely overstate the true prevalence, although we also find that adopting stricter definitions makes no discernable difference to our main conclusions (see fig. S3 for comparison of upper and lower bound estimates of news and fake news consumption, respectively, and table S10 for exact values).

https://www.science.org/doi/10.1126/sciadv.aay3539

Eine ganz aktuelle Studie aus Köln greift ein weiteres Problem auf:

We find that political online news exposure is […] subject to stronger ideological self-selection than nonpolitical online news exposure, especially in the United States.

https://www.science.org/doi/10.1126/sciadv.adg9287

Diese Selbstselektion dürfte in Bezug auf Fake News genauso gelten.

Auch hier ist die vorherige Einstellung das Entscheidende.

Wenn aber letztlich real news und Fake News danach ausgewählt werden, ob sie ins eigene Weltbild passen, dann gibt es keinen zusätzlichen Effekt durch Fake News, was die politische Einstellung betrifft - und zwar unabhängig davon, ob den Fake News Glauben geschenkt wird.

Zwar gibt es den so genannten Illusory Truth Effect, aber die Frage ist, welche Relevanz ihm zukommt, wenn sich andere Faktoren weitaus stärker auswirken.

In dem Zusammenhang ist noch folgende, ganz aktuelle Studie interessant:

It has been established across several contexts that political attitudes are informed by heritable factors. However, it remains unclear how much of the stability we observe in political attitudes can be ascribed to environmental factors and how much of the stability is due to genetics. In this paper we show, using a unique three-wave panel dataset of twins (N = 2471) spanning ten years, that both environmental and genetic influences are important in explaining the stability of social and economic ideology. However, we find that changes in ideology over time are explained by environmental factors for both social and economic ideology. For social ideology, only the shared environment is important in explaining changes over time. For economic ideology, both shared and unique environmental factors influence changes over time. Our results suggest that stability and change in political attitudes is a complex phenomenon that is best understood when examining heritable as well as social factors.

https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S019188692400237X

Unter geteilter Umwelt werden gemeinhin Einflüsse wie „z.B. Familiengröße […], Schichtzugehörigkeit, Lebensstandard und Erziehungsstil“ verstanden, also etwas, das politisch nicht oder kaum beeinflussbar ist.


Apropos Desinformation:

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Ich fände es schon redlich, eine so steile These wie „Menschen kommen kaum mit Fake News in Kontakt“ auch mit Argumenten und Daten untermauern zu können. Und damit meine ich den Post selber. Der alleinige Verweis auf eine Quelle - noch dazu eine so umfangreiche - reicht da m. E. nicht aus.

Auch hier sollte m. E. erst mal konkret beschrieben werden, was eigentlich konkret untersucht wurde und was als „Kontakt“ und was als „signifikante Veränderung in Einstellungen und Verhalten“ gewertet wurde.
Im schlimmsten Fall belegt die Studie nur, dass es etwas nicht gibt, von dem aber auch nie jemand behauptet hat, dass es existiert.

Das Problem an Fake News ist ja nicht, dass sie Menschen mit einer gegenteiligen und gefestigten politischen Haltung plötzlich „umpolen“ könnten, sondern 1. dass sie bestehende Meinungen und besonders Gefühlslagen bestätigen und verstärken und 2. dass sie generell eine Unterscheidung zwischen validen Informationen und frei Erfundenem erschweren oder gar unmöglich machen. Es geht auch sinngemäß nicht darum, dass Leute immer alles glauben, was sie hören, sondern vielfach auch darum, dass sie so viel Bull*** hören, dass sie nichts und niemandem mehr glauben.
Ohen den Podcat gehört zu haben, würde ich spontan nicht davon ausgehen, dass die Studie einen so umfassenden Begriff von Fake News zugrunde gelegt hat.

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Es sind wohl mehrere Studien, auf die sich Hoffmann bezieht, aus der in den Shownotes verlinkten habe ich auszugsweise zitiert. Der zugrunde gelegte Fake-News-Begriff ist ziemlich breit. Und es erscheint schlüssig, dass andere Faktoren/Effekte (s. o.) deutlich oder weitaus gewichtiger sind.

