Pflegekräfte

Wieder aus meiner persönlichen Perspektive: ein großer Teil der Tätigkeiten, die laut Sozialgesetzbuch unter „Pflege“ fallen und die wir über die Jahre in Anspruch genommen haben könnte ohne Probleme von einer angelernten Hilfskraft übernommen werden. Der ganze Komplex der „pflegerischen Betreuungsmaßnahmen“ zum Beispiel, oder auch Hilfen bei der Haushaltsführung.

Ich will damit Pflege-Fachkräfte nicht schlechtreden. Gute und gut ausgebildete Pflegekräfte gibt es zu wenig und sie werden zu schlecht bezahlt. Aber der Fakt ist, dass momentan viele Menschen Leistungen weder von einer Fach- noch von einer Hilfskraft beziehen, obwohl sie darauf Anspruch hätten, weil es einfach nicht genug Kräfte gibt. Was hilft es meinem Sohn, dass er Anspruch auf eine Fachkraft als Begleitung in der Schule hat (weil er gewindelt werden muss), wenn diese Fachkraft für praktisch kein Geld der Welt zur Verfügung steht und er deshalb nicht zur Schule gehen kann? Stattdessen haben wir jetzt eine Hilfskraft, die aber über 10+ Jahre Erfahrung verfügt, sich mit meinem Sohn hervorragend versteht und ihn natürlich auch gewindelt kriegt.

Mehr Menschen als Pflege-Hilfskräfte nach Deutschland zu holen hätte auch den Vorteil, dass man damit vielleicht die Pipeline für Pflege-Fachkräfte wieder füllen könnte. Dann wären in ein paar Jahren nämlich jede Menge Menschen mit relevanter Berufserfahrung im Land, die dann zur Fachkraft ausbilden lassen könnten.

Auch wenn ihnen hier eine gewisse Widerrede zukommt, möchte ich ihnen gerne zustimmen.
Mein Werdegang in den Beruf der Pflege hat sich erst mit 26 Jahren ergeben.
Mir war von vornherein klar, dass ich gerne einen akademischen Weg im Bereich der Pflege gehen möchte.
Hierzu ermöglichte mir mein damaliger stellv. Schulleiter der Berufsschule ein duales Studium in Kooperation mit einer österreichischen Hochschule.
Vier Jahre später und ich hatte meinen Bachelor of Science in Nursing sowie eine Examen in Gesundheits- und Krankenpflege in der Hand.
Aktuell befinde ich mich als Krankenpfleger im Uniklinikum Hamburg-Eppendorf als ganz normaler Gesundheits- und Krankenpfleger im Einsatz. Nebenbei studiere ich im Master Advanced Nursing Practice in Salzburg. Ich nehme den weiten Weg zur Präsenzzeit nach Österreich gerne auf mich, da ich selbst am Uniklinkum als akademisierte Pflegekraft in der Praxis keine besonderen Aufgaben habe.
Hier liegt es an den Leitungen der Kliniken und an den Gesundheitsministern der Länder etwas zu ändern.
Ja, es macht Sinn eine Akademisierung zu fordern und das Leistungsniveau an das anderer europäischer Länder anzupassen. Dennoch fehlt eine Perpektive für neue Absolvent*innen die nicht in eine Management-, Lehr- oder Forschungsposition eintreten möchten.
Wenn nun Ulf hier schreibt, er findet es Unsinn die Ansprüche heraufzuschrauben ist das ein Argument, das immer wieder von außen aber auch von innen gegen eine Akademisierung angebracht wird. Dies ist nicht haltbar.
In Österreich ist seit 2019 der Pflegeberuf eine fachhochschulische Ausbildung und es gibt beim besten Willen nicht weniger Bewerber als vorher. Eine Akademisierung wertet den Beruf auf und zieht auch neue Kräfte an.
Wenn es nun um den Einstieg geht, dann gibt es da genug Möglichkeiten auch ohne die Hochschulreife in den Beruf einzusteigen.
Dänemark und Östereich zeigen, wie man auch den Beruf der Pflegehelfer deutliche aufwerten kann, unter anderem auch dadurch, dass diese dann im Anschluss ebenso in den akademischen Grad einsteigen können.
Immerhin wird hier von Ulf erwähnt, dass es eine differenzierte Job-Landschaft benötigt.
Dennoch ist es schon richtig sprachlich darauf zu achten wie über den Fachbereich Pflege geredet wird.

