Rechtsrutsch und fehlende Diskussionskultur - wie damit umgehen

Guten Morgen,

Ich habe das Gefühl, dass ein Rentner in meinem Umfeld immer weiter in übermässig konservatives bis hart rechtes Gedankentum absinkt, und gleichzeitig nicht reflektiert genug ist, um sich Sachgemäss zu informieren. Früher habe ich dann dauernd Whatsapp mit irgendwelchem rechten, schwurblerischen Gedankengut weitergeleitet bekommen. Dagegen habe ich klar nein gesagt. Jetzt bekomme ich es noch als E-Mail. Meistens reagiere ich nicht; aber alleine das lesen kostet mich viel zu viel Kraft; es bereitet mir Sorgen wie sehr hier populistischen Argumenten gefolgt wird.

Er hat lange Jahre als Mediziner gearbeitet, ist grundsätzlich informiert und interessiert. Gleichzeitig liest er den „schwarzen Kanal“ von Fokus, hört den Podcast von Stelter (Beyond the obvious), sowie das leider abgerutschte und populistisch gewordene Morning Briefing von Gabor Steingart.

Was würdet Ihr mir empfehlen für den Umgang. wo kann ich mich einlesen, um die üblichen Argumentationsketten zu entkräften? Sollte ich das überhaupt tun, oder einfach nicht reagieren?

Vielen Dank für Eure Hilfe,
Tobias

Ich habs aufgegeben. Es hilft nur noch Blocken und Ghosting. Tut nur am Anfang weh, erleichtert das Leben aber auf Dauer.

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Ich dachte in den ersten 2 Absätzen, jetzt kommt AfD, RT oder die Identitäre Bewegung, und dann das:

Den “schwarzen Kanal” von Fokus kenne ich nicht, aber ich höre ebenfalls bto. Bei letzterem habe ich bspw. noch nie hart rechts Gedankentum wahrgenommen. Mir scheint das hier wieder ein Beispiel zu sein, wie andere Meinungen im politischen Spektrum von linker Seite sehr schnell skandalisiert und in die rechte Ecke gesteckt werden, sobald jemand mal das (politisch gesetzte!) 1,5 Grad Ziel oder das Bürgergeld inhaltlich kritisiert. Echt schade. Aus meiner Sicht musst du da gar nichts machen, außer dir nahestehende Personen in Zukunft nicht mehr mit Klarnamen im Internet an den Pranger zu stellen :wink:

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Hi - ja, ist klar dass es nicht ultra rechts ist. Und gegen eine echte, fundierte inhaltlich basierte Kritik habe ich absolut nichts einzuwenden.

Was so anstrengend ist sind z.B. dieser Satz:

dieser Kommentar ist für mich sehr interessant und lesenswert. Ich habe schon länger den Eindruck, dass man mit seiner Meinung nicht auftreten darf, wenn man „dazugehören“ will. Die Denunziation darf so nicht weiter gehen.
Schönen Sonntag

Zu folgendem Newsletter.

Hass ist keine Meinung, heißt es. Wer will dem widersprechen? Aber Hass ist auch eine sehr diffuse Kategorie. Der eine sieht die Grenze zum Hassdelikt mit der Abbildung eines Ampel-Galgens überschritten, der andere bereits mit der Herabwürdigung der Regierung als Gurkentruppe.

Die Regierung will jetzt stärker gegen Hass vorgehen. Auch was keine strafrechtliche Relevanz habe, könne gleichwohl staatswohlgefährdend und damit ein Fall für staatliche Verfolgung sein, erklärten Innenministerin Nancy Faeser und Verfassungsschutzchef Thomas Haldenwang auf einer Pressekonferenz.

Diese Grenzverschiebung ist keine Kleinigkeit. Anhängern des Rechtsstaats treiben solche Ankündigungen die Schweißperlen auf die Stirn, wie der berühmte Strafrechtler Gerhard Strate (übrigens ein Linker der ersten Stunde) zu Protokoll gab. Ficht das die federführenden Ministerinnen (neben Nancy Faeser die grüne Familienministerin Lisa Paus) an? Nein. Wer gewohnt ist, sich mit dem Staat zu verwechseln, den hält auch die Kritik von Fachleuten nicht auf.

