Privilegien nach Impfung

Eine generelle Frage eher moralphilosphischer Natur an die Community. In der aktuellen Lage gab es das Beispiel, von Frau Alena Buyx (Vorsitzende des Ethikrathes) die als Begründung für ihr Ablehnen von Privilegien einen sogenannten „Deal“ der Gesellschaft genannt hat. Da einige Gruppen einen Vorzug erhalten wäre es ethisch nicht vertretbar, wenn diese Personen dann gewisse Privilegien erhalten. Meine Frage heierzu wäre ganz simpel: Warum nicht? Insbesondere wenn ich durch diese Privilegien keinem Anderen schade. Als Beispiel: Warum kann sich die Belegschaft einer Coronaintensivstation (alle durchgeimpft) nicht nach der Schicht in größerer Gruppe zur wichtigen Teambildingmaßnahme dem Biertrinken treffen? Noch als Argument hierfür würde ich in den Raum werfen, dass Leute die später geimpft werden ja den Vorteil haben, dass sie durch die Daten, die Menschen aus der ersten Gruppe generieren profitieren. Also zum Beispiel mit einer größeren Sicherheit in ihre Impfung gehen. Mich würde die Meinung der Community hierzu sehr interessieren.

Ich verstehe das Argument von Frau Buyx. Wenn ich, obwohl ich geimpft werden möchte, ein Jahr lang nicht geimpft werden kann, weil ich nicht oben in der Priorität bin und auf einen Termin warte, ist das ärgerlich.

Dieser Konflikt „Deal der Gesellschaft“ und „wirtschaftliche Planung“ wird ausgetragen und besprochen werden müssen.

Am Ende denke ich aber, dass sich die Wirtschaft solche Privilegien einfordern und auch durchsetzen wird, da daran ja ebenfalls finanzielle Existenzen geknüpft sind.

Allein die Flugindustrie wird meiner Meinung nach darauf drängen, den Betrieb schrittweise wieder auf ein normales Maß hochzufahren. Und beim Check-In das Impfzertifikat zu zeigen, entspricht genau so einer Lösung, die ich mir an Flughäfen vorstellen könnte, damit die Airlines wieder global agieren können.

Gerade bei Fluggesellschaften wird sich die Debatte schnell erledigen. Zumindest bei Auslandsreisen - spätestens außerhalb der EU - könnte und wird auch das Einreiseland auf den Impfnachweis bestehen; und die Prüfungspflicht ggf. sogar auf die Fluggesellschaften auslagern.

Rein nach dem Bauchgefühl verstehe ich ja Frau Buyx auch. Nun sind die ja der Ethikrat und ich nehme mal an, dass die da ne tiefergehende Begründung haben. Jetzt ist es nunmal so dass eine Priorisierung stattfindet und einige Personen später dran kommen. Nur kommen die ja nicht noch später dran wenn jemand geimpftes irgendwelche Privilegien hat oder kommen nicht früher dran wenn man sie nicht hat. Sprich: Die Person hat da keinen Nachteil von. Umsomehr ich also drüber nachdenke ist das einzige was als Argument übrig bleibt: Es gab keine Privilegien geben, weil einige Personen die sowieso länger warten dann noch etwas eifersüchtig sind. Und das halte ich dann doch für ein schwaches Argument

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Noch ist ja nicht mal die Frage geklärt, ob Geimpfte nicht dennoch das Virus übertragen und damit weiterhin eine Gefährdung für andere sein können. Ich prognostiziere mal, dass diese akademische Diskussion ähnlich schnell verpuffen wird wie die Forderung nach einem Immunitätsnachweis für Genesene. Dagegen sehe ich deutlich mehr Streitpotenzial hinsichtlich der Priorisierung der Impflinge und unberücksichtigter Härtefälle.

Sieh es mal so: Je mehr Auswirkungen eine frühe Impfung hat, desto mehr muss die Impfreihenfolge juristischen Überprüfungen standhalten. Dann wird es ganz schnell Abwägungen geben, ob die Oma sich nicht lieber ein bisschen mehr isoliert, dafür aber die Lehrerin geschützt wird.

Hallo Aratee,

Du hast da eine interessante Frage aufgeworfen.

Meiner Meinung nach ist der Dreh-und Angelpunkt die Verfügbarkeit des Impfstoffes. Wenn genügend vorhanden wäre und jeder frei entscheiden könnte, dann stimme ich Dir zu, das die Ersten davon profitieren sollten.

Die ‚Early Adaptors‘ haben das höhere Risiko und sollten davon auch profitieren.

Die ‚Abwartenden‘ müssen mit den Einschränkungen länger leben und bekommen dafür einen bezüglich der Nebenwirkungen gut getesteten Impfstoff.

Dann kann jeder entscheiden, welche Vorteile mit welchen Risiken verbunden sind. Aber dafür benötigen wir genügend Impfstoffe.

