Politische Kommunikation: Zählt eher Lärm als Inhalt?

Ich hab grad kurz bei Maischberger reingeschaut, ging um Ampel, CDU und aktuelle Themen.
Gast unter anderem Philip Amthor der CDU, im Clinch mit einem SPD Kollegen.

Was mir diesmal extrem auffiel: Amthor redete ohne Punkt und Komma, kaum Argumente oder belegbare Fakten, aber die stete laute Wiederholung der aktuellen CDU Positionen und Dauerkritik an der Ampel. Sobald sein SPD Kontrahent nur Luft holte, grätschte er direkt rein und ließ ihn kaum ausreden.
War beim zuhören sehr unangenehm und anstrengend, zudem kaum Erkenntnisgewinn.
War heute nur ein Beispiel, stelle ich auch in anderen Diskussionen vermehrt fest.

Geht es tatsächlich nur noch darum, den politischen Gegner niederzubrüllen und nicht zu Wort kommen zu lassen? Zählen wirkliche Argumente nicht mehr?
Ist das die Art der politischen Diskussion, die heute Usus ist?

Ich kann da die Gründe für Politikverdrossenheit langsam verstehen…

Wie nehmt ihr das wahr?

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Ich persönlich habe auch seit längerem das Gefühl, dass viele Talkshows (z.B. auch Markus Lanz) nicht mehr für eine wirkliche Debatte stehen, sondern vielmehr gezielt Aufmerksamkeit durch bestimmte Themen und ausgewählte Personen erzeugen wollen.

Das beängstigende dabei find ich ist, dass der Inhalt solcher Talkshows häufig zusätzlich aus dem Zusammenhang gerissen und als TikTok (Kurzvideo) aus dem Kontext gezogen hochgeladen wird. Meist sind das ebenfalls sehr populistische Aussagen ohne Hand und Fuß… Vor allem die Kommentare unter solchen Videos gehen echt gar nicht.

Ich frage mich dann immer ob man den Kommentaren antworten sollte, oder den Videos grundsätzlich überhaupt keine Aufmerksamkeit schenken sollte.

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Das ist leider der Normalfall in den klassischen Medienformaten. In einer formatierten Sendung hat jede Person x-Minuten die Möglichkeit ihre Position darzustellen und ausnahmslos alle sind darauf trainiert. Eine Sendung die wie ein gemeinsames Brainstorming funktioniert, wäre für die Personen aus der Politik nicht attraktiv, da die eigene Position halt schon fest hergestellt wurde (wie ein Produkt) und nun nur noch unter die Leute gebracht werden kann/muss.

Angenehme Ausnahme sind dann Podcasts, in dem Fall Jung und Naiv, wo wirklich Zeit ist und ich beim Denken teilweise zuhören kann. Selbst wenn es vorher nicht meine Position war, eine Gesprächsführung zwischen Interviewer und Interviewten die zum Mitdenken einlädt, ist die Zeit wert.

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Ich glaube man sollte sich immer wieder vergegenwärtigen, dass Talkshows in erster Linie ein Unterhaltungsformat sind, das vor allem entstand, weil enorm günstig zu prouzieren ist, aber dennoch viele Zuschauer begeistert.
Dass in Talkshows auch über Politik geredet wird, ist sozusagen eher ein Nebenprodukt. Das kann man sehr gut an Markus Lanz sehen, in dessen Show zwar früher auch immer mal Politiker saßen, aber viel häufiger Schauspieler, Autoren oder irgendwelche Promis, die halt ihre Geschichtchen erzählt haben.
Dass Politiker, wenn sie in eine solche Show eingeladen werden, das als Plattform nutzen, um ihre Botschaften zu platzieren - sei es nun in voller Länge bei Ü60-linear-TV-Publikum oder in 10-Sekunden-Bytes für ein jüngeres TikTok-Publikum, ist aus meiner Sicht die logische Folge so eines Formats und nicht weiter verwunderlich.
Bedenklich ist aus meiner Sicht eher, dass viele Medien - und auch viele Menschen - solchen Talkshows inzwischen einen Stellenwert einräumen als wären es zum Beispiel Parlamentsdebatten. Es gibt inzwischen ein ganzes Genre von Medienberichten, die sich mit nichts anderem Beschäftigen, als wiederzukäuen, was irgendein Politiker (oder auch ein anderer Gast) in einem anderen Medienbeitrag gesagt hat.

