Reckwitz' neuer "Trümmer": Braucht unsere Gesellschaft Verlustkompetenz?

Anfang der Woche erschien, rechtzeitig zur Frankfurter Buchmesse, das neue Opus magnum des Soziologen Andreas Reckwitz (u. a. „Die Gesellschaft der Singularitäten“) mit dem Titel „Verlust - Ein Grundproblem der Moderne“, das gleich auch auf Platz 3 der Sachbuch-Bestenliste Oktober landete. Die SZ schrieb einleitend zur Rezension:

Reckwitz glaubt, der Westen müsse endlich lernen, mit Verlusterfahrungen klarzukommen.

Im Podcast „Das Politikteil“ ist nun eine dreiteilige Serie zu Reckwitz’ neuem Großentwurf erschienen:

Popularisiert wurde das Thema Verlust bereits bei Kahneman/Tversky 1979 als Verlustaversion, die zu irrationalem Verhalten führe.

Auch die „Posttraumatische Verbitterungsstörung“ kann aus unbewältigten Verlusten entstehen.

Entscheidend ist, dass die Patienten durch ein Lebensereignis in zentralen Werten verletzt werden, auf die sie ihr Leben aufgebaut haben. Wenn das ganze Leben auf einer Karte aufgebaut ist und an dieser Stelle kommt ein Ereignis, das die Werteordnung verletzt kann es zu einer solchen Verbitterungsstörung kommen.

Als historische Anomalie sei Fortschrittsglauben, so Reckwitz, weiterhin ein entscheidender Wert unserer westlichen Gesellschaft(en).

Wenn nun aber unabwendbarer Verlust droht, z. B. aufgrund einer sich zusehends verschärfenden Klimakrise, könnte schon dessen Antizipation traumatisierend sein. Irrationale Verhaltensweisen aufgrund von Verlustängsten sind, denke ich, schon ein Merkmal unserer Gegenwart, wie man an der Veränderungsaversion (vgl. Mau), die dann zum Wählen populistischer Parteien führt, erkennen kann. Denn die Veränderung steht im Zeichen des Verlusts.

Also bräuchte man Kompetenz zu einem nicht-destruktiven Umgang mit Verlusten.

Gegenwartsdiagnostiker Reckwitz wäre daher meines Erachtens ein guter Interview-Partner für eine der kommenden Podcast-Folgen.

Zentrale Überlegungen sind hier schon entwickelt:

Von der Frankfurter Buchmesse:

Man muss Reckwitz mit Mau zusammendenken:

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