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Ich denke differenzierte Job-Landschaft ist hier der Schlüssel. Sie entlastet zum einen (wenn es gut gemacht ist) die besser ausgebildeten Fachkräfte von einfacheren Tätigkeiten und eröffnet durch mehr Karrierechancen bessere Perspektiven für potentielle Neueinsteiger.
Es sollte also um eine Spreizung der Qualifikationsprofile gehen, um an einem Ende die Eintrittshürden zu verringern und am anderen die Perspektiven und die Attraktivität der Branche zu verbessern.

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Ich denke das ist der Punkt. Wir müssen uns von der künstlich hochakademisierten eierlegenden Wollmilchsau verabschieden.
Grundgedanke ist ja oft, eine höherqualifierte Kraft einzustellen, die weniger anspruchsvolle Tätigkeiten mitmacht, damit man keine weiteren Arbeitskräfte einstellen muss.

Eine Aufsplitterung von Tätigkeiten, die in verschiedene Qualifikationsniveaus gegliedert sind, bietet vielen Arbeitskräften einen besseren Einstieg in den Arbeitsmarkt.

Beispiel: in den 90ern gab es in Kindergärten die Erzieher (3jährige Ausbildung) welche vorrangig für den Altersbereich 3-älter zuständig waren und Gruppenleitungsfunktionen wahrnehmen konnten. Dazu die einjährig ausgebildeten Kinderpflegerinnen, die für den Bereich 0-3 zuständig waren und eine unterstützende Funktion in der Gruppe hatten.

Dann kam die Idee, die Qualität in Kindergärten zu erhöhen, es wurden nur noch Erzieherinnen eingestellt, Kinderpflegerinnen mussten sich weiterqualifizieren oder aufhören.
Allerdings war für die Ausbildung zur Erzieherin ein Realschulabschluss Voraussetzung.
Eine Kinderpflegerin mit Hauptschulabschluss und einjähriger Ausbildung musste demnach den Realschulabschluss nachholen plus die Erzieherausbildung. Macht 5 Jahre.
Später gab es aus der Politik Forderungen , statt Erzieher doch eher studierte Sozialarbeiter zu nehmen.
Die wie dann die Erzieherinnen auch Windeln wechseln und pflegende Tätigkeiten übernehmen, wofür Kinderpflegerinnen speziell ausgebildet waren.
Der Notstand in der Kinderbetreuung kommt nicht von ungefähr.
In der Schleckerkrise hieß es dann auch aus der Politik, die Verkäuferinnen bei Schlecker könnten auch in Kindergärten arbeiten, da sie an der Kasse doch viel mit Kindern zu tun hatten. Fand der Berufsverband der Erzieher nicht so wertschätzend.
Also eine einheitliche Linie wäre fein, wo wir mit unserem Arbeitsmarkt eigentlich hin wollen. Auch von Arbeitgeberseite.

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Die angesprochenen Leistungen sind in SGB XI geregelt und werden gerne als „Grundpflege“ bezeichnet. Es gibt aber noch einen großen Leistungsbereich in SGB V („Behandlungspflege“).
Hinzu kommt, dass es mit der reinen Verrichtung nicht getan ist. Aufgaben müssen strukturiert, koordiniert sowie evaluiert werden, wo wir erneut bei den Vorbehaltenen Tätigkeiten angekommen sind:

"Pflegerische Aufgaben nach Absatz 2 dürfen beruflich nur von Personen mit einer Erlaubnis nach § 1 durchgeführt werden. Ruht die Erlaubnis nach § 3 Absatz 3 Satz 1, dürfen pflegerische Aufgaben nach Absatz 2 nicht durchgeführt werden.
(2) Die pflegerischen Aufgaben im Sinne des Absatzes 1 umfassen