Prinzipiell würde ich sagen, gilt dasselbe auch für Langformate wie Jung & Naiv. Die haben klar ihren Vorteil, wenn man ausführlich verstehen möchte, wie ein Mensch tickt und wie er dazu gekommen ist, so zu ticken. Das finde ich zum Beispiel spannend bei Wissenschaftern oder Aktivisten. Bei Politikern überwiegt auch hier das gezielte Platzieren - denn die sind schließlich darauf geschult, auch in einem 3-Stunden-Interview nichts auszuplaudern, was sie nicht auch in einem anderen Talkshowformat sagen würden. Aber um politische Inhalte kontrovers zu dikutieren oder jemanden zu „entlarven“, ist so ein Format gänzlich ungeeignet, was zuletzt die Jung & Naiv Episode mit Maximilian Krah wieder mal gezeigt hat.

Edit: Vieles von dem Gesagten gilt übrigens auch für 1:1 Interviews im Fernsehen. Es gibt auch nur wenige Journalisten, die wirklich rhetorisch und inhaltlich so gut sind, dass sie sich nicht die Butter vom Brot nehmen lassen und einen Politiker auch mal festnageln können. Aber die haben dann deswegen eben auch schnell keine Gäste mehr. Legendär war da z. B. ein Interview mit Frauke Petry im BBC-Format Hard Talk. Da fing Petry im Interview an, sich über die gemeinen Fragen zu beschweren…

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Hat er inzwischen erklärt, was es mit dieser AI Firma an der er und diverse (ex) Geheimdienstler beteiligt waren, auf sich hatte? Das stinkt zum Himmel

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Ich muss sagen, dass ich um die Jahrtausendwende rum, als ich angefangen habe solche Formate anzusehen, keinen so anderen Eindruck hatte als heute. Ein Gregor Gysi war z.B. schon damals ein Gast, der eine Diskussion auch ohne selbst gute Argumente zu haben (ich will damit ausdrücklich nicht aussagen, dass er nie gute Argumente hatte) dominieren konnte. Am Ende konnte er zwar in einer solchen Diskussion nicht unbedingt punkten, aber eben auch kein anderer.
Amthor sehe ich ähnlich. Ich bin weder bei Gysi noch bei Amthor auf der gleichen politischen Linie, aber beide können Gespräche dominieren. Mit Argumenten aber auch ohne Argumente.

Wie hier schon angesprochen wurde, darf man von einer Talk-Show eben in erster Linie Unterhaltung und erst in zweiter Linie Information erwarten. Und der durchschnittliche Zuschauer wird lieber von einem polemischen Streitgespräch unterhalten als einer Fachdiskussion zu folgen deren Argumente man dann auch nur mehr, wenn überhaupt, oberflächlich versteht.

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Also mir sind in dem Interview mehr Sachen über Krah klar geworden, als wenn in 5 Minuten er sagt: A ist wahr und der Interviewer sagt, B ist wahr, nein, doch, usw.
Ist aber halt immer subjektiv.

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Ich habe eher den Eindruck als wenn es früher ein Nebenprodukt gewesen ist, jetzt aber fast ausschließlich behandelt wird. Vielleicht trügt dieser Eindruck aber auch.

Da hast du glaub ich einen guten Punkt gemacht. Natürlich muss man schauen, wo man seine Informationen hernimmt.

Wohl wahr, obwohl ich Gysi zumindest als rhetorisch eloquent bezeichnen würde.
Und er kann dominieren, lässt seinen Gegenüber aber auch durchaus mal ausreden oder zu Wort kommen.

Sicher wurde früher auch nicht mit Samthandschuhen oder weniger emotional diskutiert.

Aber ich nehme zumindest in solchen Diskussionen einen immer mehr aggressiven Stil wahr. Es geht dann weniger ums Thema, als darum das Gegenüber quasi „zu zerstören“ (beliebte Überschrift in Social Media Beiträgen).

Mag am Unterhaltungsformat liegen, an einem generell martialischen Umgangston unserer Geselkschaft oder ich werd mit zunehmendem Alter sensibel. :wink:

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Das habe ich mal mehr und mal weniger immer so gesehen. Ob das heute mehr ist kann ich nicht beurteilen, weil ich zu wenig schaue. Das wäre zum Teil aber auch wahrscheinlich den immer weiter liegenden Positionen geschuldet. Gerade unter Merkel waren die Positionen der Parteien ja lange sehr eng beisammen. Da mussten viele ja aufpassen nicht am Ende gegen ihre eigene Position zu argumentieren.

