Schließung der Impfzentren

Ihr habt in der aktuellen Lage darauf hingewiesen, daß für Erreichen der Herdenimmunität niedigschwellige Impfangebote nötig sind, um so schnell wie möglich so viele Menschen wie möglich zu impfen. Das ist soweit logisch und sollte auch jedem einleuchten.

Dem gegenüber stehen aber Bestrebungen, die Impfzentren möglichst schnell wieder zu schließen. Hier in Hamburg haben wir nun die absurde Situation, daß die Sozialbehörde das einzige Impfzentrum der Stadt gegen Ende Juli schließen will (d.h. die letzte dort verabreichte Erstimpfung wäre dann Mitte Juni - also schon in gut einem Monat) - während aktuell noch nicht mal alle Priogruppen aufgerufen sind (geschweige denn durchgeimpft!) (MOPO-Artikel).

Die Lage in den hiesigen Arztpraxen ist chaotisch, sie sind komplett überlastet und i.d.R. nur bereit, die „eigenen“ Patienten zu berücksichtigen - wenn sie denn überhaupt impfen, was längst nicht alle machen.

Auch in anderen Bundesländern wurde schon angeregt, die Impfzentren zu schließen - Sachsen ist ein Beispiel, wobei sich AFAIK die Landesregierung nun doch dagegen entschieden hat.

Hintergrund für Schließungspläne sind wohl zum Einen die hohen laufenden Kosten der Impfzentren (wobei man sich fragen muß, ob es nicht viel teurer wird, wenn Millionen Menschen länger als nötig ungeimpft sind, sich und andere anstecken und krank werden?) - zum Anderen der Lobbyismus der kassenärztlichen Vereinigungen - wobei ich Letzteres auch nicht wirklich verstehe, weil es den Arztpraxen auch lieber wäre, wenn die Menschen möglichst ins Impfzentrum gehen.

Schließlich sitzt man hier als Ungeimpfter, Unpriorisierter, der sich seit über 1 Jahr vernünftig und vorsichtig verhalten, und auch nicht versucht hat, sich über Tricks und Schlupflöcher bei der Impfung vorzudrängeln. Dass dann die Möglichkeit, endlich die rettende Spritze zu bekommen, so kurz bevor man „dran“ wäre, nun wieder weggenommen werden soll - das macht extrem schwermütig und den letzten Rest Solidarität zunichte.

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NRW macht sie bald zu:

Ich glaube, dass du das missverstanden hast. Ich lese das so, dass die für Impfzentren freigegebenen Teile der Gruppe 3 nun nicht mehr die ü60 ohne berufliche Indikation umfassen, weil man die in der Gruppe 3 in NRW noch gar nicht zu Impfzentren zugelassen hat (und das jetzt wohl auch nicht mehr tun wird). Es gab eine Zeit lang ein Sonderprogramm zur ü60-Impfung mit AZ das parallel zur Impfung der ü70 aus Gruppe 2 lief, das ist inzwischen aber beendet.

NRW fährt eine sehr komplizierte Strategie mit den Impfzentren, bei der immer nur kleine Teile der großen Gruppen 1,2,3 jeweils zur Anmeldung freigegeben werden. Aktuell z.B. nur bestimmte Berufe aus Gruppe 3, nicht alle Berufe die grundsätzlich in diese Gruppe fallen. Es wird also quasi nochmal kleinteiliger priorisiert. Das ist so kompliziert und ändert sich auch ständig dass es enorm schwer ist, in NRW den Überblick zu behalten. Wichtig ist nur: das gilt nicht für die Hausärzte! Die bekommen ganze Gruppen en bloc „freigegeben“ bzw. können sich in eigenem Ermessen auch komplett über die Gruppenprioritäten hinwegsetzen.

Achso, vielen Dank! Da war ich zu vorschnell. Ich hatte von „Prio 3 nicht mehr, außer Berufe“ auf eine anschließende Schließung geschlossen.

Es scheint in der Tat nicht ausgeschlossen, dass nach den Prio-3-Berufsgrupplern die Prio 4 in den Impfzentren drankommt – oder so.

Bei der Finanzierung geht das LMG von einem Zeitraum bis September aus, laut Bild-Zeitung.

Nichtsdestominder: Neben einer offiziellen Schließung sollte die Öffentlichkeit auch eine schleichende bzw. verdeckte Schließung im Blick haben, d. h. soweit die Impfzentren weniger impfen, als sie können bzw. sollten.

Sobald Prio 1–3 versorgt sind, sind die Praxen vielleicht sogar sinnvoller. Denn was Termine in IZ angeht, wäre die mW (fast) alleinige „Priorisierung“ dann noch, wer schneller klickt.

Wir brauchen beides - Praxen UND Impfzentren. Die Praxen werden es alleine nicht schaffen. Sie sind JETZT SCHON komplett ausgelastet, während die IZ noch offen sind! Vor dem Hintergrund, möglichst schnell eine Herdenimmunität erreichen zu wollen, sind jegliche Schließungspläne Wahnsinn.

Bei Wegfall von Impfzentren und Priorisierung fällt jeglicher systematische Vergabeprozess weg, und damit läuft die Selektion nur noch darüber, wer am besten sozial vernetzt ist, und wer am penetrantesten die Arztpraxen zuspammt. Da erscheint mir die Selektion nach „schneller klicken“ noch vergleichsweise fair. Zumindest sollte man beides aufrecht erhalten, damit Menschen, die keinen Hausarzt haben (oder deren Hausarzt nicht impft!), nicht komplett hinten runterfallen.

