Referentenentwurf Arbeitszeiterfassungsgesetz

Noch ein Punkt. Durch deine freiwillige Selbstausbeutung verhinderst du, dass einfach weitere Stellen geschaffen werden um den scheinbaren Mehrbedarf zu decken.

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Und er untergräbt die Tarifverträge, wenn es bei ihm welche gibt.
Und er übt massiven indirekten Druck auf seine Kollegen aus.
Und …

Es gibt viele Gründe, warum wir dieses Verhalten außerhalb einer turbo-kapitalistischen Gesellschaft grundsätzlich nicht gutheißen. Man muss halt die Interessen der Wirtschaft und Arbeitgeber schon sehr massiv über die Interessen des Individuums einordnen, wenn man meint, dass das Recht des Arbeitnehmers, unbezahlte Mehrarbeit leisten zu dürfen, höher zu bewerten sei als der Schutz der Arbeitnehmer vor Ausbeutung, der zwangsläufig mit dem genannten Recht verloren geht.

Aber um mal ähnlich polemisch zu argumentieren:
Als nächstes wird das Recht gefordert, die eigenen, nicht-lebenswichtigen Organe zu verkaufen, so lange man das nur „freiwillig“ tut… Wen kümmert es schon, dass 99% der Organverkäufe dann aus Drucksituationen stammen würden…

In welchem Beruf arbeitest du? :slight_smile:

Stelle mir gerade einen hochmotivierten Anwalt in einer Großkanzlei vor. Wie bei der Serie „Suits“, da haben die gefühlt auch immer von 06:00 bis 00:00 Uhr gearbeitet :grimacing:

Das ist tatsächlich noch mal ein Punkt, an dem das Arbeitsschutzrecht eingeschränkt ist. Bei außerordentlich hoher Bezahlung gelten tatsächlich Überstunden bis zu einem gewissen Grad als „im Lohn inbegriffen“. Der typische Manager / Leitende Angestellte kann daher tatsächlich „mit besonderem Fleiß punkten“, weil die Arbeitsgerichte in dieser Gruppe das Risiko der Ausbeutung nicht sehen (wer sechsstellige Jahresgehälter verdient kann kaum „ausgebeutet“ werden) und Wochenarbeitszeiten weit jenseits des normalen Arbeitsrechts sind hier zulässig. Siehe § 18 ArbZG:

Allerdings wird das neue Arbeitszeiterfassungsgesetz auch für diese Personen gelten, da hier der europäische Arbeitnehmerbegriff gilt, der alle diese Gruppen auch einschließt. Daher: Auch diese Gruppen müssen in Zukunft ihre Arbeitszeiten protokollieren, aber deren Überstunden müssen (in einem gewissen Rahmen) nicht vom Arbeitgeber finanziell ausgeglichen werden, daher ist das hier eigentlich eher unproblematisch.

Die typische Arbeitsweise in Großkanzleien und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften / Unternehmensberatungen ist dabei etwas, dass generell auch häufig kritisiert wird. Es hat einen Grund, warum die Karriere in Großkanzleien i.d.R. auf wenige Jahre beschränkt ist - die Leute sind nach ein paar Jahren der 80-Stunden-Wochen einfach verbraucht. Dass wir diese Arbeitsmodelle für Normalarbeitnehmer nicht wollen, da herrscht wohl größtenteils Einigkeit, aber die Frage ist tatsächlich, ob man diese Arbeitsethik auch in diesen elitären Zirkeln dulden oder unterbinden sollte…

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Hier gebe ich Ihnen recht: mein freiwilliges Engagement (nicht Selbstausbeutung) dient genau dem Zweck: Wir verhindern eine unnötige Vergrößerung der Belegschaft und dadurch eine Erhöhung der fixen Kosten. Das liegt meiner Ansicht nach im Interesse eines jeden profitorientierten Unternehmens.

Ganz und gar nicht. Ich bin in einem eher mittelständigen Chemieunternehmen als Projektleiter tätig. Allerdings außertariflich beschäftigt, daher bisher ohne Pflicht zur Erfassung der tatsächlichen Arbeitszeit.
Die Arbeitszeit ist auch nicht ganz so heftig. Ich bin um 06:30 h im Büro und allerspätestens um 22:00 h geht der Rechner aus. Und entweder Samstag oder Sonntag mache ich meist nichts oder wenigstens weniger. Für mich ein angenehmes Leben - und in meinem Fall ohne Zwang, Selbstaufopferung oder indirekten Druck. Und das seit fast 20 Jahren.

