Rücktrittsforderungen an Nancy Faeser aufgrund eines Beitrags beim VVN-BdA

Am Wochenende ist Twitter zu diesem Thema völlig explodiert, im Mainstream wurde es aber nach meinen Beobachtungen nur sehr einseitig beleuchtet, daher dieser Themenvorschlag. Habe auch den ein oder anderen Tweet von @vieuxrenard zu dem Thema gesehen, gehe also schon fast davon aus dass es in der nächsten Lage einen Platz finden wird.

Was ist passiert?

Unter dem Titel „Publizistische Ausflüge von SPD Politikern - Nancy Faeser und die Antifa“ titelte die Junge Freiheit, einen Tag später übernahmen die AfD Kompakt mit „Innenministerin Faeser (SPD) schrieb für linksextreme Antifa-Zeitschrift!“ und die BILD mit „Sie schrieb für ein Verfassungsfeindliches Blatt - Faeser in Erklärungsnot“ das Thema.

Darin wird Faeser vorgeworfen sie hätte im Sommer für eine linksextreme, verfassungsfeindliche Antifa-Zeitschrift einen Gastbeitrag geschrieben.
Der Beitrag existiert auch, am 03.07.2021 schrieb Faeser unter dem Titel „NSU 2.0 aufgeklärt?“ im Magazin „antifa“, welches vom Verein „ VVN-BdA - Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten e. V.“ herausgegeben wurde.

Der Beitrag ist hier nachzulesen:

Kurz darauf folgten Rücktrittsforderungen aus Reihen der CSU:

„Der Vorgang sei „in höchster Weise kritikwürdig und nicht akzeptabel", sagte Mayer […] Auch wenn ich der heutigen Bundesinnenministerin nicht unterstellen will. daß sie selbst der Antifa nahesteht, war es zumindest außerordentlich instinktlos und unbedacht, sich als Autorin im Verbandsmagazin antifa zu äußern", ergänzte der CSU-Bundestagsabgeordnete“,

passenderweise publiziert im rechten Magazin Junge Freiheit. (Was meines Erachtens bei dem Vorwurf der größte Witz überhaupt ist).

Bei dem Thema darf die Welt mit ihrem Chefredakteur natürlich nicht fehlen und ist sofort zur Stelle um mit Hufeisen zu werfen und Holocaust-Überlebende als linksextrem darzustellen und natürlich den ÖRR als Sprachrohr der Linken zu Labeln:

„Da müssen sich, unbescholtene Bundeswehr-Offiziere wie Marcel Bohnert von super Holocaust-Überlebenden und deren PR-Abteilungen in der ARD in die braune Ecke treiben lassen, jedem Corona-Demonstranten wird die Nähe zu mitlaufenden irren Rechtsradikalen angekreidet, aber links gibt es kaum Abgrenzungen zu verfassungsfeindlichen Rändern.“

Kurz nach der Veröffentlichung ruderte die Welt dann zurück und behauptet, dass bei der Digitalisierung eines Kommentars aus „superlinken Aktivistinnen“ dann „super Holocaust-Überlebende“ geworden sei.
Ob man das glaubt sei jedem selbst überlassen.

Das ganze Thema ist in diesem Thread von Stephan Anpalagan meines Erachtens recht gut zusammengefasst:

Faeser meldete ich via Twitter auch noch zu Wort und betonte weiterhin gegen Rechtsextremismus vorzugehen:

Ich finde das ganze Thema kommentiert sich auf ironischste Weise komplett von selbst und ist aber dennoch wichtiger denn je. Politiker fordern in Verfassungsfeindlichen Blättern auf, dass sich eine Politikerin nicht in verfassungsfeindlichen Blättern äußern dürfe. Meines Erachtens erleben wir gerade auf großer Bühne wie rechtes Gedankengut wieder salonfähig gemacht wird, wie Skandale heraufbeschworen werden und wie sich die üblichen „Zeitungen“ inkl. Chefetage zum Steigbügelhalter machen.
Erinnert sich noch jemand an die „Vogelschiss“-Aussage Gaulands und wie empört damals alle waren? Ich finde das hier ist etwa das gleiche Level. Nur kommt es jetzt aus der CDU und Massenmedien und kaum jemanden scheint es zu interessieren.
Daran angeknüpft frage ich mich, wie das in 4-8 Jahren aussehen soll. Seit der Wahl ist die CDU so weit nach rechts gerückt und bietet damit der AfD noch mehr Chance noch viel extremer zu werden, dass ich ehrlich gesagt so langsam etwas Sorge um die Zukunft des Landes habe.

