Reichtum durch Arbeit?

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Dieser Tagesschau-Artikel von heute morgen hat mich sehr überrascht. Darin u.a. der Satz:

Das bestätigt Experte Druyen nach Forschungen in 120 Ländern: „Der Mythos, vor allem durch Erben reich zu werden, stimmt nicht.“

In der Lage kommt das Thema ja recht oft vor und ich bin auch immer davon ausgegangen, dass Reichtum in erster Linie ererbt wird, was ich für ein großes gesellschaftliches Problem halte. Mich würde eine Einschätzung in der Lage zu dieser widersprechenden Studie sehr interessieren!

Liebe Grüße,
Johannes

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Der?

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Zur These selber kann ich nichts sagen, aber mal so als Kritik an der Argumentationslogik des Artikels:

Kurz: Die meisten wurden als Selfmade-Unternehmer - sprich: durch Arbeit - reich. 55,8 Prozent der unter 50-jährigen Milliardäre weltweit gaben laut Wealth-X an, ihr Vermögen erarbeitet (self-made) zu haben, 18,5 Prozent haben es demnach geerbt. Die übrigen haben sich ihr Vermögen zumindest zum Teil selbst erarbeitet. In der älteren Generation der 50- bis 70-jährigen Milliardäre ist das Verhältnis von erarbeitetem und ererbtem Vermögen noch gravierender: 64,2 Prozent haben dieses Vermögen selbst gemacht und 8,8 Prozent von ihnen geerbt.

Es gibt ja mehr reiche Menschen, als nur Milliardäre. Außerdem sind das selbstauskünfte. Wenn jemand 100 Millionen erbt und daraus 1 Milliarde macht unterliegt die Person vielleicht auch dem Eindruck, dass sie self-made ist. Oder als anderes Beispiel, Bill Gates kam aus einer wohlhabenden Familie und seine Mutter hatte Kontakte zu IBM. Klar hat er es selber geschafft Microsoft aufzubauen, aber jeder „normalo“ hätte es um Welten schwerer gehabt.

Das bestätigt Experte Druyen nach Forschungen in 120 Ländern: „Der Mythos, vor allem durch Erben reich zu werden, stimmt nicht.“ Seit Beginn der Industrialisierung sei Unternehmertum der „entscheidende Faktor“ für Reichtum. Jedoch hätten sich die Bedingungen enorm verändert.

Wer finanziert die Sigmund-Freud-Privatuniversität? 120 Länder wird hier verwendet, um die Zahl beeindruckend klingen zu lassen, sagt aber nichts über die Validität der Studie aus. Und wie immer gilt: Traue keiner Studie, die du nicht selbst gefälscht hast

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In der Quelle (vermutlich der gemeinte Artikel) heisst es:

55,8 Prozent der unter 50-jährigen Milliardäre weltweit gaben laut Wealth-X an, ihr Vermögen erarbeitet (self-made) zu haben

Also wurden die befragt und man hat es ihnen geglaubt? Wenn ich Bezos fragen würde, ob er selfmade ist, würde er sicher „ja“ sagen, dabei wäre ohne ausreichendes Kapital aus dem Portokässchen des Vaters auch Amazon nicht gegründet worden. Was ich damit sagen will ist, dass es natürlich diese Beispiele gibt, aber als Reicher noch reicher zu werden ist nicht „Selfmade“.

Als Unternehmersohn Verwaltungsrat werden, könnte auch „selfmade“ sein, weil man dafür ja arbeitet.

Was ich damit sagen will ist, dass die entscheidende Komponente aus meiner Sicht eben auch Netzwerk, Startkapital für eine FIrma (wie im Falle von Amazon) und Kontakte sind. Es ist komplex und das meint auch der Artikel:

Ob man damit letztlich wirklich reich werde, hänge von ganz vielen Faktoren ab. Viele davon könne man nicht oder wenig beeinflussen wie Herkunft, Religion, Kultur, Familie, Charakter und Persönlichkeit.

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Mal eine Gegendarstellung (ist zwar etwas älter, aber hat sich vermutlich nicht viel in den letzten 8 Jahren geändert):

Besonders wohlhabende Deutsche haben ihren Reichtum nur selten selbst verdient. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) zusammen mit der Universität Potsdam. […]
Laut DIW kamen etwa drei Viertel der Hochvermögenden in Deutschland im Alter über 40 Jahren bereits in den Genuss einer Schenkung oder Erbschaft, 18 Prozent sogar zweier oder mehr. In der Bevölkerung insgesamt hätten lediglich knapp über ein Drittel der über 40-Jährigen einen solchen Transfer erhalten, schreiben die Forscher.