Heute haben sich einerseits die Parteien grundsätzlich wieder weiter voneinander entfernt, und andererseits kommt noch eine Partei dazu, deren Positionen man damals gar nicht zur Diskussion zugelassen hätte (Auftritte der NPD kann man an einer Hand abzählen).

Diese Talkshows sind eben das, was früher Jerry Springer oder in Deutschland Arabella Kiesbauer o.ä. war. Je mehr „kontroverse Positionen“ und Krawall, umso unterhaltsamer fürs Publikum. Und nebenbei fühlen die Zuschauer sich dann noch total schlau und intellektuell, weil sie „sich für Politik interessieren“ statt Unterschicht-TV zu konsumieren. In Wahrheit ist das aber mehr oder weniger dasselbe.

Wer diese Sendungen einschaltet, hat schon verloren.

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Kommt drauf an, mit welchem Ziel man sie schaut :wink:

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Naja gut. Wenn man das Ziel hat schlechte Laune zu bekommen, ist das Schauen dieser Sendungen natürlich eine Gewinnerstrategie.

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Am schlimmsten sind immer die Kommentare. Irgendwelche Afd Wähler, die dann wieder irgendwelche, nicht themenbezogene, beleidigende Kommentare verfassen und in der Kommentarspalte großen Zuspruch erhalten.
Da denk ich mir echt ob ich der einzig normale bin… :triumph:

Das Format ist die eine Sache. Es gibt sehr unterhaltungsfokussierte Formate, da rechnet man schon mit medienwirksamer Zuspitzung.

Das andere ist das Verhalten gewählter Volksvertreter.
Sicher kann man seine Politik entschlossen vertreten. Aber wenn es nur noch darum geht, feindselig seinen politischen Kontrahenten anzugehen, um von der eigenen Inhaltsleere abzulenken, dann frage ich mich schon: das sind Volksvertreter?
Wenn ich die nichtmal Grüßen würde, warum soll ich die wählen?

Oder geht es uns Wähler auch schon gar nicht mehr um Inhalte und eine gemeinsame gesellschaftliche Zukunft, sondern nur noch um voyeuristischen Krawall?

Die aktuelle „Debatte“ zu Habeck und dem Cicero Artikel ist auch solch ein gutes Beispiel für diese Strategie. Das ist die Wärmepumpe all over again.

Den Artikel selbst hat kaum einer der Leute gelesen die jetzt bei Xwitter u.ä. im kompletten Wahn Schlagzeilen diverser Zeitungen aus dem qualitativ minderwertigem Bereich teilen.
Der Inhalt des Artikels steht aber in keinem Verhältnis zu dem Drama. Das ist total lächerlich.
Es gibt aber scheinbar in der aktuellen Debattenkultur keine Möglichkeit das gerade zu rücken für die Betroffenen weil es einfach als Teil der „Verschwörung“ angesehen wird.
Keiner interessiert sich für die Inhalte.
Ich habe es gestern schon versucht indem ich Screenshots aus dem Artikel geposted habe. Keiner hat Interesse daran. Der Hass ist viel dankbarer. Gibt auch ordentlich Likes.

Das ist wirklich toxisch alles. Die einzige verbleibende Methode die mir einfällt um damit klar zu kommen und durchzukommen ist Humor. Wobei das scheinbar auch bei dem harten Kern nicht durchkommt weil irgendwie keinerlei Schamgefühl mehr vorhanden ist.

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Interessanterweise werden bei den Grünen selbst bei eher banalen Dingen Rücktrittsforderungen laut, bei anderen Parteien ist man sich trotz gravierender Vorwürfe keinerlei Schuld bewusst.

Kann es sein das die Grünen Zuviel Veränderung (die wohl nötig ist) forcieren und darum Feindbild Nummer 1 sind, teils noch vor der AfD?

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Ich denke das ist der Kern der Ablehnung. „Halt Stopp! Das bleibt alles so wie’s hier ist!“

Ich selbst befürworte ja auch die notwendigen Veränderungen so moderat wie möglich und durch eine zeitliche Streckung so günstig wie möglich zu halten. Aber dies wäre eben deutlich leichter zu realisieren gewesen, hätte man damit Umfangreich in den 90ern angefangen.