Weitere Studien - mit teils durchaus interessanten Designs - werden im ebenfalls in den Shownotes verlinkten Science-Artikel von Kai Kupferschmidt diskutiert.

Zwei aktuelle Studien aus Science Advances und Personality and Individual Differences habe ich noch beigesteuert.

Wenn man dann noch in Betracht zieht, dass sehr graduelle Einstellungsänderungen oftmals gar keine Änderungen im Wahlverhalten bewirken, Letztere jedoch die einzigen demokratisch wirksamen Einstellungsänderungen sind, kommt man zu dem Schluss, dass politisch bedeutsame Einstellungsänderungen zudem sehr langfristige Ausnahmefälle sind und man die Wirkung von besseren Argumenten auf keinen Fall überschätzen sollte.

Vieles spricht dagegen, dass sich Menschen vom Besseren/Richtigeren überzeugen lassen - ob mit oder ohne Fake News.

Und da sich demokratische Meinungsbildungsprozesse in einer freiheitlichen Gesellschaft schwerlich als intensive Gruppentherapie denken lassen, unterliegen die Einflussmöglichkeiten ohnehin starken Limitierungen.

Das ist nicht schön, aber nun mal Fakt.

Die möglichen Wirkungen, die du hier beschreibst, sind ja sehr viel konkreter formuliert als die von mir kritisierten. Ich will auch nicht in Abrede stellen, dass eine Studie, die ich nicht kenne, zu validen Ergebnissen gekommen ist, aber nochmal: Gegenstand meiner Kritik waren die weitreichenden und aus meiner Sicht nicht ausreichend belegten Formulierungen im Eröffnungsthread.

Also scheint es doch Stand der Wissenschaft zu sein und nicht eine Meinung einer wissenschaftlichen Minderheit. Das war ja genau das, was ich nicht einordnen konnte.

Die Kritik richtig dsch dann an mich. Vielleicht habe ich auch den Titel etwas provokant gewählt, aber das war nicht meine Absicht.
Mir ist nur beim Lage hören aufgefallen, dass dieser Aspekt denn ich vor ein paar Wochen bei Klicksafe gehört habe noch nie beim Thema Fake News berücksichtigt wurde, und da hab ich mal einen Thread eröffnet um ein paar andere Meinungen zu hören. Hab mir vorher 0 Gedanken gemacht wie ich das genau formuliere, deswegen habe ich ja fast 1:1 die shownodes des Podcast rein kopiert.

Sorry dafür.

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Danke für deine Antwort. Sollte jetzt auch kein Angriff sein, ich finde Hinweise auf (bisher) vernachlässigte Sichtweisen und andere Podcasts auch super, fände es dann aber gut, die Shownotes auch als solche zu kennzeichnen (also als Zitat) und möglichst noch eine eigene Einschätzung zu der Quelle zu ergänzen.

Nein, das kann man meiner Ansicht nach so daraus noch nicht ableiten.

Ich bin hier ganz bei Flixbus. Ich halte das nicht nur für eine steile These, sondern für ziemlich absurd. Das widerspricht der Erfahrung von vielen von uns, die wir ja tagtäglich im Internet Fake News, Irreführung und Manipulation erleben. Wenn man so etwas behauptet, muss man in der Tat die nötigen Daten, die nötigen Quellen liefern. Auf welches Land, auf welche Region bezieht sich die Untersuchung ? Wie genau sah die Definition für Fake News oder Desinformation aus ? Hat man nur Printmedien untersucht ? (wäre kein Wunder, wenn man da nicht viel Fake News findet). Wie hat man es für die Untersuchung geschafft, in die „Bubbles“ einzutauchen, etc…

Viele Menschen im Mittelalter hielten es für „absurd“, dass sich die Erde um die Sonne dreht. Viele Menschen des 19. Jahrhunderts hielten es für „absurd“, dass der Mensch vom Affen abstammt.

Diese - zugegebenermaßen plakativen - Beispiele zeigen schon, dass Einschätzungen, selbst wenn sie von einer Mehrheit geteilt werden, wissenschaftlich deshalb lange noch nicht richtig sein müssen.

Auch so genanntes Erfahrungswissen kann in die Irre führen.

Sobald es […] um Erkenntnisse geht, die zum Alltagswissen kontraintuitiv sind oder Verhaltensvorhersagen anhand von einer Vielzahl von plausiblen und begründeten Alternativen getroffen werden sollen, sind Psychologen den Laien deutlich überlegen.

Das wissenschaftliche Vorgehen dient ja gerade dazu, Hypothesen zu prüfen und so die Spreu vom Weizen zu trennen.

Hoffmann liefert ja. Es wäre daher für die Vertreter der Gegenhypothese sinnvoll, ihrerseits auf Studien, die diese Gegenthese belegen (sollen), zu verweisen. Dann kann man sich ja auf gleicher Augenhöhe begegnen und diskutieren, welches die methodisch besseren Studien sind. Einfach auf vermeintliche Alltagsplausibilität zu verweisen reicht jedenfalls nicht aus.

All das kannst du in den verlinkten Quellen nachlesen.

Das muss man überhaupt nicht, denn das ist für die Fragestellung völlig irrelevant.

Es geht ja darum, ob und inwieweit der Kontakt mit Fake News das Wahlverhalten beeinflusst.

Entweder ist das der Fall, dann müssten zwei Gruppen - nennen wir sie A und B -, die sich in allen das Wahlverhalten sonst noch beeinflussenden Faktoren ähneln, im Wahlverhalten dennoch signifikant unterscheiden, wenn Gruppe A Fake News ausgesetzt ist und Gruppe B nicht.

Oder es ist nicht der Fall, dann würde es keinen messbaren signifikanten Unterschied zwischen den Wahlpräferenzen beider Gruppen geben.

Statistisch kann man natürlich noch Effektstärken für verschiedene Faktoren, die (möglicherweise) das Wahlverhalten beeinflussen, berechnen.

Ich komme erst jetzt dazu, mir diesen Thread genauer anzusehen.

Desinformation schadet selbstverständlich der Demokratie, da Demokratie auf Vertrauen beruht und das Vertrauen durch Desinformation untergraben wird.

Ich verstehe diese Forschung und auch diese Diskussion nicht. Natürlich begegnen wir ständig Falschbehauptungen. Erst neulich habe ich in einem Podcast Thorsten Frei gehört, der mit falschen Zahlen um sich warf. Ich würde mal sagen, diese falschen Zahlen glauben nun viele Menschen. Und auch von Merz wissen wir doch, wie oft er Desinformation betrieben hat und noch betreibt. Ganz zu schweigen von der AfD oder Russland, das mindestens im Verdacht steht, massiv Einfluss auf Wahlen und auf den Brexit genommen zu haben. https://www.dw.com/de/report-russland-wollte-referendum-in-schottland-beeinflussen-einmischung-kreml/a-54253551
Desinformation eskaliert auch die aktuelle gruselige Migrationsdebatte.

Sicherlich kann ein aufgeklärter Bürger meistens Desinformationen identifizieren oder den Anlass spüren, nach einer (zweiten) Quelle zu suchen, aber die Desinformationsgefahr besteht doch nicht in einzelnen falschen Nachrichten, sondern im gehäuften Auftreten. Irgendwann wird man eben doch verunsichert. Sogar ich selbst spüre diese Verunsicherung schon. Bin sehr misstrauisch geworden, überprüfe Quellen mehrfach etc. und weiß in manchen Zusammenhängen nicht mehr, was ich glauben soll, welchen Quellen ich vertrauen soll.

Social Media beschleunigt Desinformation noch immer und immer mehr, immer weiter. Gerade für junge Menschen, die noch nicht so viele Erfahrungen/Wissen haben, eine echte Gefahr. Wenn Herr Hoffmann in seiner Studie feststellt, dass die Demokratie nicht gefährdet ist, dann bezieht sich diese Feststellung nur auf die Vergangenheit. Vielleicht war sie bisher nicht gefährdet. Aber die Situation verschlimmert sich ja. Oft sitzen Menschen in Talkshows/Podcasts und verbreiten Desinformationen, die nicht direkt entlarvt werden.