Seit sie an der Regierung sind, neigen insbesondere die Grünen dazu, sich mit dem Staat zu verwechseln. Das ist bei einer Partei, deren Wurzeln in der Protestbewegung liegen, eine besondere Pointe. Aber wie das manchmal so ist: Die trockenen Alkoholiker sind anschließend die rabiatesten Abstinenzler.

Wenn die Anti-Hass-Initiative auf den letzten Metern scheitert, dann nicht wegen später Einsicht, sondern wegen Schludrigkeit. Die Bundesregierung sei schlechterdings gar nicht befugt, sich in dieser Frage über die Bundesländer hinwegzusetzen, hielt der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages vergangene Woche in einem Gutachten fest. Alle klagen über die Unfähigkeit der Ampel: Aber vielleicht ist sie unser bester Schutz gegen gesetzgeberischen Unfug.

Herzlicher Gruß zum Wochenende
Ihr
Jan Fleischhauer

P.S.
und danke für den Hinweis! Ich selber trete immer mit Klarnamen auf, natürlich sollte ich das bei anderen nicht machen.

Man muss das in der Newsletter inhaltlich nicht teilen, grenzüberschreitend finde ich das aber nicht. Hier wird das Auftreten und Selbstverständnis der Grünen halt kritischer gesehen als von den Grünen selbst - so what. Vergleichbares wird sich auch in der TAZ über die CDU lesen lassen. Und nicht jedes “Briefing” muss den Anspruch einer tiefen Recherche haben, ist halt ein “Briefing” - aber das ist nur meine Meinung.

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Ich denke wir müssen hier unterscheiden.

Es gibt krasse Rechtspopulisten. Die wird man nicht erreichen. Und möglicherweise wäre eine Kontaktabbruch das Richtige wenn es dich zu sehr belastet und du keine Basis zu der Person finden kannst.

Es gibt Unzufriedene und Desillusionierte. Hier sollte man miteinander im Gespräch bleiben, Positionen challengen und auch die eigene Position fleißig erklären. Wichtig ist hier, fair und unvoreingenommen bleiben. Nichts ist schädlicher als eine solche Person in eine Schublade zu stecken, aus der sie dann nicht mehr herauskommt bzw. diese Stigmatisierung dann wirklich für die Radikalisierung zum Anlass nimmt.

Und es gibt einfach Menschen mit einer anderen, aber hinzunehmenden Position, für dich offensichtlich beispielsweise Konservative. Eigentlich gilt hier ähnliches wie bei den Unzufriedenen und Desillusionierten, nur dass man hier auf Missionierung verzichten sollte, denn Konservatismus ist eine völlig legitime Position.

Ich bin über deine Position ehrlich gesagt etwas irritiert. Dein Eingangsstatement hat mich glauben lassen, dass dein „Rentner“ in Gruppe 1 oder 2+ gehört. Dein Fleischhauer-Zitat, aber auch die Auswahl der übrigen konsumierten Medien lässt das Problem, ehrlich gesagt, aber eher in einer fehlenden Toleranz bei dir vermuten und dein „Rentner“ gehört eher zu Kategorie 2- bis 3. Vielleicht waren aber auch nur die Beispiele schlecht gewählt?

Ganz klar, ich teile die pauschale Polemik von Fleischhauer so nicht. Aber viele Menschen fühlen sich eben von der deutschen Politik bevormundet. Und das drückt Fleischhauer hier aus. Selbst Robert Habeck hat bereits darauf verwiesen, dass die Grünen (und SPD) eben ein stärker staatsdirigistisches Politikverständnis haben (als bspw. die FDP). Das kann man gut oder schlecht finden. Beide Positionen sind völlig in Ordnung.

