Ganz grundsätzlich muss man hier immer darauf achten, sauber zwischen „den Siedlern“, „der israelischen Armee“, „israelischen Regierungsmitgliedern“ usw. zu unterscheiden (bzw. den Nachweis der Zusammengehörigkeit führen) und zu ermitteln, welche Individuen zu welchem Zeitpunkt welchen Organisationen angehört haben und wie diese Individuen und Organisationen tatsächlich aufeinander Einfluss ausüben konnten.
Der IStGH ist nur für eine eng umrissene Gruppe an Straftaten zuständig, nämlich Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Verbrechen der Aggression und Kriegsverbrechen. Ob die Taten der Siedler diese Schwelle überschreiten bezweifle ich in vielen Fällen.
Grundsätzlich braucht es den IStGH aber gar nicht. Viele Straftaten über die im Kontext Palästinas diskutiert wird, könnten auch in Deutschland nach dem Weltrechtsprinzip zu Anklage kommen – solange es um Vergehen im Kontext des Völkerrechts geht.
Will heißen: „Nur“ Mord würde weder der IStGH, noch ein deutsches Gericht interessieren (es sei denn Täter oder Opfer hätten die deutsche Staatsbürgerschaft). Der Siedlungsbau als solcher ist dagegen ziemliche eindeutig völkerrechtswidrig, genauso wie die gewaltsame Landnahme dafür. Daraus würden sich durchaus Ansatzpunkte für eine Strafverfolgung ergeben.
Allerdings hat dafür glaube ich kein Staatsanwalt in Deutschland den Appetit – mal abgesehen davon, dass die Bundesregierung über den Justizminister auch aus außenpolitischen Gründen eine Einstellung des Verfahrens erwirken könnte.
Eine bewusste Tolerierung von Vergehen gegen die beschriebenen Verbrechen könnte der IStGH durchaus als juristische Verantwortung für diese Taten interpretieren. Der Nachweis wird dann aber schwieriger, als wenn man eine direkte Verantwortlichkeit nachweisen kann. Aber da zum Beispiel die israelische Regierung manchen Siedlern Waffen zur Verfügung stellt, greift hier meiner Ansicht nach schon eine sehr hohe Sorgfaltspflicht der verantwortlichen Regierungsmitglieder.
Das braucht es nicht wirklich, weil schon die Gründung der Siedlungen selbst bzw. deren Tolerierung durch den Staat Israel ein kriegerischer Akt ist.
Die Frage ist: welche Relevanz hat das? Palästina hat keine reguläre Armee. Und sowohl die Palästinenser, als auch ihnen positiv gesonnene Staaten (die theoretisch auf ein Hilfsgesuch der palästinensischen Regierung mit militärischer Unterstützung reagieren könnten) haben kein Interesse an einem offenen Krieg. Und wenn das Interesse da wäre, dann bräuchte es nicht die Siedlungen als Grund. Insofern ist das ziemlich irrelevant.