Die Behauptungen hier im Thread finde ich sehr grenzwertig oder sogar gefährlich.
Eine aufgeklärte Bevölkerung, die resilient gegen Desinformation ist, setzt voraus, dass sie aufgeklärt ist. Wie soll sie aber aufgeklärt sein, wenn Desinformation Überhand nimmt?
Zum Beispiel ist die haitianische Community in Springfield aktuell wegen der Tier-Fake-News gefährdet.

Was genau soll eine solche Diskussion bezwecken? Die Öffentlichkeit beruhigen? Einverstanden. Aber ich wäre wirklich sehr dafür, Desinformationen nicht so zu verharmlosen.

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Ich glaube hier wird über unterschiedliche Fragestellungen geredet.

Das eine ist die Frage wie stark beeinflussen Fake-News den Ausgang der nächsten Wahl und die andere Frage ist wie stark beeinflussen Fake-News die generelle Haltung einer Gesellschaft zu bestimmten Themen.

Ich kann mir vorstellen, dass die hier thematisierten Erkenntnisse die erste Frage durchaus anders beantworten würden als die zweite. Wenn aber die Wirkung von Fake-News langfristig durchaus gegeben ist, dann könnte man auch bei nur geringem Einfluss auf die nächste Wahl dennoch keine Entwarnung hinsichtlich der Frage wie problematisch sie für eine Demokratie sind geben.

Und man darf auch nicht vergessen, dass auch Wissenschaft eben davon lebt diskutiert zu werden und vielleicht aus einer limitierten Erkenntnis eine Kontroverse zu erzeugen die für viele Zitierungen sorgt.

Ich bleibe daher dabei, dass man sich schon fragen darf ob man diese Erkenntnis wirklich so interpretieren kann, dass Fake-News kein Problem für eine Demokratie darstellen.

Edit:
Wobei ich auch fast glaube, dass vieles was wir als Desinformation und manipulative Nachrichten wahrnehmen eben per Definition nicht als Fake-News gesehen wird. Statistiken die aus dem Kontext gerissen Meinung machen sollen sind vielleicht sogar wirksamer als Fake-News, weil sie wissenschaftlicher daherkommen und erstmal ja Fakten präsentieren, aber eben in einer Form die ganz gezielt eine bestimmte Meinung erzeugen will.

Wenn am Ende eben nur „Ausländer essen Hunde“ als Fakenews definiert wird, dann sieht das schon ganz anders aus als wenn wir allgemein von Desinformation reden.

Wie stark Desinformation aber wirkt hat man ja beim Thema Heizungsgesetz gesehen. In meinem Umfeld glauben noch immer einige Habeck wollte ihnen ab nächstem Jahr verbieten mit Gas weiter zu heizen.

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Veränderungen unterhalb einer Schwelle der (mittel- bis langfristigen) Veränderung des Wahlverhaltens sind ja demokratisch nicht relevant.

Das müsstest du schon konkretisieren, damit man darüber diskutieren kann. Wie soll man sich das vorstellen? Was könnte ein Beispiel sein?

Was meinst du damit? Wenn der Einfluss langfristig gering ist, wie belegt, dann ist er gering.

Wenn Faktor A für 40 % verantwortlich ist, Faktor B für 30 %, Faktor C für 28 % und Faktor D für 2 %, dann sollte man vorrangig gucken, ob sich die Faktoren A bis C irgendwie beeinflussen lassen.

Theoretisch und auch praktisch kann sogar bei 60,4 Millionen Wahlberechtigten eine einzelne Stimme den Ausschlag geben, ob es rechnerisch z. B. zu einer Koalition reicht. Nur ist das eben alles andere als wahrscheinlich. Nun hat aber Opa Willy, der zeitlebens SPD gewählt hat, keine Briefwahl gemacht und ist leider am Tag vor der Wahl verstorben.

Um Wahrscheinlichkeiten zu ermitteln, nutzen die Sozialwissenschaften das Powertool Statistik.

