Vielen Dank für deine Einsichten, @Tobias2 – das finde ich als (unfreiwilliger) Beobachter von Querdenker-Aktivitäten hier auf dem Land sehr aufschlussreich und kann mir vorstellen, dass die Situation für euch sehr schwierig ist.
Ich lebe in Illertissen, einem Ort im bayrisch-schwäbischen Grenzgebiet, wo es eine recht aktive Querdenker-Szene gibt, die seit eineinhalb Jahren mit verschiedenen Aktionen (zunächst klassische Demos vor meiner Haustüre auf dem Marktplatz, zuletzt „Spaziergänge“ in durchaus beachtlicher Größe) versucht, auf sich aufmerksam zu machen. Hierbei fällt mir auch immer auf, dass das Mobilisierungspotenzial recht großflächig zu sein scheint und Teilnehmer:innen von weither anreisen. Die Veranstaltungen finden bei uns Sonntag-nachmittags statt, sind also sehr „familienfreundlich“ und auch immer von vielen Familien mit Kindern besucht.
Abgesehen von einzelnen Terminen, zu denen offensichtlich Kräfte von außerhalb zusammen gezogen wurden, habe ich den Eindruck (ohne jede interne Kenntnisse), dass die Veranstaltungen meist nur – wie von dir beschrieben – von den Einheiten „begleitet“ werden, die eh vor Ort sind. Das beschränkt sich dann in der Regel auch auf eine rein passive Beobachterrolle, d.h. Wagen stehen neben der ungestört stattfindenden Demo oder fahren neben dem „Spaziergang“ her. Ich habe das Gefühl, dass die Teilnehmer:innen dadurch durchaus in ihrem Tun bestätigt werden.
Schade finde ich, dass es hier in der Außenkommunikation der Polizei offenbar gar kein Problemempfinden gibt, siehe z.B. diese Pressemitteilung von heute (Original):
Corona-Spaziergang
ILLERTISSEN. Am Sonntagnachmittag kam es im Stadtgebiet erneut zu einem Zusammentreffen von Gegnern der Corona-Infektionsschutzmaßnahmen. Etwa 700 Personen nahmen an der nicht angemeldeten Veranstaltung teil. Die Szene traf sich zunächst in kleineren Gruppen auf diversen Plätzen in Illertissen und formierte sich schließlich zu einem Aufzug entlang der Staatsstraße 2031, also im Bereich der Ulmer Straße, Memminger Straße. Während des „Spaziergangs“ erfolgte kein offensichtlicher Protest. Vielmehr liefen die Teilnehmer in relativ geordneten Reihen auf den Gehwegen zunächst in nördlicher Richtung bis zum Kreisverkehr Saumweg. Dort querte der Aufzug die Staatsstraße und bewegte wieder gen Süden. Im Bereich der Memminger Straße, ungefähr auf Höhe der Anton-Kanz-Straße, machten die „Spaziergänger“ erneut kehrt. Anschließend ging es zurück zur Hirschkreuzung. Dort beendete ein Großteil der Teilnehmer den Protest. Etwa 300 Personen verlegten noch zum Marktplatz und standen in Kleingruppen herum. Davon spazierten wenig später nochmals 100 Personen die Ulmer Straße in Richtung Norden entlang und wieder zurück. Der Protest verlief durchwegs friedlich. Zu Verkehrsbehinderungen kam es nicht. Nach etwa zwei Stunden war die Protestaktion beendet.
(PI Illertissen)
Das erzeugt bei mir das Gefühl, dass versucht wird, die passive Taktik durch ein nachträgliches Schönschreiben der Lage zu rechtfertigen. Wäre es denn zu viel verlangt (natürlich kein Vorwurf an dich), hier wenigstens deutlich zu machen, dass diese Veranstaltung nicht rechtmäßig war, oder durchgehend den „Spaziergang“ in Anführungszeichen zu setzen? Dies insbesondere, da die Lokalpresse hier auf dem Land nach wie vor sehr glücklich Polizeipressemitteilungen 1 zu 1 ins Blatt nimmt (diese Unsitte war ja vor längerer Zeit schonmal Thema in der Lage) und diese somit aktiv zur Meinungsbildung vor Ort beitragen.