Herzlichen Dank, dann gibt es also bereits heute Öffnungsklauseln - auch wenn das nur sehr wenige Arbeitnehmer betrifft (und mir v.a. der Hintergrund der 4. Gruppe nicht wirklich klar ist). Ich selbst gehöre zu keiner der Gruppen. Aber wenigstens eröffnet das einigen Leistungsträgern (trotz der Vorgabe zur Erfassung ihrer Arbeitsstunden), ohne einen Ausgleich durch den Arbeitgeber Mehrarbeit zu leisten.
Ich habe mir auf Grund der doch kontroversen Sichten Gedanken gemacht und die Kommentare von Ihnen und anderen Forenmitgliedern im Zusammenhang nochmal durchgelesen. Ja - der Zwang der Erfassung bietet auch eine Chance. Wenn ich nun artig erfasse, dass ich nur die vereinbarten 8 h geleistet habe ist dies für den Arbeitgeber auch ein klarer Nachweis. Ihm kann im Nachgang niemand vorwerfen, er wäre seiner Pflicht nicht nachgekommen. Er hat alles richtig gemacht.

Naja, der Priester lebt im Prinzip für seine Gemeinde und die Kirche ist verpflichtet, ihn hinreichend zu alimentieren. Es gehört zum Job des Priesters, in akuten Krisen seiner Gemeindemitglieder auch mal zu Unzeiten tätig zu werden, ebenso wie es Kern seiner Arbeit ist, Wochenendarbeit zu leisten (Messen halten, Eheschließungen… alles oft am Wochenende). Es macht schon Sinn, dass Priester nicht dem normalen Arbeitsschutz unterliegen - im Hinblick auf wesentlich krassere Einschränkungen wie etwa das Zölibat oder der generelle Ausschluss des Streikrechts ist die Nichtanwendung von Arbeitszeitregelungen wohl noch das geringste Opfer, dass der Priester aufbringt… die Beschränkung auf den liturgischen Bereich ist hier natürlich wichtig - das betrifft daher nicht irgendwelche Verwaltungsmitarbeiter bei der Caritas, sondern nur wirklich Priester und höhere kirchliche Ämter. Wer sich das antun will und Priester werden will, muss halt wissen, dass er sein Leben damit in die Hände der Kirche legt und einen Großteil seiner Rechte abtritt. Kein Wunder daher, dass es in unserer Gesellschaft immer schwerer für die Kirchen wird, Leute zu finden, die sich das freiwillig antun (wobei ich mir das Arbeitsleben als Priester eigentlich ganz angenehm vorstelle… wenn da nur nicht die Religion wäre :smiley: )

Das ist halt der Punkt: Gesellschaftlich wollen wir nicht in diese Richtung. Wir wollen nicht, dass 10 Menschen die Arbeit von 20 Menschen erledigen, vor allem nicht, damit der Arbeitgeber daran sparen kann, weil die 10 Menschen das auch noch „freiwillig“ tun. Wenn ein Unternehmen nur dann funktioniert, wenn massive unbezahlte Überstunden geleistet werden, ist das einfach ein ruinöses Unternehmen.

Für die meisten Arbeitnehmer klingt das nach Sklaverei (Work, Sleep, Repeat). Du bist hier ganz klar die krasse Ausnahme.

Das ist nun mal ein höchst asoziales Verhalten und muss zu Recht mit aller Härte durch den Gesetzgeber angegangen und sanktioniert werden. Hier hat @Daniel_K absolut Recht.

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Was ist dann mit deinem Privatleben?

In seinem Privatleben sollte jeder machen können, was ihn erfüllt und worin er einen Sinn sieht. Für manche ist das Familie oder Freunde, andere treiben Sport oder haben ein Hobby. Sie (@Margarete) setzen sich offensichtlich mit viel Hingabe und Engagement für Klimaschutz ein, informieren sich und versuchen andere davon zu überzeugen, das auch zu tun - wenn ich andere Themen und Ihre Beiträge hier im Forum verfolge. Und für mich ist das Engagement in meinem Job mein Privatleben. Ich habe gerade eben meinen Rechner ausgemacht und fühle mich zufrieden. Das reicht, um glücklich zu sein. Schade, dass @Tris das als asozial bezeichnet. Ändert daran aber auch nichts :blush:

ich glaube, in der Frage, ob der Gesetzgeber Arbeitszeitgesetze erlassen sollen, sind nun alle Argumente nicht nur ausgetauscht, sondern z.T. mehrmals wiederholt worden. Alle anderen sind (vermutlich etwas genervt) verstummt. Daher schließe ich jetzt diesen Thread.

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