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Vielleicht wird hier auch die Definition von Erben zu eng gesehen. Es geht ja nicht nur darum, dass Menschen nach dem Ableben Ihrer Verwandten Geld und Assets bekommen. Wer aus einer wohlsituierten Familie stammt kann viel einfacher das Startkapital für ein Unternehmen stemmen als andere. Bei denen ist es dann auch nicht so schlimm, ein Startup vor die Wand zu fahren. Also ich finde es auch garnicht unabwegig, dass viele der objektiv Reichen durch die Arbeit in einem eigenen Unternehmen zum Wohlstand gekommen sind, man sollte dann aber eben auch beleuchten, dass diese Unternehmen nicht aus dem luftleeren Raum entstanden sind, sondern sehr privilegierte Startbedingungen hatten.
Aber ja, erstmal ist die genannte Quelle kritisch zu hinterfragen.

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Danke fürs Verlinken. Ja, den meinte ich. Dass das so klingt als ob die das selbst angegeben hätten, ist mir natürlich auch gleich aufgefallen. Wenn das tatsächlich die einzige Basis sein sollte, wäre die Studie absolut wertlos und ich fände die Tagesschau wäre zu kritisieren, dass sie das nicht einordnet bzw. kontrastiert. Auch die Fragen nach Startbedingungen und der Definition von Reichtum hatte ich im Kopf. Ich denke genau die Punkte, die ihr jetzt genannt habt, könnten Gegenargumente sein. Ich fände es cool, falls Philipp und Ulf das aufgreifen würden, genau um ihren mehrfach geäußerten Standpunkt dazu im Kontrast dazu zu schärfen.

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55,8 Prozent der unter 50-jährigen Milliardäre weltweit gaben laut Wealth-X an, ihr Vermögen erarbeitet (self-made) zu haben

Das inhärente Problem solcher Selbstauskünfte wurde ja bereits angesprochen. Darüber hinaus ist die Fragestellung auch nicht wirklich genau - was genau ist mit dem Vermögen gemeint und was bedeutet „selbst erarbeitet“? Was ist zum Beispiel, wenn eine Person 20.000€ erbt und am Ende 1Mrd hat? Was ist wenn sie ohne Erbe Millionär wird, dann erbt und später eine Milliarde hat?
Es gibt zig mögliche Konstellationen, die nicht mit „hat sich (nicht) selbst erarbeitet“ abschließend beschreiben lassen.

Grundsätzlich kann man aber wohl sagen, dass der Großteil der Superreichen schon einen zumindest wohlhabend-bürgerlichen Background hat, selbst wenn sie keine Millionenerben waren.

Eine detaillierte Analyse dieses Hintergrunds wäre schon interessant.

„Den meisten Vermögenden ging es nicht in erster Linie ums Geld, sondern sie hatten den Willen, die Obsession, ihre Ideen oder Visionen in die Realität umzusetzen und das Durchhaltevermögen.“

Die Aussagen des Forschers bleiben den ganzen Artikel über leider sehr vage. Ich hätte mir gewünscht, dass die Ergebnisse seiner Forschung etwas konkreter sind als solche Kalendersprüche…

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Wobei man eben durchaus sieht, dass viele Firmen die die Welt mit verändert haben mit solchen Voraussetzungen gestartet sind. Die wenigsten hatten weder Kapital noch Verbindungen.

Wenn oftmals gerade auch diese Form des Erfolgs kritisiert wird, dann frage ich mich immer wie diese Kritiker dann Innovation sicherstellen wollen? Denn Fakt ist ja trotzdem, dass es nahezu unmöglich ist ganz ohne Verbindungen oder Eigenkapital große Start- Ups hochzuziehen. Das alles durch den Staat zu lenken hielte ich für nur schwer umsetzbar, da ja durchaus nicht alle dieser Erfolgsstories No-Brainer waren bei denen jeder einer Finanzierung zugesagt hätte.

„Kurz: Die meisten wurden als Selfmade-Unternehmer - sprich: durch Arbeit reich.“

Stimmt schon, nur halt nicht durch die eigene.

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Die Frage war ja aber eine andere. Die Frage war eher sowas basiert Reichtum hauptsächlich auf eigener Leistung (vom Tellerwäscher zum Millionär) oder braucht man das Geld der Eltern.

Es ließe sich ja eh schwer verhindern, dass Eltern ihre Kontakte nutzen, um ihren Kindern einen Vorteil zu schaffen.

Außerdem könnte man deine Prämisse in sofern etwas infrage stellen, dass du lediglich den Status Quo beschreibst. Ja, Bill Gates hatte Startkapital und Kontakte, aber das heißt ja nicht, dass es ohne ihn kein Microsoft hätte geben können. Es heißt erstmal nur, dass er alle potentiellen Konkurrenten ohne Kapital und Kontakte ausstechen konnte, da er einen großen Startvorteil hatte.

Auch wenn es eher sehr selten ist, gibt es ja auch Beispiele für Unternehmen, die es mit sehr wenig Startkapital zum Erfolg gebracht haben.

Ich habe von diesen Untersuchungen schon vor ein paar Monaten gehört und mich gefragt, was ich damit anfangen soll.
D.h. ich finde, wir sollten einen Schritt zurückgehen und uns fragen, warum uns das überhaupt interessiert. Für 99,99% der Menschen (eher mehr) ist es völlig schnuppe, wie man Milliardär:in wird. Unter „Arbeit“ von Multimillionär:innen und Milliardär:innen muss man sich auch etwas deutlich anderes vorstellen als das, was 99,99% der Erwerbstätigen so machen.