Aus meiner Sicht müssen wir vor allem wieder eine bessere Diskussionskultur üben. Dazu gehören aus meiner Sicht:

  • weniger Unterstellungen
  • mehr erklären
  • weniger Moralisieren und Emotionalisieren
  • mehr ehrliches Interesse an der anderen Seite
  • eigenes Hinterfragen der eigenen Position
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Aus meiner Sicht geht es in politischen Diskussionen heute mehr um Selbstbehauptung und Kampf und weniger um den konstruktiven Diskurs. Das hat damit zutun was uns Politiker vorleben, wo das ganz ähnlich passiert, aber auch mit der Unart einer Ex-Kanzlerin uns politische Debatten abgewöhnt zu haben, schließlich war quasi alles alternativlos. Und wer dagegen war oder nur die Diskussion eingefordert hat, war mindestens fehlgeleitet, AfD-Unterstützer (insinuiert rechts) oder einfach dumm. Das geschah sicher immer im besten Willen, aber schädlich war es dennoch. Corona und der völkerrechtswidrige Angriffskrieg Russlands (vielleicht auch der neueste Ausbruch des Nahost-Konflikts) haben diese Unart sicher eher noch verhärtet.

Die Frage ist daher eher wie wir sicherstellen wieder ordentlich miteinander streiten und anschließend wieder lachend gemeinsam eine vegane Bratwurst essen zu können.

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Mein Problem mit diesen Menschen beginnt dann, wenn es keine gemeinsame Grundlage gibt. Also z.B. jemand sagt „1000 Wissenschaftler haben sich gegen den IPCC Bericht ausgesprochen“ und man entgegnet „aber Zehntausende haben dafür gearbeitet und den Bericht mit Daten gefüttert, er basiert auf Fakten gesammelt über Jahrzehnte von unabhängigen Wissenschaftlern“, das aber nicht gelten gelassen wird. Weil die Daten alle nur so gedreht werden damit es der Meinung „der Ökolobby“ (das ist ein Zitat) entspricht. Oder wenn in der Tagesschau ein „nur 590 Menschen wurden im letzten Jahr auf der Basis illegaler Einwnaderung wieder abgeschoben“ gemeldet wird, dieses aber abgetan wird mit „Das ist nur Staatsfernsehen, die sagen eh nur was die Regierung will“.

An der Stelle kann man wirklich die Diskussion einstellen. Ich habe einmal versucht so jemanden zu überzeugen, mit Fakten sammeln aus allen möglichen Quellen, am Ende werden die immer für nichtig erklärt.

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Bei mir ist es so, dass der Betroffene sein Leben lang im Autohaus gearbeitet hat. Das Auto war jahrzehntelang Lebensinhalt, Broterwerb, Hobby, eigentlich der Mittelpunkt von allem.

Jetzt wird das gesellschaftlich in Frage gestellt. Autos sind böse, Autos machen das Klima kaputt, Autos müssen raus aus den Städten.

Das stößt natürlich auf Widerstand. Es wird einfach das ganze Schaffen und Wertebild in Frage gestellt und umgeworfen. Und damit scheinbar das Einzige, was dem Menschen jemals Halt im Leben gegeben hat.

Also nein, mit Fakten argumentiert man hier nicht. Das hilft nicht.

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Das kann ich mir sehr gut vorstellen. Aber mit Einschränkungen ist der Fehler ja eher die Menschen nicht mitzunehmen bzw. Autofreunde mit harter, undifferenzierter Sprache abzukanzeln (damit meine ich den öffentlichen Diskurs, niemanden bestimmtes hier).

Man merkt es ja oft hier. Es gibt etliche Threads in denen Autokritiker per se das Auto als Irrweg geframed haben und sich dann Menschen aus ruralen Gegenden erklärten, warum sie doch ein Auto brauchen.

Erst nach langen Diskussionen stellt sich dann meist raus, dass die harte Ablehnung doch nur in bestimmten Szenarien (Großstädte, Ballungsräume) so gemeint war und unter den richtigen Bedingungen (Carsharing, Mitfahrkonzepte, E-Autos) doch die meisten wieder zueinander finden.

Leider findet der politische Diskurs selten so facettenreich statt, so dass der normale Bürger eher zu Headlines verkürzte Knaller-Statements von Politikern aller Couleur mitbekommt, die sich unbedingt mal wieder profilieren wollten.

Ich halte das für den Diskurs schwierig. So müssen sich Menschen einfach ausgegrenzt oder nicht ernst genommen fühlen.

