Quereinsteiger*innen sind voll qualifizierte Lehrkräfte!

Lieber Philip, lieber Ulf,
ich finde, dass ihr beim Thema Lehrkräftemangel die Quereinsteigerinnen zu wenig würdigt bzw. deren Ausbildung falsch einschätzt. Ihr sagt Sätze wie: „Das sind ja nur Quereinsteigerinnen“.

Ihr solltet bedenken: Der Quereinsteig in Berlin ist ein Programm, an dessen Ende man die volle Lehrbefähigung erhält (so wie Lehrkräfte mit Lehramtsstudium). Jeder quereingestiegene Lehrkraft in Berlin hat ein ganz normales Referendariat absolviert! Und grundsätzlich haben alle Quereinsteigerinnen einen Diplom-, Magister- oder einen anderen Masterabschluss, sonst wird man erst gar nicht zugelassen.

Entweder hat man vor dem Referendariat noch nachstudiert und zwar die Fächer, die einem fehlen. Das kann man privat organisieren (nochmal an die Uni gehen) oder man studiert die Fächer im Rahmen des Quereinstiegsprogramms berufsbegleitend – dann unterrichtet man schon Teilzeit an einer Schule & absolviert das Studium, dessen Kurse von der Senatsverwaltung organisiert werden. Das ist wirklich ein straffes Programm – man muss seinen eigenen Unterricht vorbereiten & gleichzeitig Prüfungen fürs Studium absolvieren. Diese Leute sind wirklich sehr ausgelastet. Das Nachstudium dauert meist 3 Jahre, dann noch ca. 1,5 Jahre Ref.

Bei der Anerkennung der Fächer ist die Senatsverwaltung meiner Meinung nach ziemlich streng – ich habe zB einen B.A. in germanistischer Linguistik & einen M.A. in Deutsch als Fremdsprache, aber mir wurde das Fach Deutsch für die Grundschule (!) nicht anerkannt. Ich musste erst noch Leistungspunkte in Literaturwissenschaften nachweisen. Zurzeit arbeite ich als Deutschlehrerin in einer Willkommensklasse in Neukölln. Ich habe einen Vertrag für 1 Jahr bekommen & bin eine Gehaltsstufe unter meinen Kolleg*innen mit voller Lehrbefähigung. Wir haben hier noch andere krasse Geschichten zum Thema (Nicht-)Anerkennung von Studienabschlüssen: Eine Kollegin war jahrelang Ingenieurin & ihr wurde das Fach Mathematik nicht anerkannt, ebenso bei einem Kollegen, der Energiewissenschaften studiert hat. Wir reden hier immer noch über den Quereinstieg an die Grundschule, nicht an die Oberstufe!

Hier könnt ihr euch informieren:

Was zurzeit natürlich passiert, ist dass Leute ohne Lehramtsstudium & vielleicht auch ohne Masterabschluss an den Schulen als Vertretungslehrkraft unterrichten (ich weiß das von den Grundschulen). Aufgrund des Mangels müssen sie Fächer unterrichten, die sie nicht studiert haben & vielleicht sogar eine Klassenleitung übernehmen. Sie bekommen dann befristete Verträge & geringere Gehälter. Das ist natürlich für niemanden ideal – für die Leute selbst, für die SuS, für die Qualität der Lehre – aber nur so können manche Schulleiterinnen den Mangel verwalten. Diese Leute sind dann aber keine Quereinsteigerinnen! Sondern Vertretungslehrkräfte.

Viele Grüße
Luise

Sie können aber ebenfalls Quereinsteiger:innen (ohne Nachstudium und Referendariat) werden, wenn sie nach mehreren Jahren als angestellte Vertretungslehrkräfte mit entsprechenden Kettenverträgen ihr Arbeitsverhältnis entfristen lassen. Sie haben dann allerdings auch viele Jahre praktisch unter Beweis gestellt, dass sie unterrichten können (werden jedoch bei gleicher Arbeit weiterhin eine Stufe schlechter bezahlt als die pädagogisch ausgebildeten Lehrkräfte).

Man muss auch anmerken, dass in vielen Bundesländern das Lehramtsstudium als komplett getrenntes Programm eher abgebaut wird und an ein reguläres Bachelor/Master Studium angeglichen wird. In Ba-Wü z.B. gibt es mitlerweile einen „Polyvalenten Bachelor“ statt dem klassischen Lehramtsstudium. Dieser Bachelor soll explizit vergleichbar mit einem regulären Bachelor sein und es den Sudierenden ermöglichen sich im Anschluss zu entscheiden ob sie einen Lehramts-Master machen oder in den studierten Fächern auf den regulären Arbeitsmarkt gehen.

Wenn jetzt aber das Lehramtsstudium vergleichbarer mit einem regulären Studium werden soll, folgt ja eigentlich im Umkehrschluss, dass damit ein reguläres Studium vergleichbarer mit dem Lehramtsstudium wird.

Man sollte grundsätzlich Mal hinterfragen wozu ein Master im Lehramtsstudium sinnvoll wäre?
Ein duales Studium mit Bachelor wäre wohl sinnvoller, gerade wenn man Lehramtsstudenten fragt fehlt ganz klar die Praxis und nicht die Matrix und Vektor Rechnung im Grundschullehramt.

Zusätzlich wäre eine vereinfachter Quereinstieg sinnvoll und auch eine Teilzeit bei Mangel.
Ein Ingenieur mit Sozialpädagogischer Weiterbildung (in Abendform) kann garantiert noch den Mathe Stoff der 8-13 Klasse.

Ich glaube nicht, dass Studis da der richtige Ansprechpartner sind, da den meisten der nötige Weitblick fehlt. Meiner Meinung nach darf ich von einem Grundschullehrer verlangen, dass er elementare Beweise wie die der Teilbarkeitsregeln verstanden hat und auch formal korrekt selber führen kann - denn wen dem nicht der Fall ist, kann er auch nicht erklären, warum die Regeln funktionieren.