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Das ist ein superwichtiger Punkt, der in letzter Zeit selten in Diskussionen beachtet wird. Nicht jeder - gerade bei jüngeren, gesunden Menschen - hat überhaupt einen Hausarzt, geschweige denn mehrere! Aktuell läuft die Selektion bei den Arztimpfungen daher zu großen Teilen darüber, bei wie vielen Ärzten man in den letzten Jahren mal zumindest einmal vorstellig geworden und somit in die Kartei gewandert ist. Die chronischen Ärztehopper, die immer über irgendein Wehwehchen jammern und damit alle Ärzte in der Umgebung durchprobiert haben, sind dadurch gegenüber denen, die schlicht jahrelang keinen echten Bedarf an ärztlicher Behandlung hatten und auch kein Interesse verspürten, wegen irgendwelchen sich meist selbst heilenden Alltagsärgernissen Wartezimmer zu besichtigen, deutlich im Vorteil, weil erstere sich aktuell gleichzeitig auf mehrere Wartelisten setzen und das früheste Angebot abpassen können. Mag jetzt hier etwas überspitzt formuliert sein, aber ich kenne mehrere entsprechende Beispiele persönlich und sehe auch, dass diese Taktik in der Praxis die Terminfindung tatsächlich signifikant beschleunigt.

Impfzentren könnten einen Ausweg aus dieser Lage bieten für diejenigen, die dieses Spielchen nicht mitspielen können. Aber auch nur, wenn man sie weiter betreibt und die Terminvergabe zugänglich hält für diejenigen, die sonst im Gesundheitssystem im Wesentlichen Versicherungsbeiträge zahlen ohne großartig Leistungen abzurufen - und das heißt meiner Erfahrung nach vor allem keine Hürden durch nötigen Kontakt zu Ärzten, Telefonhotlines, etc., diese Klientel bucht sich Termine am liebsten online in vollautomatisierten Prozessen ohne Interaktion mit Menschen. Alternativ gingen sicher auch niedrigschwellige Walk-In-Angebote z.B. beim schon mehrfach erwähnten schwedischen Möbelhaus, aber das ist wohl eher was für die Zeit, wenn mehr Impfstoff als Interessenten da ist.

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Hinzu kommt dass nach aktuellem Wissen der schutz der Impfung maxmal 9 Monate anhält. Sollte also, wie zu befürchten ist, der Covid-19 Virus Anfang nächsten Jahres immer noch imgeht, dann müssen wieder alle Menschen neu geimpft werden. Ob das ohne Impfzentren geht, ist doch arg fragwürdig.

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Am Ende liegt es doch eh wieder nur am Geld:

https://www.merkur.de/welt/coronavirus-impfungen-hausarzt-termine-impfstoff-biontech-astrazeneca-soeder-kosten-praxis-priosirisierung-90315396.

Welche Kosten kommen auf die Patienten zu?
Mutmaßlich gar keine. Für eine Corona-Impfung inklusive Aufklärung und Beratung ist zwar eine Vergütung von 20 Euro für den Arzt vorgesehen. Diese Kosten können die Praxen jedoch sowohl bei gesetzlich wie bei privat Versicherten über die Kassenärztlichen Vereinigungen abrechnen. Für die Kosten will der Bund aufkommen. Einkalkuliert sind dafür 1,5 Milliarden Euro, wie aus einer Vorlage des hervorgeht.

https://www.mdr.de/nachrichten/sachsen/hohe-impfhonorare-aerzte-kritik-interview-kugler-100.html

Vergleichsebenen
Ein Hausarzt verdient im Normalbetrieb etwa 5.000 bis 6.000 Euro netto im Monat. Bei einer 40-Stunden-Woche im Impfzentrum ergäbe sich ein Bruttoarbeitslohn von 28.000 Euro pro Monat. Ein Oberarzt geht je nach Berufserfahrung mit rund 8.000 Euro brutto nach Hause.
Die Kassenärztliche Vereinigung hat die Impfhonorare zusammen mit dem Land ausgehandelt. Gedeckt werden sie aus Steuergeldern – die Hälfte übernimmt der Bund.

Wie ich das einschätze, werden die Zentren versucht so schnell wie möglich zu schließen um (Steuer) Geld zu sparen. Was einerseits löblich ist, andererseits für viele wie mich, Anfang 30, gesund, männlich und quasi ohne Hausarzt, es einfach nur erschwert an eine Impfung zu kommen.

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Kurzauswertung Welle 42 | COSMO

Sehr relevant wird vermutlich das Impfen am Arbeitsplatz und im Bildungssektor – so können große Gruppen mit vielen Kontakten erreicht werden und der Aufwand, an eine Impfung zu kommen, wird reduziert.

Fände ich gut, denn am Ende der Impfkampagne wird der Wille zur Impfung der limitierende Faktor sein.


Das klingt plausibel. Was ich nicht verstehe: Wieso wettern die KVen dann gegen die Impfzentren – wenn die Ärzte dort mehr verdienen?


Mit der Aussage war ich wohl auch zu vorschnell.

Also, das Problem der Praxisimpfung sind mMn, ziemlich offensichtlich,

Bei den IZ kann man eher von einer Geordnetheit, einer Regelmäßigkeit ausgehen. Die Transparenz ist aber auch bei den IZ ein Problem, wenn man genauer hinsieht.

Jedenfalls, es geht nicht nur nach dem Recht des schnelleren Zeigefingers – auch dann nicht, wenn Prios 1–3 versorgt sind. Der wahre Algorithmus ist von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich, nicht so richtig bekannt, und vermutlich nicht optimal.

Aufs ökonomische reduziert:
Weil die nur die Kassenärzte vertreten. In den IZ arbeiten aber auch andere Ärzte.

Und nicht überall wird ganz so viel bezahlt. 120 Euro/h habe ich anderswo gelesen, 150 mit MFA.