Geht es darum, wie wir die ganz großen Investitionen in die richtigen Branchen und Technologien bekommen, dann geht es um die Frage, ob die Aussicht auf derart überbordenden, privaten Reichtum dafür erforderlich und effizient ist. Dabei ist es zweitrangig, woher das Geld ursprünglich stammt (abgesehen davon, dass man natürlich für möglichst viele Menschen mit guten Ideen die richtigen Startbedingungen schaffen will - also ggf. Zugang zu Kapital schaffen will). Ich persönlich bin ehrlich gesagt skeptisch, dass Reichtum in dieser Höhe der wesentliche Treiber von wirtschaftlich-technischer Innovation ist. Als anekdotisches Gegenbsp. werden gern die Gründer:innen von BionTech und auch sonst Wissenschaftler:innen angeführt. Auch kleinere Betriebe beruhen sicher nicht darauf, dass ihre Gründer:innen und Leiter:innen alle Milliardär:innen werden wollen.

Als zweite und wahrscheinlich näherliegende Motivation der Beschäftigung mit dieser Frage kommt soziale Gerechtigkeit zwischen den Polen Egalitarismus und Meritokratie in Betracht. Warum sollten wir uns dafür ausgerechnet die kleinste Minderheit ganz oben ansehen (eher Ausreißer) und nicht die Lebensverhältnisse der Mehrheit in den Blick nehmen? Wenn wir schon von der Lage bestimmter Teilgruppen etwas ableiten wollen, spricht die politische und soziale Philosophie (zB Rawls, Intersektionalitätsforschung) eher dafür, die besonders Marginalisierten als Ausgangspunkt für gesellschaftliche Verbesserungen zu sehen. Es geht global eher um die Frage, wie die Armen menschenwürdige Lebens- und Entfaltungsbedingungen erreichen können. In Industrieländern ist das etwas anders akzentuiert, hier geht es darum, wie untere Einkommensschichten besser an Wohlstand und wirtschaftlichen Entfaltungschancen partizipieren können.

Drittens kann man bei so enormem Reichtum an Verschränkungen politischer und wirtschaftlicher Macht denken. Dafür ist aber weniger wichtig, woher das Geld kommt (außer, es kommt aus dem Einfluss auf die Politik). Geerbtes und erarbeitetes Geld bedrohen bei übermäßiger Konzentration beide die Demokratie und die Marktwirtschaft.

Zu diskutieren, ob Superreiche sich ihr Vermögen erarbeitet haben oder nicht, finde ich nur sehr begrenzt sinnvoll, weil sie de facto als Projektions- und Kontrastfläche (role models) dienen. Das ist aber eher Boulevard. Für mich steht diese Art der Beschäftigung mit Superreichen im Verdacht, die jeweilige Ideologie bestätigen zu sollen.

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Das beginnt aber doch schon im kleinen. Eltern können neben Geld ja auch Kontakte und verschiedene Fähigkeiten weitergeben. Und als nächstes die Frage um wie viel Geld geht es?

Um mal Beispiele aus dem Bekanntenkreis zu nehmen:
-Der Koch, der bis 25 mietfrei daheim lebt kann mehr EK ansparen um dann ein eigenes Restaurant zu eröffnen als der Koch, der bereits mit 16 für die Lehrstelle daheim ausgezogen ist und keine Unterstützung der Eltern erhält
-Der Dachdeckermeister der einen kleinen Betrieb des Vaters übernimmt kann daraus eher einen großen Dachdeckerbetrieb machen als der Dachdeckermeister der einen Betrieb komplett neu gründet.
-Der „Dönermann“ der eine Bude seines Vaters übernimmt kann leichter daraus einen Betrieb mit mehreren Filialen in mehreren Orten machen als der, der überhaupt erst auf Kredit seine erste Bude eröffnet.

Wir reden wenn es um solche Startchancen geht ja nicht nur von Superreichen, sondern das beginnt schon im Kleinen. Und nicht alles lässt sich nur mit Geld regeln. Wenn z.B. aus einem kleinen Betrieb ein großer gemacht wird, dann hat man ja auch schon ein eingespieltes Team welches hier als Basis dient. Das kann man ja auch mit einem anderweitigen Startkapital nicht einfach erkaufen.

Ich bin absolut dafür viel mehr dafür zu tun, dass die Chancen eigene Projekte zu realisieren für alle verbessert werden. Nur glaube ich eben nicht, dass die Gesellschaft insgesamt davon profitieren würde, wenn wir sagen jeder muss ab sofort von Null anfangen, was ja einige durchaus befürworten. Weil absolute Gleichheit wäre selbst dass nicht, da auch weiterhin eine Rolle spielen wird aus was für einem Elternhaus man kommt und was für Fähigkeiten man dort erlernen konnte.