Russlands Finanzierung des Ukraine-Kriegs

Vielen Dank für die Beiträge über den Ukraine Krieg in den letzten Ausgaben. Es war sehr interessant, und eine solche klare und direkte Aussage wie von Franziska Davies über die Lage in der Ukraine hört man heute verstörenderweise nur noch selten.
Bezüglich der Einschätzung der Geheimdienst-Chefs hätte mich Folgendes interessiert: Wie kann Russland nach Jahren der wirtschaftlichen Isolation und des Stellungskrieges noch weitere Kriegsmittel gegen den Westen bereitstellen? Müsste es nicht schon längst ausgeblutet sein? Haben die westlichen Blockaden eigentlich überhaupt etwas gebracht?
Das wären interessante Fragen, die man mal mit gewohnter Gründlichkeit im Podcast behandeln kann.

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Eine industrielle Gesellschaft bewegt im Normalzustand extrem viele Ressourcen. Wenn so eine Gesellschaft auf Luxus wie Konsumgüter weitgehend zu verzichten bereit ist, die eigenen Unternehmen massiv enteignet etc. verteilt sie eben sehr viele Ressourcen in die Kriegsproduktion um. Das können solche Gesellschaften extrem lange. „Ausbluten“ suggeriert ja, dass man quasi in die Vorratskammer geht und da ist einfach nichts mehr. Das war im 2. Weltkrieg hinsichtlich der Rüstungsproduktion bspw in Deutschland erst wirklich kurz vor Schluss in größerem Umfang der Fall. Der Höhepunkt der Produktion wurde knapp ein Jahr vor Kriegsende erreicht (zu den allgemeinen Mechanismen in einer Industriegesellschaft im Krieg und warum die weder in der Ukraine noch in Russland zusammenbricht, kann ich diese ppt Präsentation empfehlen, https://www.youtube.com/watch?v=Q9w17Ne1S0M.)
Russland steht bei allen Sanktionen nicht annähernd unter vergleichbarem Druck. Die Erwartung, dass die russische Wirtschaft also spontan zusammenbricht, oder die Rüstungsproduktion in entscheidenden Bereichen plötzlich abreisst, ist deswegen übertrieben oder vielmehr von westlichen Wertungen geprägt. Unsere Gesellschaften wären für einen vergleichbaren Angriff überhaupt nur dann zu haben, wenn er sehr schnell und ohne nennenswerte Verluste verliefe. Verluste wie die russischen in einem Monat haben und eine Wirtschaftslage wie in Russland in den letzten Monaten wären hier sofort Gründe, so einen Feldzug zu beenden. Da sind die Prioritäten in der russischen Führung und Bevölkerung aber schlicht andere als bei uns.

Ja, auf jeden Fall. An vielen Stellen der Produktionsketten sind die Kosten für Russland durch die Sanktionen extrem hoch, auch wenn das auf den ersten Blick nicht so sichtbar sein mag. Der Gasexport nach Europa ist schwer ersetzbar, bei allem, was an Rohstoffen verkauft wird, muss man erheblich niedrigere Preise nehmen, als ohne Sanktionen der Fall wäre, viel Technik kommt zwar noch nach Russland, aber auf teureren Wegen. Man kann Sanktionen meistens umgehen, es kostet halt nur jedes Mal Geld und das summiert sich. Einen Hinweis auf die tatsächliche Lage kann man daraus entnehmen, welche Wirtschaftsdaten die russische Regierung lieber nicht mehr veröffentlicht und selbst die, die veröffentlicht werden, sind teils offensichtlich gefälscht oder zeigen ein einigermaßen mieses Bild und noch finsterere Zukunftsaussichten. So sind etwa massive Kapitalmarktkontrollen in Kraft, um die Währung zu stabilisieren, Unternehmen werden gezwungen, erhebliche Teile ihres Kapitals in den Staatshaushalt zu übertragen etc. Natürlich wirken die Gegenmaßnahmen, aber sie verursachen eben auch massiven Kosten. Wie nah sich die russische Ökonomie am Limit bewegt, sieht man auch in Berichten der russischen Zentralbank, die u.a. auf annähernd Vollbeschäftigung und Überhitzungsrisiken hinweist. Aber auch das funktioniert nur begrenzt und zu hohen Kosten, die man durch solche Maßnahmen einfach etwas in die Zukunft verschiebt. Und der Großteil dieser Produktionsleistung fließt in Waffen, ist also für die Volkswirtschaft abseits des Krieges mehr oder weniger verloren und steht nicht für Konsum, Innovationen, Infrastruktur zur Verfügung. Sehr detailliert dazu: https://www.youtube.com/watch?v=8tHkwLSS-DE

Selbst wenn es am Ende so ausgeht, dass Russland die Ukraine besetzt und es dort nicht zu Dekaden von Partisanenkrieg und Terror kommen würde, werden sie aller Voraussicht nach nicht mehr in diesem Jahrhundert die (materiellen) Kosten für diesen Feldzug aus den eroberten Gebieten holen können Je harscher die Sanktionen, desto teurer wird es unter dem Strich, was auch einen Teil zur Verteidigung durch Abschreckung beiträgt, selbst wenn Russland auf dem Schlachtfeld gewinnen sollte. Die Frage muss also auf jeden Fall lauten, „Wieviel und was genau bringen die westlichen Sanktionen?“. Dass sie etwas bringen, kann man kurz mit „Ja“ beantworten.