Dann kann man die Diskussion erweitern, jetzt mal sehr Provokativ:
Impfe ich eine Pflegekraft in Afrika oder eine/n UrlauberIn in Europa?

Danke, das hat mich in der Diskussion von U & P auch irritiert… Die ganze Diskussion ist ja nur dann überhaupt sinnvoll, wenn man davon ausgeht, dass mit Impfung auch keine Ansteckung erfolgen kann. Auch wer jetzt geimpft wird, ist bis aus meiner Sicht bis auf Weiteres nicht von Maskenpflicht und Kontaktbeschränkungen befreit…

Eifersüchtig auf Privilegien? Noch ein ganzes Jahr nicht reisen dürfen, Familie nicht besuchen dürfen, bei der Stellensuche Nachteile zu haben, nicht mit Freunden ins Kino dürfen, nur weil man nicht in den 30ern, sondern in den 80ern geboren wurde und es nicht geschafft hat sich in die Risikogruppe Adipös zu fressen? Privilegien für Geimpfte, solange nicht alle, die sich impfen lassen wollen auch impfen lassen können halte ich für asozial, aber ab dem Zeitpunkt, an dem es Impfstoff für alle gibt, für sehr sinnvoll.

Die Frage die ich mir gerade stelle ist, warum z.B Künstler auf Konzerte vor Geimpften weiter verzichten müssen, obwohl es technisch möglich wäre. Das gleiche fragen sich zum Beispiel auch Betreiber von Veranstaltungssräumen.

Ich bin aber eigentlich sehr gegen Privilegien für geimpfte in der Anfangszeit der Impfdosisknappheit, aber Künstler haben es wirklich schon sehr schwer, sodass es mir irgendwie leidtut, sie noch länger zu vertrösten.

Das was sie beschreiben ist ja exakt eine Eifersucht auf gewisse Privilegien (Reisen, Kino Familienbesuch). Eine die ich auch vollkommen nachvollziehen kann. Mein Gegenargument ist halt nur, dass wenn Leute die geimpft sind diese Privilegien haben und ausleben keinem Schaden und umgekehrt es auch niemanden nützt wenn man noch eine Weile länger darauf wartet. Also sprich: nur weil ich auf das Reisen nach meiner Impfung verzichte, wird jemand anderes nicht früher geimpft. Alles unter der Voraussetzung, dass man nach Impfung die Infektion auch nicht weiter tragen kann natürlich

Mein Kommentar bezog sich v.a. auf das „etwas“ von Ihnen, das sind ziemlich heftige Einschränkungen. Und ich finde es nach wie vor schwierig, solche Dinge als Privilegien zu sehen, die Möglichkeit zu Reisen oder die Eltern zu besuchen sollte in einer freiheitlichen Gesellschaft nicht zum Privileg werden. Leider geht es in Deutschland auch nicht nur um ein paar Monate, sondern für Menschen wie mich (Anfang 30, Triathlet, keine nennenswerten Vorerkrankungen, aber psychische Probleme) nochmal um etwa ein Jahr, wenn die Zahlen die derzeit genannt werden, stimmen.

Zusammen mit den anderen Erwägungen hier in der Diskussion stellt sich dann aber die Frage, ob die Ermöglichung von bestimmten Privilegien nach einer Impfung dann nicht zu einer neuen Diskussion über die Impfreihenfolge führt, dann unter dem Gesichtspunkt die Wirtschaft wieder anzukurbeln. Die Gruppe der 85+ Mitbürger, die in einem Pflegeheim wohnen und noch regelmäßig in den Urlaub fliegen, ist wahrscheinlich nicht sehr groß, gute „Konsumenten“ sehen wohl anders aus. Man könnte auch eine Fairnessdebatte aufmachen, ob man sich impfen lassen sollte, wenn man die Privilegien dann nicht nutzt?

Interessant ist auch der Ansatz Indonesiens, die Menschen zuerst zu impfen, die am mobilsten sind (eher jüngere Menschen) – siehe hier: Indonesien impft zuerst die Jungen gegen das Coronavirus

Ich bin absolut kein Impfskeptiker, sobald ich darf, werde ich mich gegen Corona impfen lassen (habe mich auch wie jedes Jahr im Oktober gegen Grippe impfen lassen). Ebenso treibt mich die Sorge um, wie wir eine ausreichend große Zahl an Mitbürgern von der Impfung überzeugen können. Aber ich bin bisher der Meinung, dass wir das eher mit einer einfachen Strategie ohne viel zusätzliche Privilegien erreichen, die zu einer Infragestellung der Strategie führen könnten. Einige Dinge lassen sich aber hoffentlich bald so oder so verbessern für unsere Mitmenschen in Pflegeheimen – wenn Bewohner und Personal geimpft sind, sollten gemeinsame Mahlzeiten und andere Gemeinschaftsaktivitäten wieder möglich sein.