Wie sich die zunehmend rechtspopulistische und -extreme Stimmung auf die Fachkräftezuwanderung und damit zusammenhängend die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland auswirken kann, wird hier im Forum ja öfter diskutiert. Jetzt hat der Spiegel einen wie ich finde sehr guten Artikel veröffentlicht, in dem auch mal ein paar der möglichen Fachkräfte (aus Kenia) selbst zu Wort kommen:
Ein paar Zitate aus dem Artikel:
Und dann kursierte da auch noch diese falsche Zahl: 250.000. So viele Kenianerinnen und Kenianer sollten angeblich nach Deutschland kommen, so vermeldete es die BBC. Der Artikel verbreitete sich wie ein Lauffeuer, geteilt unter anderem auch von Ex-Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen. Schnell sprangen rechte Kommentatoren auf die Falschmeldung auf, in ganz Europa. Sie warnten vor einem angeblichen Bevölkerungsaustausch, ein bekanntes rassistisches Narrativ.
Es geht auch um den Rassismus der Deutschen. »Oh mein Gott, das Thema ist überall«, sagt Leonie Ashiona. Sie will in Deutschland eine Ausbildung zur Krankenpflegerin machen, ist mit dem Deutschlernen weit fortgeschritten. Doch derzeit verbringt sie viel Zeit auf Social Media, dort liest sie Kommentare wie: »Die Afrikaner haben einen niedrigeren IQ«, oder »die wollen uns ausrotten«. Das mache ihr Angst. »Das sind doch die Menschen, die ich mal pflegen soll«, sagt sie. Sie wolle weiterhin nach Deutschland, aber ein mulmiges Gefühl bleibe.
Der »Standard«, die zweitgrößte Tageszeitung des Landes, veröffentlichte am vergangenen Wochenende einen langen Artikel, der schnell die Runde machte. »Warum der Jobdeal ein doppelseitiges Schwert ist«, lautet die Überschrift. […] Er schreibt über die Wahlgewinne der AfD im Osten, er zitiert rassistische Kommentare auf X, wo Kenianerinnen und Kenianer »Drecksäcke« genannt werden. Es kommen Menschen zu Wort, die in Deutschland Rassismus erlebt haben.
Es dauerte nicht lange, da stellte einer der Teilnehmer die Frage: »Ist der Rassismus in Deutschland wirklich so schlimm?«
Eric Maina* liest jeden Tag die deutschen Nachrichten, er liebe Deutschland, sagt er. Der 25-jährige Ingenieur kennt sich bestens aus mit dem politischen System, er weiß sogar die Namen der Spitzenkandidaten der Parteien in Thüringen. Er kann die Wahlergebnisse in den Ostländern auswendig aufsagen. Maina kennt die Zitate von AfD-Mann Björn Höcke – und er hat Angst. »Thüringen ist sowieso eine No-go-Area für mich. Aber wenn es in ganz Deutschland noch schlimmer wird, dann gehe ich eben woandershin«, sagt er. […] »Die Bundestagswahl ist für mich entscheidend: Wenn die AfD zu gut abschneidet, dann ist Deutschland keine Option mehr«, erklärt er.
Maryannita Odongo hingegen gehört zu jenen, die sich nicht abschrecken lassen wollen. Die 25-jährige Politikwissenschaftlerin hat Anfang des Jahres ein Stipendium im Deutschen Bundestag absolviert, spricht fast perfekt Deutsch. Odongo zieht in der kommenden Woche nach Thüringen. Sie will in Erfurt studieren, »da gibt es einfach den Studiengang, der am besten zu mir passt«, sagt sie. Angst habe sie schon, ein Freund habe ihr neulich geraten, nicht in den Norden der Stadt zu gehen, und Fußballspiele zu meiden. Doch die Kenianerin will an ihrem Plan festzuhalten. »Meine Bildung ist wichtiger«, sagt sie. Ob sie später auch in Deutschland arbeiten wolle, das wisse sie allerdings noch nicht.
Ich war mehrfach, auch beruflich, in Kenia und kann nur unterstreichen: es gibt dort viele extrem gut ausgebildete, kompetente und leistungswillige junge Menschen. Aber die werden sich nicht bis zur Unkenntlichkeit verbiegen, nur um die Gnade eines Arbeits- oder Studienplatzes in Deutschland zu erhalten, wenn sie gleichzeitig im Alltag regelmäßig mit rassistischen Anfeindungen rechnen müssen.
Der Rechtsruck in der Migrationsdebatte – gerade auch durch die „Parteien der Mitte“ – fügt dem Wirtschaftsstandort Deutschland enormen Schaden zu.