Kontrovers diskutiert wird in den Wissenschaften in der Regel das, was sich angesichts gewonnener Empirie auch als kontrovers darstellt. Einander tatsächlich zuwiderlaufende Studien sind - zumindest in den Sozialwissenschaften (in der z. T. rein mathematischen Theoretischen Physik mag das anders sein) - die Voraussetzung für solche Kontroversen.

Wenn jedoch eine Hypothese gut durch Studien belegt werden kann, eine Alternativhypothese jedoch empirisch blank ist, kann man schwerlich von einer ernsthaften Kontroverse auf Augenhöhe sprechen.

PS: Fake News werden in der verlinkten Science-Advances-Studie sehr breit definiert.

Einfache Frage:

Ist es plausibel, dass auch ohne Desinformation viele Menschen glauben würden, dass sie nächstes Jahr ihre Gasheizung rausreißen müssten wenn das Gesetz in ursprünglicher Form gekommen wäre?

Edit:
Ich verstehe den Ansatz, dass viele die News konsumieren die sie in ihrer Meinung bestärken. Aber alleine die Aussage, dass viele kaum mit Fake-News in Berührung kommen dürfte bei der Reichweite von vielen Accounts die Unwahrheiten verbreiten (z.B. auch prominente Politiker wie Merz und Söder) einfach nicht stimmen.

Ein Brexit wäre bei einer Diskussion die wirklich alle Pro und Contra eines Ausstiegs ernsthaft und sachlich abgewogen hätte statt unrealistische Versprechen in den Vordergrund zu stellen wahrscheinlich so nicht real geworden.

Und selbst wenn Fake News nur 1% der Menschen in ihrer Wahl umstimmen, dann kann das z.B. in den USA eine Wahl schon entscheiden.

Erst einmal müsste man checken, wer das denn glaubt.

Und ob damit eine Änderung der Wahlentscheidung bei der letzten Wahl, ich nehme hier mal die bundesweite Europawahl, verbunden war.

Schreiben wir das GEG mal zu 100 Prozent den Grünen zu.

Sie bekamen bei der Bundestagswahl 14,7 % und bei der bundesweiten Europawahl 11,9 %. Das ist ein Verlust von 2,8 Prozentpunkten.

Eine simple Alternativhypothese ist schnell gefunden. Die bei einigen als pazifistisch geltenden Grünen haben die Einbußen im Wesentlichen wegen ihrer klaren Positionierung im Hinblick auf Waffenlieferungen an die Ukraine verloren.

Eine weitere könnte lauten: Die Grünen werden abgestraft, weil sie in der Ampel zu wenig Klimaschutz durchsetzen und/oder weil bei der Europawahl keine 5%-Hürde gilt. Ein Indiz wären die im Wesentlichen neuen Player bei der Europawahl Klimaliste, Letzte Generation und Volt, die zusammen auf drei Prozent kamen.

So, nun kann man testen, ob der Stimmenschwund v. a. auf die Ausgangshypothese, die Alternativhypothesen oder auf andere Faktoren ‚einzahlt‘.

Um das bisher Ausgesparte noch - sicherheitshalber - nachzuliefern: Ob jetzt AfD- oder CDU-Wähler auf die Fake News hereinfallen, ist nicht relevant, weil die die Grünen weder vorher noch nachher gewählt hätten.

Der Brexit war eine Volksabstimmung, auf Bundesebene haben wir die hierzulande nicht.

Aufgrund des The-winner-takes-it-all-Wahlleute-Systems reichen in den USA schon sehr viel geringere Stimmendifferenzen, wie vergangene Präsidentschaftswahlen auch gezeigt haben. Trump wurde anstelle von Clinton Präsident, weil er in drei Swing States ein Stimmenplus von zusammengerechnet ca. 70.000 erreichte. Das ist sehr viel weniger als ein Prozent der Wähler.

Aber in Deutschland gibt es kein solches, den Wählerwillen verzerrendes System (selbst Clinton hatte einen Millionenvorsprung in der popular vote).

Folglich ist unser demokratisches System sehr viel weniger anfällig für marginale Veränderungen des Wahlverhaltens.

Und selbst bei Trump vs. Clinton ist nicht auszuschließen, dass hier andere Faktoren entscheidend waren (z. B. systematische Wählerbenachteiligung (voter suppression)).