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So verzehrt die Wahrnehmung. Mein Eindruck war eher, dass jede Diskussion von Leuten gekapert wurde, die ihre Angst äußerten, dass ihnen auf dem Land jetzt das Auto weggenommen werden könnte, dabei war das gar nicht Thema.
Ansonsten verstehe ich vollkommen, dass jemand, der in der Branche arbeitet einen anderen Blickwinkel hat und hier erst mal auf die eigene Besitzstandswahrung schaut.
Ich arbeite bei einem Automobilzulieferer und auch wenn unsere Produkte genauso in Elektroautos verbaut werden, ist die Skepsis bei meinen Kollegen besonders ausgeprägt.
Ich mach mir da keine Sorgen, bis ich in Rente gehe, werden Autos gebaut und gekauft werden.

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Wir müssen möglicherweise den Begriff Diskussionskultur mal definieren. Der sieht in meiner und vielen anderen WhatsApp und Facebook-Gruppen so aus.

Hi - danke Dir.
Nein, der Newsletter war es auch nicht.
Mir ging es um Sätze wie „man darf ja nicht mal mehr sagen was man denkt“ etc.
Sorry-da habe ich mich missverständlich ausgedrückt.
VG,
Tobias

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Das stimmt nicht. Kann mich an keinen einzigen Thread erinnern, in dem jemand das Auto „per se als Irrweg geframed“ hat. Bleib bei den Tatsachen bitte.

(Edit: Antwort auf Don Maxi:)
Das 1.5 Grad Ziel grundsätzlich zu hinterfragen, kommt im übrigen Klimawandelleugnen schon ziemlich nah.
Das ist keine Meinungsfrage.

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Danke Dir, und allen anderen die sich hier geäussert haben!

Und ja - der Inhalt der mich angeregt hatte mal um Hilfe zu suchen, und das Eingangsstatement, passen nicht recht zusammen, und waren falsch gewählt. Und sicherlichauch meine Toleranz etwas niedrig nach wiederholten Missionierungsversuchen hin zu einer, aus meiner Sicht, übertrieben konservativen Sicht.

Tatsächlich - was mich am meisten irritiert, ist der Versuch mich missionieren zu wollen, kombiniert mit Quellen, die ich für mich getestet und ad-acta gelegt habe. Gleichzeitig wird aber auch nicht auf meine Informationsquellen eingegangen, sondern wild von x und facebook kopiert.

Und zuletzt - wie es auch schon ein anderer Teilnehmer gesagt hat. Zuviel Meinung, zuwenig Fakten.

Für mich - ich werde:

  • meine eigenen Grenzen mehr setzen.
  • immer wieder auf Faktenbasiertes vs. Meinungsbasiertes Diskutieren hinweisen

Danke euch nochmal!

Mir fehlt gerade die Zeit um Beiträge von Usern rauszusuchen, die PKW als Irrweg kritisierten. Vielleicht reiche ich das in 1-2 Wochen nach.

(hat sich erledigt, daher gelöscht)

Sorry @turmfalke . Das bezog sich auf @DonMaxi s Beitrag, nicht auf deinen. Da habe ich das Zitat vergessen.

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Ok, das Thema hier scheint zu, aber fürs Protokoll: Ich leugne nicht den menschengemachten Klimawandel und mein Hinweis darauf, dass das Ziel politisch gesetzt ist sagt das auch nicht aus. Dass es da ein Ziel geben muss, ist klar, aber ob es nun 1,3 oder 1,5 oder 1,7 ist kann ja nicht eindeutig wissenschaftlich hergeleitet werden. Aus dem Grund finde ich Kritik an Maßnahmen, Budgets oder ausgerechneten Pfaden, die vermeintlich notwendig sind, um dieses Ziel zu erreichen, erst einmal grundsätzlich legitim und nicht rechts oder verschwörerisch. Mehr sollte das nicht aussagen.

Tja, ob man es politisch nennt oder nicht, 1,5 ist leider schon zu viel, wenn man die Folgen bedenkt. Und auch drüber zählt jedes Zehntel Grad.

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