Psychische Gesundheit der breiten Masse

Mich würde es Freuen wenn Ihr mal ein bischen über die psychischen Folgen eines zweiten Lockdowns eingehen würdet. Ich habe das Gefühl das wird in der gesamt Betrachtung oft vernachlässigt. Und speziel die weniger schlimmen Fälle die aber die Masse der Bevölkerung betreffen.

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Gibt’s denn dazu überhaupt schon Untersuchungen? Es gibt immer mal wieder Behauptungen, insbesondere von Schwurblern, z.B. dass die Anzahl der Selbstmorde ins Unermessliche steigen würde, aber als dann im ersten „Lockdown“ – der in Deutschland ja gar kein richtiger Lockdown war, ebenso wie jetzt nicht – sich mal jemand die Zahlen angekuckt hat, sind die eher gesunken als gestiegen, weil einigen diese „Entschleunigung“ vielleicht ganz gut getan hat.

Ich will jetzt nicht bestreiten, dass es auch Leute gibt, die mehr oder weniger stark unter der Situation leiden, insbesondere wenn sie Probleme haben ihre wirtschaftliche Existenz zu sichern. Aber ich weiß auch von einigen Leuten, dass es ihnen im HomeOffice eigentlich recht gut geht, während sie z.B. nicht ständig ihre Arbeit für belanglose Meetings unterbrechen oder mit anstrengenden Kollegen smalltalken müssen.

Ohne irgendeine wissenschaftliche Basis darüber zu spekulieren was der eine oder andere im Gefühl hat, was die „Masse der Bevölkerung“ denn so fühlt, weiß ich nicht, ob das uns so nach vorne bringt.

Gibt es, zumindest für die Schweiz, z.B. hier:

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Ok. Hab ich mir durchgelesen. Die Studie ist von Mitte April und basiert praktisch auf keinen selber während dieser Pandemie erhobenen Daten, sondern alleine auf „Annahmen“, dass irgendwelche anderen Studien aus anderen Kontexten irgendwie vergleichbar wären. Teilweise wirken die Zusammenhänge arg konstruiert. Daraus „errechnen“ sie dann, wieviele Leute durch psychische Probleme angeblich wieviel Lebenszeit verlieren könnten.

Die Autoren gehen im übrigen von einem mindestens dreimonatigen, strikten Lockdown inkl. Ausgangssperren aus – den es hier in Deutschland z.B. bisher gar nicht gab – und vermuten folgende Auswirkungen:

  • Selbstmordrate: Da Strafgefangene eine erhöhte Selbstmordrate gegenüber der Gesamtbevölkerung haben, gehen sie als Grundannahme davon aus, dass die Selbstmordrate sich bei Leuten unter Lockdownbedingungen im selben Maß erhöht. Ähem, ja. :crazy_face:

  • Depressionen: Es wird behauptet, dass die Anzahl der Depressionen um das dreifache steigen soll. Dafür ziehen sie 3 andere Studien heran um das zu belegen: 1. Eine über SARS1, wobei sie aber vergessen zu erwähnen, dass diese gar nicht an der Normalbevölkerung durchgeführt wurde, sondern explizit nur an Angestellten eines Krankenhauses im SARS-Gebiet. 2. Eine Onlinebefragung über einen Ausbruch der Pferdegrippe in Australien. Da gab es, so wie ich das verstanden habe, gar keinen Lockdown für Menschen, sondern für Pferde und befragt wurden Pferdebesitzer und Menschen aus der Pferdeindustrie. :crazy_face: Man könnte die sogar eher als gegenteiliges Indiz sehen, dass eben die Pandemie und die Sorge um Lebewesen, die man liebt, psychischen Stress auslöst, und nicht unbedingt der Lockdown. 3. Eine tatsächliche Onlineumfrage in der Schweiz drei Wochen nach Beginn des ersten Lockdowns jetzt im Frühjahr. Basierend auf dem Studiendesign würde ich zunächst einmal Selection Bias nicht ausschließen. Jedenfalls haben dort etwa 50% berichtet, „stärker unter Stress zu stehen“, etwa 25% hatten keine derartigen Auswirkungen und die restlichen 25% gaben an, sogar weniger unter Stress zu leiden als vor Covid. Daraus machen sie dann irgendwelche Zahlenmagie.

  • Alkoholmissbrauch: Der deutsche Einzelhandel vermeldet, dass bei geschlossenen Kneipen, Bars, Clubs und Restaurants die Verkäufe alkoholischer Getränke an Privathaushalte ansteigen. No shit, Sherlock. Die Leute werden anscheinend alle Alkoholiker. m)

  • Scheidungen: Anscheinend verkürzen Trennungen und Scheidungen ebenfalls die Lebenserwartung, und angeblich steigt diese Zahl im Lockdown. Ob es in den Beziehungen vielleicht eh schon gekriselt hat, und der Zwang aufeinander zu hocken nur der letzte Anlass für die Trennung ist, wird nicht untersucht.

  • Häusliche Gewalt: Die WHO sagt, häusliche Gewalt ist gestiegen. Mag sein. Ist ein Punkt.

  • Soziale Isolation: … führt angeblich zu einer höheren Sterberate. Zumindest ist das der Fall bei Leuten, die unter Nicht-Pandemie-Bedingungen wenig soziale Kontakte haben. Eine Kausalität in einer bestimmten Richtung wird einfach angenommen.

Die Zahlen werden dann in eine Formel gegossen und heraus fallen die Zahlen aus dem NZZ-Artikel. Insgesamt sieht das alles höchst spekulativ aus, und das räumen die Autoren der Studie auch selber ein. Als Mahnung an die Politik, den Bereich psychische Gesundheit im Auge zu behalten und bspw. den Kontakt zu Therapeuten nicht Kontaktbeschränkungen zu unterwerfen oder in dem Bereich Gelder zu kürzen, ist es aber sicherlich sinnvoll.

Es ist wirklich sehr wichtig darüber zu sprechen. Wir wissen oft selbst nicht wie es uns geht. Am Anfang des ersten Lockdowns hat mir dieser Artikel von dem „Grief Expert“ ( was für ein Titel! ) David Kessler sehr geholfen. Ich weiß nicht wie der originale Zitat auf Deutsch lautet, aber Wittgenstein sagt:

" All I know is what I have words for ".

Der Psychologe in diesem Fall hat die Wörter gefunden die uns fehlen um zu verstehen was in uns los ist:

Die beliebteste Psychologie Professorin von Yale University, Laurie Santos hat ein Podcast die auch sehr nützlich ist. Sie hat schon vor den Corona Zeiten gesehen, daß unglaublich viele Studenten unter Depressionen und Angststörungen leiden. Darum hat sie eine Vorlesung angeboten die " The Science of Happiness" hiess. So viele Studenten wollten die Vorlesung besuchen, daß man den großen Konzertsaal von der Uni benutzen musste.

Sie ist dann auf die Idee gekommen aus diesen Einsichten ein Podcast zu machen. Sie lädt auch immer sehr interessante Gäste ein.

Sie hat mehrere Episoden zum Thema Corona gemacht. Sie gibt viele praktische Tipps darüber, wie man sich selbst und anderen am besten helfen kann.

Hier ist ein Beispiel: