Reichweite von chat gruppen

Liebes Lage Team,
Ich fand eure Schilderung der Probleme rund um große Telegramm Gruppen sehr interessant. Zudem mir die Größe dieser Gruppen nicht bewusst war.
Ich finde euren Lösungsvorschlag den Account zu sperren gut. Bei dem Vorschlag mit automatisierten Antworten habe ich ähnliche Zweifel, wie die, die ihr auch schon nennt. Hier fände ich zumindest einen anderen Ansatz interessant: Die Regulierung über die Reichweite.
Es gibt im deutschen Recht unterschiedliche Gesetze zur Veröffentlichungen (Ich bin leider kein Jurist oder Experte, aber Zeitschriften haben immer einen Verantwortlichen im Sinne des Presserechts) und im Internet gibt es eine Impressumspflicht für Webseitenbetreiber. Kurz um, wenn ich traditionell etwas veröffentliche gibt es zwar keine Klarnamen Pflicht, aber es gibt einen Verantwortlichen. In Bayern muss sogar auf Flyern ein Ansprechpartner stehen.

Eventuell wäre es ja eine Lösung die Notwendigkeit eines Impressums/Ansprechpartner/Verantwortlichen nicht an das Medium bzw. die eingesetzte Technik zu koppeln, sondern an die Reichweite. Beispielhaft eine Nachricht an die Familien Gruppe <100 Teilnehmern wäre privat nur nach Strafrecht reguliert. Eine Nachricht an z.B. 50.000> Menschen würde als Veröffentlichung gelten und somit ein Impressum notwendig machen. Wichtig ist, dass hier die Verantwortung dann inhaltlich zu verstehen ist.

Am Beispiel der Telegramgruppe könnte dies heißen, dass Telegram ein Impressum als Plattformbetreiber hat. Bei großen Gruppen könnte es nun wahlweise einen Gruppenverantworlichen geben, welcher die inhaltliche Verantwortung für jeden Post in der Gruppe übernimmt. Alternativ hätte jeder Account, der in große Gruppen senden darf, ein Impressum.

Wichtig ist mir, dass ein Impressum weniger Eingriff wäre als eine Klarnarmen Pflicht, bei einer Zeitung ist ja auch nur der Redakteure für die Zeitung verantwortlich und ein Leserbrief kann anonym veröffentlicht werden.

viele Grüße
Arne

p.s.: Allein die Größenordnung dieser Gruppen zeigt auch, dass die Verschlüsselung hier keine Probleme macht. Die großen Gruppen leben ja von der Reichweite, welche mit Verschlüsselung nicht zu erreichen ist.

Hallo,

An etwas ähnliches hatte ich auch letztens gedacht.
Ich bin kein Experte, aber ich bin letztens darüber gestolpert, dass z.B. Twitch Streamer ab einer bestimmten Reichweite eine Rundfunklizenz benötigen. Diese soll dafür sorgen, dass bestimmte Auflagen eingehalten werden. Das ist natürlich ein deutsches Phänomen. Aber möglicherweise kann man diesen Gedankengang weiter spinnen.

Zum Thema der automatisierten „Gegenargumente“ muss ich sagen, dass ich skeptisch bin. Dadurch wird ein Instrument geschaffen, dass auch für das Gegenteil verwendet werden kann. Die Überwachung einer solchen kuratierten Liste halte ich für schwierig. Wer sagt denn, dass Telegram nicht auch eigene Inhalte beisteuert? Und kann es dann nicht auch passieren, dass bei einem Beitrag nach dem Motto „Lasst euch impfen!“ ein Schwurbler-Link von einer Fake-News Seite auftaucht.

Ich finde es aber gut, liebes Lage-Team, dass ihr euch eure Gedanken macht und das diese auch außerhalb der „Lage-Bubble“ Gehör finden.

Keep up the good work
Yannick

Was mich ein wenig irritiert hat ist der Punkt „Kanäle wo nur der Autor schreiben kann“ sind gefährlich.
Ich schätze schon länger die Vorzüge von RSS-Feeds für Nachrichten-Abos und ersatzweise Twitter&Mastodon die mir neue Inhalte meiner Lieblings-Autoren direkt auf das Gerät melden wenn es verfügbar ist , wie auch meine neuesten E-Mails ohne mein Zutun direkt bei mir landen.

Wir wollen doch auch positive Verbreitung von Inhalten die sonst zu kurz kommen, die Missstände aufdecken, neue Ideen bringen und freuen uns wenn diese rege geteilt und verbreitet werden.

Klarnamenspflicht halte ich für überflüssig da bei den Schwurbelgruppen um die es ging, die Leute eh stolz ihren echten Namen verwenden und sich auch bei Verkäufen von Drogen, Waffen und gefälschten Impfnachweisen man im realen Leben zur Übergabe treffen muss.

Wenn man diesen Grundsatz (ob mit Grenze 100 potentielle Leser oder 50000) verallgemeinern würde, würde das eine Impressumspflicht für fast alle bedeuten, die etwas in Foren im Internet oder auf einer der großen Plattformen schreiben, weil diese oft unbegrenzte Lesemöglichkeiten haben, also prinzipiell von Millionen oder Milliarden Surfern gelesen werden könnten.
In Abwägung gegenüber der Möglichkeit, auch anonym seine Meinung äußern zu können, um Repressionen zu erschweren, halte ich diese Möglichkeit, anonym zu schreiben, für wichtiger als das Interesse an der Identität der Urheber von reichweitenstarken Beiträgen.