Kommentar Mod: Die Identität des Bloggers Perun ist wohl unbekannt. Es scheint ein australischer Gamer zu sein, der sich zu einer Art „Experten“ für dieses Thema (Ukrainekrieg) entwickelt hat. Unter dem zweiten Video sind auf jeden Fall Quellenangaben. Macht euch selbst ein Bild.

Die Sanktionen bringen was, wurden von Russland aber immer weiter ausgehebelt. Man hat sich drauf eingestellt, wie JohanneSAC schon schreibt, zwar zu höheren Kosten, aber man hat sich „arrangiert“.

Russland ist her seines eigenen Geldes. Es kann also Geld drucken, um im Inland zu produzieren, so lange es nicht viel aus dem Ausland einkaufen muss. Dass das nicht unbegrenzt geht zeigt die Inlation, die man durch höhere Steuern begrenzen will. Auch höhere Gehälter aufgrund Vollbeschäftigung führen zu mehr Inflation.
Gleichzeitig hat Russland auch hohe Goldreserven, um Defizite auszugleichen. Und beschafft sich wohl neues Gold in Afrika, ein Grund für das Engagement dort.

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Den Hinweis finde ich gut. Die Einordnung finde ich nicht so treffend. (Ich weiß aber nicht, ob das hierher gehört)
Ich bin auf Perun aufmerksam geworden, weil eins seiner ersten Videos zu Rüstungsthemen „All bling no basics“ in den Quellen der Lage-Folge 286 auftauchte. Der hält seine Person zwar anonym und hat auch einen gaming-channel, aber „Gamer“ beschreibt ihn nicht zutreffend. Er selbst sagt, dass er im Bereich Rüstung und Beschaffungswesen arbeitet in Australien arbeitet und das zeigt sich auch in einigen seiner Videos thematisch und fachlich, wenn es nur um Prinzipien von Beschaffungspolitik geht. Solche Videos veröffentlicht er auf einem vom gaming-channel getrennten Kanal seit über 2 Jahren. Zuletzt war er auf der Kadex in Korea auch mit einer Pressefreigabe, er hat längere Interviews, unter anderem mit dem US General Ben Hodges geführt und nutzt als Quellen, soweit ich das verfolge, durchgängig transparent dokumentierte, seriöse Materialien und da, wo die fehlen und er deswegen auf Schätzungen oder schlechte Quellen zurückgreift, weist er darauf hin. Ein Video, dass ich fachlich und hinsichtlich der Quellenbasis nicht bedenkenlos in jede thematisch passende Univeranstaltung mitnehmen könnte, ist mir bisher nicht aufgefallen.

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Ein konkretes Beispiel dafür, dass etwas faul ist, in der russischen Ökonomie: offiziell liegt die Inflation bei 8%, die Zinsen der Zentralbank sind aber grade auf 21% erhöht worden. Wenn man sich anschaut, wie das Zinsniveau in westlichen Staaten im Verhältnis zur Inflation liegt, fällt auf, dass die Zinsen meist deutlich unterhalb oder in der Nähe der Inflation pendeln.

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Vielen Dank für die detaillierte Antwort. Mich würde aber eigentlich eher interessieren, warum die drei Geheimdienstchefs geeinigt in Russland eine so große Gefahr sehen. Das wäre vielleicht noch mal ein Thema für den Podcast. Den ganzen vorgebrachten Argumenten zufolge müsste sich das Thema „Russland“ bald selbst erledigen, und Geheimdienstchefs werden auf derartige Informationen noch detaillierter und vielfältiger Zugriff haben.

Tut mir leid, dass ich da ein bisschen auf die Zehen treten muss, ich finde die Frage aber nicht unwichtig. Warum wird Russland noch von den Geheimdiensten als gefährlich eingestuft, wenn die Wirtschaft bereits am Boden sein sollte?

Schließt sich das aus?

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Gegenfrage, warum wird Nordkorea als gefährlich eingestuft, wo doch die Wirtschaft im grunde als unbefindlich einzustufen ist und die Bevölkerung hungert?

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Kurze Antwort: Dinge kaputt machen ist relativ leicht und billig.

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Ja :slightly_smiling_face:
Um eine militärische Gefahr darzustellen, benötigt man Rüstungsgüter, die nur mit einer guten Wirtschaft hergestellt werden können. Das war doch der Sinn der Wirtschaftssanktionen.

Aber ich denke, da werden wir wohl keine Antwort finden…

Solange Russland Staaten findet, die ihnen Kredite geben, dreht das Rad sich weiter. Es werden gerade Abhängigkeiten neu ausgehandelt.
Aber es ist halt immer so, dass wer seine Seele verkauft, irgendwann diese auch eingefordert wird.

Ich denke, das reicht als Themenvorschlag. Ich mache dann mal zu.

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