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Danke Lukas, ein sehr wichtiger Beitrag! Es fehlt noch der Aspekt, dass der VVN-BdA ein Verband von überwiegend nichtjüdischen NS-Opfern ist … und wer hält den für linksextrem? Nicht etwa eine belastbare Studie oder gar renommierte Wissenschaftler:innen, sondern allein der bayerische sogenannte „Verfassungsschutz“ - also genau die Gurkentruppe, die nach dem Zweiten Weltkrieg zu guten Teilen von Nationalsozialisten aufgebaut wurde, wenig überraschend seit jeher einen deutlichen Rechtsdrall zeigt und weder NSU noch NSU 2.0 auf dem Schirm hatte, aber dafür eine feine Antenne dafür, wann ihr etwas „zu links“ ist.

Kurzfassung: Behörde mit Rechtsdrall kennzeichnet NS-Opfer-Verein als linksextrem, daraufhin wirf ein rechtsextremes Medium der Innenministerin vor, in deren Blatt einen Gastbeitrag veröffentlicht zu haben - und Springer-Presse und Union basteln daraus Rücktrittsforderungen. Das ist in der Tat mehr als besorgniserregend.

Hier noch meine Kommentare auf Twitter dazu:

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Danke für die Ergänzungen @vieuxrenard ich hatte mich mit dem Bayrischen Verfassungsschutz vorhin aus Zeitgründen nicht auseinandergesetzt und wollte tendenziöse Unterstellungen im Aufmacher vermeiden, daher danke für den Input!

Tut mir leid, aber ich muss das gerade nochmal in Worte fassen, weil es mich so schockiert. Wirft man hier allen ernstes Opfern des NS-Regimes vor, linksextrem zu sein? Ist man linksextrem, wenn man einen Genozid überlebt hat und nun in einem Verein Stellung bezieht, dass sowas nie wieder passiert?
Um Rezo zu zitieren: „Ganz großes Uff.“

Das ganze kann man eigentlich nur noch unter „vollkommen Absurd“ Labeln und beschreibt zu gut was wir für ein Problem im Land haben.

Mir fehlen wirklich die Worte dazu, freue mich auf den Beitrag diese Woche von euch und ggf. weitere Infos hier im Forum, die ich übersehen habe.

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nein, so weit geht offenbar nicht mal der VS, aber sie ziehen sich daran hoch, dass im VVN auch Menschen aktiv seien, die sich als Kommunisten bezeichnen, es gibt auch wohl einzelne personelle Überschneidungen mit der DKP - die aber ja eine legale Partei ist.

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Es gibt mittlerweile detailliertere Analysen zu dem Digitalisierungsfehler. Es scheint sich offenbar tatsächlich um einen Bedienungsfehler handeln zu können, allerdings zufälligerweise an unglaublich brisanter Stelle.
Ich (und das halbe Internet) hatte erst angenommen das Poschardt mal wieder einen rausgehauen hat, was ihm dann doch zu heiß wurde und er eine Ausrede brauchte.

Finde es immer noch etwas shady, aber dann ist es hier wenigstens genannt und es werden keine Tatsachen verdreht.

Nachdem jetzt ein paar Tage ins Land gegangen sind ist mehr oder weniger das eingetreten, was ich schon dunkel vermutet habe.

Poschardt hat mit seinem „Kommentar“ einen weiteren Tabubruch begangen (vermutlich genau so geplant), so dass jetzt auch andere „Journalisten“ aus ihren Löchern kommen und sich jetzt trauen ähnlichen Schwachsinn zu kommentieren oder publizieren. Dabei fällt ein deutlicher Rechtsdrall der Äußerungen auf.

Auf einmal ist es legitim über Judensterne auf Impfgegner-Demos zu reden und in Frage zu stellen ob es überhaupt antisemitisch ist diese zu verwenden. Man kann unwidersprochen behaupten dass Hitler den Sozialstaat erfunden habe und dass das ganze Thema ja nur nicht komplett durch die Medien gegangen sei, weil die Linke „Woke-Bubble“ Holocaust Überlebende eigentlich gar nicht schützenswert findet.

Lesenswert finde ich dazu auch diesen Thread:

Ich finde es sehr bedenklich wie Medien, besonders der Springer-Verlag immer weiter nach rechts umkippen und sich inkl. der Chefredakteure zum Sprachrohr der neuen Rechten wandelt, vermutlich sogar aus vollkommen freiem Willen.

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