Hallo Helmut,
entschuldige die späte Antwort. Ich glaube du hast meinen Beitrag Missverstanden. Mir geht es nicht darum die Anonymität im Internet oder auch in der Physischen Welt abzuschaffen. Mir geht es darum die Regularien zu Harmonisieren. Ich wäre sehr froh, wenn kleine (wenig Reichweite) Webseiten kein Impressum bräuchten.

Ich halte einen wichtigen Parameter bei der Regulierung von Internet Diensten die Größe des Dienstes. Ich halte es für Falsch an einen Reiseblog die gleichen Anforderungen zu stellen wie an Alphabet (Google) oder Meta (Facebook). Im Bereich der von Informationsverteilung ist die Größe maßgeblich durch die Reichweite gegeben.

Weiterhin gebe ich dir Recht das im Zeitalter der Digitalisierung potentielle Reichweite bedeutungslos ist. Deswegen meine ich auch nicht die potentielle Reichweite sondern eine zu definierende tatsächliche Reichweite oder erwartete Reichweite. Die Definition ist dann vermutlich Technologie abhängig, aber lässt sich auf großen Plattformen doch Relativ genau bestimmen. In Telegramm Gruppen wäre die Anzahl der Teilnehmer prädestiniert.

Nun zur Anonymität. Ich halte die Anonymität aus unterschiedlichen Gründen für extrem Wichtig.
Meistens dient die Anonymität dazu wichtige Schutzräume zu bieten, die für die zum Beispiel für Persönlichkeitsentwicklung, Meinungsbildung, Rechtsberatung oder auch medizinische Behandlung notwendig sind.
Tendenziell würde ich aber sagen, dass die Anonymität als Nutzer oder User eines solchen Schutzraumes wichtiger ist als die des Betreibers. Während die Identität des Patienten zu schützen ist, ist es ja umso wichtiger überprüfen zu können, dass der angebliche Arzt auch wirklich ein Arzt ist.

Auf der anderen Seite ist Anonymität auch schädlich, da sie zum einen im wiederspruch zur Rechtsdurchsetzung steht. Zum anderen erschwert sie es jedoch auch Informationen zu Kontextualisieren bzw. Glaubwürdigkeit aufzubauen bzw abzubauen.

Wenn ich vor und Nachteile in den Beispielen für mich Abwege,
komme ich in fast allen meinen Beispielen zu dem Ergebnis, das im kleinen die Anonymität zu schützen ist. Je größer die Gruppen werden desto größer sind jedoch auch die Gefahren und die potentielle Schäden die Entstehen. Ein Ausnahme sind Whistleblower, wobei ich davon überzeugt bin, dass hier ein besserer rechtlicher Schutz von Whistleblowern und Journalistischen Informanten die bessere Lösung ist, als einfach pauschal Anonymität zu fordern.

viele Grüße
Arne

p.s.: Interessantes Interview vom Deutschlandfunk zum Thema Telegram: https://twitter.com/MCKettemann/status/1470466410178613258?s=20

Danke für Deine ausführliche Antwort, @tacruc .

Gut, dass wir uns einig sind, dass potentielle Reichweite hier wenig Bedeutung hat.
Zur Messung der tatsächlichen Reichweite die Gruppengröße heranzuziehen, mag bei kleinen Gruppen gut passen. Bei großen ist aber nicht sicher, dass alle, die 'mal beigetreten sind, alles lesen.
Aber generell finde ich die Abwägung zwischen Anonymität und Reichweite, die Du herausgearbeitet hast, gut. Eine Impressumspflicht für Herausgeber von Massenmedien scheint auch in der digitalen Welt irgendwie wünschenwert.

In der Praxis sehe ich da aber Schwierigkeiten.

  • Dass Telegram wenig mit Staaten kooperiert, ist ja bekannt.
  • Eine Ausnahme für Whistleblower macht Sinn. Aber viele Anhänger von Verschwörungsgeschichten glauben ja, sie seien im Besitz einer Wahrheit, die der Allgemeinheit von bösen Mächten vorenthalten werde. Die würden diese Ausnahme vermutlich auch für sich beanspruchen. Dann bräuchte man wohl noch eine Whistleblowerprüfungsstelle, was ich mir praktisch schwierig vorstelle, insbesondere in der globalisierten Welt des Internets.
  • Die technischen Möglichkeiten des Internets machen es eben viel einfacher als früher, anonym mit vielen Menschen zu kommunizieren, die man im realen Leben nicht kennt. Prinzipiell ähnlich, wie der Buchdruck das Verbreiten von Ideen erleichtert und die Kontrolle dessen erschwert hat.
  • Die Möglichkeiten der anonymen Kommunikation im Internet einzuschränken, würde schwerwiegende Eingriffe in Freiheiten erfordern, die im übrigen auch missbraucht werden könnten (z. B. Staatsproxy wie in China, Zwangstrojaner auf allen Endgeräten, generelle Hintertürpflicht, generelles Verschlüsselungsverbot).

Durch diese Verschiebung der Möglichkeiten zwischen freier Kommunikation und deren Kontrolle durch die digitale Technik scheint es mir, wir müssen, wenn wir unsere Freiheit auch in der digitalen Welt haben wollen, auch mit etwas mehr unerwünschten oder irreführenden Inhalten leben.
Wichtiger wird meiner Meinung nach die Kompetenz des Empfängers, mit irreführenden oder widersprüchlichen Inhalten umzugehen, ihre Glaubwürdigkeit zu bewerten und sich aus vielseitigen Quellen zu informieren.

1 „Gefällt mir“