Ich habe von diesen Untersuchungen schon vor ein paar Monaten gehört und mich gefragt, was ich damit anfangen soll.
D.h. ich finde, wir sollten einen Schritt zurückgehen und uns fragen, warum uns das überhaupt interessiert. Für 99,99% der Menschen (eher mehr) ist es völlig schnuppe, wie man Milliardär:in wird. Unter „Arbeit“ von Multimillionär:innen und Milliardär:innen muss man sich auch etwas deutlich anderes vorstellen als das, was 99,99% der Erwerbstätigen so machen.
Geht es darum, wie wir die ganz großen Investitionen in die richtigen Branchen und Technologien bekommen, dann geht es um die Frage, ob die Aussicht auf derart überbordenden, privaten Reichtum dafür erforderlich und effizient ist. Dabei ist es zweitrangig, woher das Geld ursprünglich stammt (abgesehen davon, dass man natürlich für möglichst viele Menschen mit guten Ideen die richtigen Startbedingungen schaffen will - also ggf. Zugang zu Kapital schaffen will). Ich persönlich bin ehrlich gesagt skeptisch, dass Reichtum in dieser Höhe der wesentliche Treiber von wirtschaftlich-technischer Innovation ist. Als anekdotisches Gegenbsp. werden gern die Gründer:innen von BionTech und auch sonst Wissenschaftler:innen angeführt. Auch kleinere Betriebe beruhen sicher nicht darauf, dass ihre Gründer:innen und Leiter:innen alle Milliardär:innen werden wollen.
Als zweite und wahrscheinlich näherliegende Motivation der Beschäftigung mit dieser Frage kommt soziale Gerechtigkeit zwischen den Polen Egalitarismus und Meritokratie in Betracht. Warum sollten wir uns dafür ausgerechnet die kleinste Minderheit ganz oben ansehen (eher Ausreißer) und nicht die Lebensverhältnisse der Mehrheit in den Blick nehmen? Wenn wir schon von der Lage bestimmter Teilgruppen etwas ableiten wollen, spricht die politische und soziale Philosophie (zB Rawls, Intersektionalitätsforschung) eher dafür, die besonders Marginalisierten als Ausgangspunkt für gesellschaftliche Verbesserungen zu sehen. Es geht global eher um die Frage, wie die Armen menschenwürdige Lebens- und Entfaltungsbedingungen erreichen können. In Industrieländern ist das etwas anders akzentuiert, hier geht es darum, wie untere Einkommensschichten besser an Wohlstand und wirtschaftlichen Entfaltungschancen partizipieren können.
Drittens kann man bei so enormem Reichtum an Verschränkungen politischer und wirtschaftlicher Macht denken. Dafür ist aber weniger wichtig, woher das Geld kommt (außer, es kommt aus dem Einfluss auf die Politik). Geerbtes und erarbeitetes Geld bedrohen bei übermäßiger Konzentration beide die Demokratie und die Marktwirtschaft.
Zu diskutieren, ob Superreiche sich ihr Vermögen erarbeitet haben oder nicht, finde ich nur sehr begrenzt sinnvoll, weil sie de facto als Projektions- und Kontrastfläche (role models) dienen. Das ist aber eher Boulevard. Für mich steht diese Art der Beschäftigung mit Superreichen im Verdacht, die jeweilige Ideologie bestätigen zu sollen.