Re: LdN 380 SVPflicht für Gründer - hier: Selbstverständnis von Mitarbeitern der öffentlichen Verwaltung

Ich mache mal bewusst einen neuen Thread auf, weil ich einen Aspekt zu diesem Thema (schon seit langem) adressieren und diskutieren will, der im Beitrag gar nicht genannt wurde:

Es geht darum, was für ein Selbstverständnis Mitarbeiter der öffentlichen Verwaltung heute haben.

Ich bin inzwischen überzeugt, dass einer der Gründe, warum in unserem Land der Staat gefühlt immer schlechter funktioniert, in der Ministerial- und Verwaltungsbürokratie liegt. Man hat den Eindruck, die Ministerial- und Verwaltungsbürokratie bremst oft das, was politisch gewollt und demokratisch entschieden wurde, aus. Bürokratieabbau scheitert oft an der Ministerial- und Verwaltungsbürokratie.

Im Fall der Verwaltungsbürokratie liegt das am Selbstverständnis der dortigen Mitarbeiter, dass ich seit Jahren, wenn nicht seit Jahrzehnten in eine klare Richtung tendieren sehe: Diese Mitarbeiter sehen sich immer weniger als „Dienstleister“, die den Bürger unterstützen. Sondern viel mehr als „Wächter“, die nur dazu da sind, das vermeintliche Recht durchzusetzen und zwar so, dass sie sich selbst mit möglichst wenig persönlichem Aufwand verwalten können. Der Bürger wird zunehmend zum Bittsteller, der bei dem, was er eigentlich will, systematisch ausgebremst wird.

Der von Philipp und Ulf vorgetragene Fall ist genau so ein Fall. Mal abgesehen davon, dass die Gründer etwas naiv an die Sache herangegangen sind (offenbar nicht oder nicht gut beraten von Gründer- und Steuerberater) wurde mit der Sozialversicherungsprüfung eine Lawine losgetreten, die nicht mehr aufzuhalten ist und nicht nur im Sinne der Gründer, sondern auch im Sinne der Gesellschaft letztlich kontraproduktiv ist.

Wem hätte es geschadet, wenn die Gründer ihren Gesellschaftervertrag geändert hätten?

Ja, die Sozialversicherung konnte nun mehr Beiträge einnehmen („das Finanzamt“ dafür aber weniger) und am Ende geht das Unternehmen in Insolvenz - mit Schaden für die Sozialkasse, die die Payroll für 3 Monate und evtl. sogar Arbgeitslosengeld zahlen muss und weniger Arbeitslosenversicherungsbeiträge erhält, für „das Finanzamt“, dass zukünftig keine Steuern mehr bekommt. Und für die Gründeratmosphäre in Deutschland, die ohnehin schon vergleichsweise mies ist. Und dass die Prüfung so lange gedauert hat, ist schon eine ziemliche Zumutung, denn Philipp hat schon recht: Ein erfahrener Sozialversicherungsprüfer sieht das auf den ersten Blick.

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Ich habe gerade - im kleinen - ebenfalls einen Fall, wo die Behörde nicht hilfreich, sondern hinderlich und kontraproduktiv ist.

Ich bin selbstständig (freiberuflich) tätig und musste aufgrund eines Fehlers eine Rechnung aus dem vergangenen Jahr korrigieren, die hätte umsatzsteuerfrei sein müssen.

Die Regelung sind ganz klar: Wenn ich die Umsatzsteuer schon abgeführt habe, muss ich dies mit der nächsten anstehenden Umsatzstzeuervoranmeldung (USVA) korrigieren.

Das Finanzamt hat das aber zurückgewiesen und - offensichtlich falsch! - verlangt, dass ich die Umsatzsteuervoranmeldung in dem Monat korrigiere, in dem ich den Umsatz vereinnahmt habe. Nun gut, also eine korrigierte Umsatzsteuervoranmeldung übertragen und beantragt, dass das sich ergebende Umsatzsteuer-Guthaben mit der aktuellen Umsatzsteuer-Last verrechnet wird.

Dessen ungeachtet hat das Finanzamt mir einen Brief mit Säumniszuschlägen und einer Erläuterung schickt, warum ich die Umsatzsteuervoranmeldjung in dem Monat korrigieren muss, in dem ich den Umsatz vereinnahmt habe (in der Anlage wurde dann dem widersprechend erklärt, dass ich in meinem Fall die Korrektur in der aktuellen UStVA vornehmen muss).

Ich habe dann angerufen und gefragt, ob denn nun noch ein Problem vorliegt und wenn ja, welches. Antwort: „Wir dürfen sie steuerlich nicht beraten“. „Aber wird denn nun meine Korrektur zur Voranmeldung bearbeitet?“. „Wie gesagt, ich darf ich steuerlich nicht beraten.“. „Aber mir sagen, ob ich in meiner UStVA einen Fehler gemacht habe, dürfen sie schon, oder? Woher soll ich denn wissen, ob ich noch etwas korrigieren muss?“.

Dann rückte sie raus, dass Sie mit einem Kollegen, einen „Umsatzsteuer-Sonderprüfer“ gesprochen habe und der gesagt hatte, ich müsste noch irgendwas mit der Vorsteuer korrigieren. Davon stand aber in ihrem Brief überhaupt nichts und sie hatte das offenbar auch nicht verstanden.

Ihr ging es nicht darum, ein Problem zu lösen, sondern darum, den Vorgang zum Tisch zu bekommen. Ob mein Problem - die Rückerstattung einer nicht unerheblichen Summe - gelößt würde, war ihr sch*** egal.

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Auch wenn man immer wieder derartige Fälle hört und liest, möchte ich Ihrer pauschalen Kritik entgegentreten. Ich habe im beruflichen Kontext auch öfter mit Behörden und Ämtern zu tun. Die Menschen die man dort trifft sind genau das: Menschen. Da gibt es sympathische und weniger sympathische. Da gibt es hilfsbereite und weniger hilfsbereite. Da gibt es Licht und Schatten. Da gibt es natürlich „Wächter“, aber eben auch viele „Dienstleister“.

Ich möchte nicht bestreiten dass es die von Ihnen genannten Fälle gibt. Man muss auch leider feststellen, dass Behörden und Ämter diesen Menschen ein gutes Umfeld bieten und zu wenig gegen derartige Auswüchse getan wird. Das ist sicher ein Problem.

Umso lobender sollte man aber auch die positiven Fälle sehen und erwähnen. Und in Summe würde ich schon sagen, dass die normalen und guten Erfahrungen mit Ämtern und Behörden überwiegen.

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