Liebe Lage,
ich schätze auch sehr eure ausgewogene und ehrliche sowie faktenbasierte Berichterstattung. Ich halte jedoch eure Beiträge zu Nachrichtendiensten immer für tendenziös und unsachlich. Möchte mich daran jetzt aber nicht so aufhalten wie mein Vorredner. Ein Kommentar sei mir jedoch erlaubt: Wenn sich Phillipp Amthor bessern kann, warum wird einem BND noch immer die Org. Gehlen vorgeworfen? Er ist trotz der letzten Skandale bei weitem nicht mehr auf dem Niveau… Vielleicht könnte ihr ja doch nochmal hinterfragen, wie objektiv ihr die Nachrichtendienste betrachtet.
Ich möchte aber zwei wichtige inhaltliche Punkte machen:
Kontrolle der Nachrichtendienste: Es ist richtig und wichtig, dass die Dienste kontrolliert werden müssen. Und zwar vollumfänglich. Aber worauf bezieht sich eure Kritik wirklich? Für den BND gibt es bspw. das PKGr, das vollumfängliches, jederzeitiges Zutritts- und Zugriffsrecht hat. Dazu die G10-Kommission mit gleichen Kompetenzen für G10-Sachverhalte. Das UG ist wohl tatsächlich fragwürdig, aber auch der Rechnungshof und der Datenschutzbeauftragte haben volle Zutitts- und Zugriffsrechte. Das finde ich erstmal nicht schlecht. Dann kann man insbesondere dem PKGr vorwerfen, dass es seine Arbeit nicht ordentlich macht/wahrnimmt. Das ist aber nicht das Verschulden der Nachrichtendienste, sondern des Parlamentes, dass sich mit einfachem Beschluss mehr Personal und mehr Kompetenzen besorgen könnte. Sicherlich kann man sagen, dass die Dienste dann Dinge vor den Kontrolleuren verheimlichen - was offensichtlich auch schon geschehen ist. Aber der BND ist im Bundeskanzleramt aufgehangen, politischer geht es schon fast nicht mehr. Beim NSA-Ausschuss sagten alle Kanzleramtsminister: Davon wusste ich nix. Tja entweder du lügst, oder du gehörst abgesetzt, weil du deinen Laden nicht im Griff hast. Hier ist auch die Exekutive in die Verantwortung zu nehmen. Und zwar auf höchster Ebene. Dazu kommt, dass auch das PKGr sich vielleicht um eine vertrauensvolle Zusammenarbeit bemühen sollte. Wenn letzte Woche eine geheime Sondersitzung anberaumt wird, um sich zu den MAD-Ermittlungen beim KSK informieren zu lassen, und diese Informationen zu laufenden Ermittlungen(!!!) am nächsten morgen brühwarm bei SPON stehen, würde ichs als Mitarbeiter im MAD auch in die Tischkante beißen…
Ich stimme meinem Vorredner zumindest zu, dass von den 10.000 Nachrichtendienstlern in Deutschland, nicht jeder morgens aufwacht, mit dem felsenfesten Vorhaben, Grundrechte zu brechen und Politikern Kinderpornos unterzujubeln. Man muss am System ansetzen.
Der im letzten Verfahren vor dem Verfassungsgericht vorgetragene britische Weg zur Kontrolle hat mich im Übrigen sehr verwundert. Das wäre ein de facto Rückschritt, von unserem im europäischen Vergleich ausgesprochen guten Kontrollregime. In Großbrittanien bestimmt der Premier die Mitglieder der Kontrolle, nimmt deren Bericht entgegen, und entscheidet dann, was er davon vielleicht dem Parlament sagen möchte. Außerdem haben die Kontrolleure keine so weitgehenden Zutritts- und Zugriffsrechte und die Dienste keine Pflicht, alle Informationen herauszugeben. Da hätte eine bessere Sachlage der Betrachtung sicherlich auch gut getan.
Der andere Punkt geht um den Trojaner an sich: Man fordert von den Verfassungsschutzämtern, dass diese die hochumstrittene V-Mann-Führung verringern oder beenden. Warum? Weil diese besonders schwer zu kontrollieren ist und weil man eventuell Geld an die Gruppierungen zahlt, die man eigentlich bekämpfen will. Dazu kommen noch die Probleme in Straf- oder Verbotsverfahren. Wenn man aber trotzdem, gerade heute, wo man Extremismus, insbesondere Rechtsextremismsus als gravierendes Problem unser Gesellschaft ausmacht, gegen die sich auch unsere Demokratie wehren muss, bekämpfen möchte, halte ich es für sinnvoll, andere Mittel an die Hand zu geben. Ich denke der Einsatz von Staatstrojanern wäre zumindest besser dokumentier- und kontrollierbar, als die Führung von V-Männern. Dazu bin ich mir sicher, dass der Einsatz von solchen Trojanern, von der G10-Kommission genehmigt werden müsste. Das Argument, dass die Dienste das heimlich machen, ohne die Kommission zu fragen, ließe sich auch für das BKA übernehmen, halte ich also nicht für stichhaltig.
Dennoch schlagt ihr vor, „lasst es das BKA machen“, weil ihr behauptet, dass das besser kontrollierbar sei. Mag sein, ich halte den Vorschlag aus demokratischer Perspektive aber für extrem kritisch. Ich halte den allierten Polizeibrief von 1949 auch heute noch für ein zentral wichtiges Dokument. Das Ziel war es, dass in Deutschland nie wieder eine GeStaPo agieren darf. Daher sind polizeiliche und nachrichtendienstliche Mittel, Fähigkeiten und Befugnisse stark voneinander zu trennen. Ich hielte es für skandalös, wenn das BKA immer weiter ins Vorfeld von Straftaten und anlassunabhängig ermitteln dürfte, insbesondere mit solchen Mitteln und insbesondere, wenn es um die „Gesinnung“ geht. Will man die Nachrichtendienste abschaffen, dann würde man entweder die Polizeien (das Bayrische Polizeigesetz driftet auch schon extrem in die Richtung, was von Bürgerrechtlern massiv kritisiert wird) zu Superbehörden machen, oder eine Erkenntnislücke schaffen. Ich halte beides für kritisch.
Ich würde mich freuen, wenn ihr also demnächst eine Reflexion über die Kontrolle der Nachrichtendienste in Deutschland vornähmet. Darüberhinaus, kann man diskutieren, ob man Nachrichtendienste in der deutschen Demokratie braucht oder nicht (ohne die aktuellen Skandale zu bewerten) und wenn man zu dem Schluss kommt, ja ist sinnvoll (so wie ich das vor dem Hintergrund des Polizeibriefs und gefährlichem Extremismus in Deutschland sehe), wie sollten diese ausgestaltet sein? Weil bisher ist eure Diskussion zu diesen Gesichtspunkten nicht konstruktiv, was sie von fast all euren anderen Beiträgen abhebt.
Vielen Dank und schöne Sommerpause!