Schutzverantwortung der Universität für Grundrechte jüdischer/pro-israelischer Studierender

Lieber Ulf, lieber Philip,

ich höre gerade Eure Diskussion aus der letzten Lage zum Thema Besetzung von Universitäts-Räumen durch propalästinensische Demonstrierende.

Ein Punkt, den ich in der Diskussion vermisse, ist die Schutzverantwortung der Universität für die Grundrechte jüdischer und pro-israelischer Studierender. Auch wenn Uni-Besetzungen je nach Einzelfall eine legitime Wahrnehmung des Versammlungsrechts sein mögen, kann es doch nicht sein, dass sich die pro-palästinensische Bewegung universitäre Räumlichkeiten zu eigen macht, die jüdische/pro-israelische Studierende nicht - wie zum Beispiel eine Straße oder einen öffentlichen Platz - einfach umgehen können, sondern auf die sie als Studierende den gleichen Anspruch haben wie pro-palästinensische Studierende auch und in denen sie sich frei von Angst bewegen können sollten.

Zusammenstöße zwischen den beiden Gruppierungen in den letzten Monaten, gerade auch in Berlin (insb. an der FU im Februar), hatten bei mir den Eindruck erweckt, dass jüdische Studierende berechtigte Sorgen haben, ihre Religion oder ihre Meinung an der Universität offen zu zeigen.

Insofern leuchtet es mir nicht ein, wenn Ihr das Versammlungsrecht der pro-palästinensischen Studierenden allein am Hausrecht der Uni und an der möglichen Strafbewehrtheit ihrer Äußerungen bemesst. Die Grundrechtsbeeinträchtigung durch das eingeschränkte Sicherheitsgefühl jüdischer/pro-israelische Studierender müssten doch hier ebenfalls ins Gewicht fallen.

Ich wäre sehr gespannt zu hören, was ihr dazu denkt!

Beste Grüße und vielen Dank für Euren Podcast

Moritz

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Das geht natürlich überhaupt nicht!

An der Besetzung haben allerdings auch Menschen mit Kippa teilgenommen, die mit dem Vorgehen Israels offenbar nicht einverstanden sind. Das ist ein wichtiger Aspekt, der im deutschen Diskurs viel zu wenig beachtet wird: Die aktuelle Linie der Regierung Netanjahu Ist in Israel selbst alles andere als Konsens. Wenn wir in Deutschland Kritik an dieser Linie unterdrücken, stellen wir uns damit letztlich in der innenpolitischen Debatte Israels auf eine Seite, was auch von Israelis kritisch gesehen wird.

Grundrechtsdogmatisch ist eine Schutzverantwortung tendenziell schwächer als die Versammlungsfreiheit, jedenfalls kurzfristig. Daher wird man damit jedenfalls nicht grundsätzlich rechtfertigen können, dass eine Demo sofort beendet wird. Jedenfalls nach Ablauf von Tagen würde ich aber denken, dass sich die Abwägung verschiebt: Das kommunikative Anliegen der Demonstration ist irgendwann erreicht, während das Grundrecht auf Bildung aller Studierenden, übrigens ja nicht nur jüdischer, kontinuierlich weiter beeinträchtigt wird, wenn ein Universitätsbetrieb wegen einer Besetzung nicht möglich ist.

Abgesehen davon hat die HU die Schutzverantwortung der Universität für ihre Studierenden in der konkreten Situation ja sehr ernst genommen, das war mit ein Grund, warum die Präsidentin der Uni auf eine Beendigung der Blockade hingewirkt hat. Leider wurde das Gebäude noch vor Fristablauf gestürmt. Inwieweit das dazu beigetragen hat, dass das Gebäude beschädigt wurde, lasse ich mal dahinstehen.

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