Hallo ihr lieben! Habt ihr von den Vorkommnissen beim Spiel Rostock gegen Pauli am letzten Wochenende gehört? Dort wurde ein Banner mit Plattenbauten in Rostock präsentiert auf dem auch das Sonnenblumen-Haus (Lichtenhagen) zu sehen war. Hinter diesem stiegt schwarzer Rauch auf. Ich finde das ist durchaus etwas über das man diskutieren kann. Was meint ihr? Grüße Rebecca
Aus meiner Sicht war diese Aktion ganz klar rassistisch und verleugnend/die Opfer verhöhnend und ich würde mir wünschen, dass diese Fans strafrechtlich verfolgt würden.
Puh, ich würde mir mehr Infos wünschen, bevor ich das ausreichend interpretieren kann. Aber nachdem ich ein Video als Primärquelle herangezogen habe, fällt die vorläufige Einschätzung sehr düster aus.
Aus der Empfängerperspektive sieht die Kombination des Hauses, das Objekt eines rassistischen Brandanschlags war, auf dem Banner mit dem Rauch dahinter, natürlich wie eine glorifizierende Anspielung auf den Anschlag aus. Grundsätzlich wäre es ohne weitere Hinweise auch möglich, dass diese Wirkung nicht mitbedacht wurde (was auf eigene Weise problematisch wäre, wie vom FC St. Pauli kommentiert: da darf es keine Doppeldeutigkeit geben).
Was spricht für Versehen?
Die Fans kommen laut Verein selbst in Teilen aus dem Viertel und nutzen das Sonnenblumenhaus als Identifikationssymbol (ich konnte beim schnellen Googeln keine „offizielle“ Seite der Gruppe finden, aber hier sieht man auch ein anderes Banner mit Bezug zum Sonnenblumenhaus ohne Rauch). Warum sollten sie daran symbolische Gewalt verüben wollen? Oder ist bekannt, dass die Identifikation mit dem Haus eigentlich auf Identifikation mit dem Anschlag zurückgeht?
Was spricht für absichtliche symbolische Gewalt?
Der Rauch kam nicht von irgendwo oder wie im Ausgangspost beschrieben von hinter dem Banner, sondern teilweise von unter dem Banner, sodass es den Eindruck macht, er komme aus den Fenstern.
Der Gegner. Der FCSP ist als weltoffener, linker Verein mit ungewöhnlich klarer politischer Haltung in der Fußballwelt bekannt. Wenn man in rassistischer Absicht provozieren will, dann dort.
Ich spekuliere ein wenig bzw. äußere Interpretationen, die etwas weitgreifender sind und für die ich keine konkreten Quellen zur Hand habe:
Die Rostocker Fans lachen sich, unabhängig von einer möglichen rassistischen und gewaltverherrlichenden Absicht, vermutlich ins Fäustchen, dass sie es geschafft haben, damit eine so große Wirkung zu erzielen. Manchen Leuten geht’s doch nur darum, möglichst „Wessis“ zu provozieren und winzige Stiche gegen die wahrgenommene diskursive Dominanz Westdeutschlands und die damit assoziierte politischen Korrektheit (für die St. Pauli hier als Stellvertreter genommen wird) zu setzen. Rassistische Gewalt ist dann gern genommenes Mittel zum Zweck, was für sich genommen gruselig genug ist. Das wird man aber nicht durch die Ächtung solcher Tabubrüche allein verhindern können, sondern man muss es irgendwie schaffen, dass die Menschen einen Selbstwert und vielleicht eine positive Identität entwickeln können, die nicht auf solch aggressiver Ablehnung der „Anderen“ (in diesem Fall Nicht-Deutsche und Westdeutsche) gebaut ist.
Klar dass es zu der Gruppe keine Seite gibt. Wenn man mal zu der Zeit in Rostock war wenn Fußball ist, weiß man was Sache ist. Je Aufarbeitung des Vereins ist auch wirklich fragwürdig. Eine Distanz wird da nicht wirklich hergestellt. Klar dass Fans auch aus der Gegend kommen trotzdem finde ich es schwierig.
Es gibt in Rostock-Lichtenhagen und den angrenzenden Stadtteilen Hunderte Plattenbauten. Warum sich also ausgerechnet auf das Sonnenblumenhaus beziehen, von dem jedes Kind weiß - erst recht dort - dass es ein Symbol für eines der größten rassistischen Pogrome der 1990er Jahre ist? Selbst wenn es „nur“ der Wunsch ist, maximal zu provizieren, ist es schon schlimm genug.
Das ist eine gute Frage: Um zu provozieren? Weil sie es können? Weil sie es richtig fanden? Das werden wir wohl nie erfahren, aber mir wäre auch deutlich lieber, dass sie sowas einfach nicht mehr machen, zumindest nicht so öffentlich und nicht ohne dass sie ein klares Stoppschild gezeigt bekommen, und sei es „nur“ vom Verein.
Im Bereich zwischen Südtribüne Rostock und dem Gästeblock provozierten Hansa-Fans gestern noch mit der „Lichtenhagen“-Zaunfahne, die schon mehrfach im Ostseestadion zu sehen war. Das rassistische Pogrom vom 22. bis 26. August 1992 gegen die Zentrale Aufnahmestelle für Asylbewerber sowie ein Wohnheim für ehemalige vietnamesische Vertragsarbeiter im Sonnenblumenhaus von Rostock-Lichtenhagen jährt sich nun zum 30. Mal. Auf der Zaunfahne ist ebenfalls die Sonnenblume des betroffenen Sonnenblumenhauses zu sehen. Faszination Fan-Kurve Hansa Rostock gegen FC St Pauli 21.08.2022