Und so kommt es, dass Leute wie Söder, die einst noch den Verbrenner am liebsten so schnell wie möglich verboten hatten, als diese Forderung noch eher unrealistisch war, heute, wo die Forderung und vor allem auch Umsetzung konkret wird und auch zeitlich näher rückt plötzlich zurückrudern.

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Ja meine These wäre wie folgt:

Vor 2018 gab es im Grunde nur den Klimawandel als vordringlichstes Problem in der allgemeinen Wahrnehmung.
Das brachte u.a. Auch die Grünen maßgeblich mit in die Regierung.
Corona, Ukraine-Krieg, Energiekrise, höhere Kraftstoffpreise, Krieg in Nahost, Flüchtlingsströme (gefühlt), dazu das Auflpoppen verdrängter Mängel (Infrastruktur, Bahn, Bundeswehr) waren offenbar für weite Teile der Gesellschaft zu viel bzw. sind zu viel.

Dazu das dauernde Hochkochen vermeintlicher Probleme, Ampel-Kritik (teils zu Recht wegen der internen Streitereien).

Jetzt wollen viele nur noch Harmonie und Beständigkeit.

Einige Parteien versprechen das, wohlwissend das sie das gar nicht halten können.

Das verschärft die öffentliche Diskussion zwischen Realisten und denen, die gerne wieder fiktive schöne Zeiten möchten.

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Da geht es viel um Gefühle. Es wird suggeriert, dass alles schlechter wird. Nehmen wir als Beispiel den Sport. Hier wird die Reform beim Fußball in den unteren Altersklassen nicht mehr in Form 7 gegen 7 zu spielen sondern auf kleinen Feldern 3 gegen 3 bis 4 gegen 4 mit 4 Toren und mehr Spieldynamik kritisiert, weil dafür auf eine Saisontabelle verzichtet wird.
Es heißt die Kinder würden verweichlicht werden. Dabei sieht die Realität ganz anders aus. Während beim 7 gegen 7 immer nur wenig Spieler gerade aktiv am Spiel teilnehmen und schwächere Spieler ganz zusehen müssen ist beim Funino Plötzlich jeder Spieler gefordert. In kleinen Spielen hat jeder Sieg und jede Niederlage eine direkte Konsequenz (man kommt ein Spielfeld rauf oder runter). Die Intensität ist bedeutend höher.

Nur weil bisher schon in der G-Jugend viele Eltern und Trainer die Saisonabschlusstabelle als Selbstbestätigung für sich (nicht für die Kinder) brauchten wird ein Konzept, welches in anderen Ländern schon lange erfolgreich angewendet wird und auch keinerlei Folgen hinsichtlich schlechterer Wettkampffähigkeit der Spieler zu sehen sind, als Verweichlichung geframed. Die wenigsten können dabei überhaupt begreifen, was Leistung im Sportnachwuchs eigentlich ist, weil sie Entwicklung gar nicht begreifen können. Sie können nur Ergebnisse auswerten.

Edit:
Und gleiches bei Themen wie Wärmepumpe. Da die Funktion einer Wärmepumpe, vor allem der Gewinn von Wärme aus der Umgebung (selbst bei Minusgraden) für die meisten zu abstrakt ist, verteufelt man lieber die komplette Technologie.
Und hier haben Medien ein leichtes diese Empörung für sich zu nutzen um Klicks zu generieren. Ein objektiver Aufklärungsartikel wird nicht die Klickrate bekommen wie ein Artikel der poltert.

Edit2:
Gestern wurde mir bei Facebook ein Artikel von Chip angezeigt, bei dem es um die Pleite eines höchstspezialisierten Fahrradhersteller aus Finnland ging. Der hatte gerade eine Hand voll Mitarbeiter und besetzte eine so kleine Nische, dass der sich nicht halten konnte. In Bike-Magazinen natürlich ein Thema, da viele diese Räder zumindest aus Magazinen oder von Messen kannten. Dass aber die Pleite eines finnischen Kleinbetriebs auf Facebook in einer Form präsentiert wird, der suggeriert ein großer Hersteller aus Deutschland sei insolvent, führte natürlich wieder zu zahlreichen Reaktionen, die Grünen, insbesondere Habeck, machen die deutsche Wirtschaft gezielt kaputt.

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