  1. die Erhebung und Feststellung des individuellen Pflegebedarfs nach § 5 Absatz 3 Nummer 1 Buchstabe a,
  2. die Organisation, Gestaltung und Steuerung des Pflegeprozesses nach § 5 Absatz 3 Nummer 1 Buchstabe b sowie
  3. die Analyse, Evaluation, Sicherung und Entwicklung der Qualität der Pflege nach § 5 Absatz 3 Nummer 1 Buchstabe d.
    (3) Wer als Arbeitgeber Personen ohne eine Erlaubnis nach § 1 oder Personen, deren Erlaubnis nach § 3 Absatz 3 Satz 1 ruht, in der Pflege beschäftigt, darf diesen Personen Aufgaben nach Absatz 2 weder übertragen noch die Durchführung von Aufgaben nach Absatz 2 durch diese Personen dulden." (§ 4 Pflegeberufegesetz, § 4 PflBG - Einzelnorm )

In meiner Kritik geht es nicht darum, in Frage zu stellen, wer was wie erlernen kann. Ich kritisiere eine Unschärfe und Limitationen in der Darstellung des Pflegeberufes. Ich empfinde, dass die Darstellung des Pflegeberufes im Rahmen der Diskussion um Fach-/Arbeitskräftemangel der Komplexität und dem Anspruch des Berufs nicht gerecht wird.

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Der Arbeitgeber vielleicht nicht, aber die Kolleginnen und Kollegen. Das ist doch gerade der Witz bei der Arbeit, dass die soziale und eben auch sprachliche Integration ganz von alleine nebenbei gelingt. Natürlich sind verschiedene Berufe unterschiedlich gut geeignet, um die Sprache erst noch zu lernen, aber im Grundsatz ist das eine riesige Chance.

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Unterstützend auf jeden Fall, wenn jemand schon Grundkenntnisse Deutsch mitbringt.
Wenn jemand ausschließlich Syrisch spricht, wird es für die Kollegen und Kolleginnen schwierig in der Pflege eher belastend im täglichen Arbeitsstress.
Will sagen, einen gewissen Grundwortschatz Deutsch muss gewährleistet sein, um auch Hilfskräfte schnell anlernen zu können.

Können die meisten nicht auch Englisch? Das könnte Lücken überbrücken.

Nicht immer.

Ist ja auch kein grundsätzliches Problem.

Hab allerdings seit Jahren ständig Menschen in der Beratung, die meist nur ihre Muttersprache beherrschen. Die bekommen so keinen Job und auch keine Qualifizierung.
Für eine Ausbildung mit Kamnerabschluss wird meist Deutsch auf Niveau B2 vorausgesetzt.
Und selbst Englisch ist nicht immer ein Selbstläufer, es sprechen nicht alle Deutschen sicher Englisch.

Hinweis wäre daher, wenn wir ausländische Arbeitskräfte schnell in Arbeit bekommen wollen, das man da ausreichend und schnell verfügbare Intensiv-Deutschkurse mitdenkt, um einen schnellen Einstieg in Arbeit zu ermöglichen.

Ich tu mich nur immer schwer mit „einfachen“ pauschalen Lösungen. Wo möglich, immer gerne alles ausprobieren, aber auch Ausnahmen mitdenken. Wir sind ja eine inklusive Gesellschaft😉

Gegeben, wie sehr wir auf Zuwanderung angewiesen sind, gilt das natürlich auch andersrum: Kurse in Syrisch, Englisch usw. für Arbeitgeber:innen. Damit man sich „genug“ verständigen kann, bis die Arbeitnehmer:innen ihre Grundkenntnisse in Deutsch aufgebaut haben. Wir sind ja eine inklusive Gesellschaft :wink:

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Selbst wenn sie English sprechen: wie soll ein kranker Mensch ihnen verständlich machen, dass es ihm/ihr nicht gut geht?

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Wir kommen in Deutschland um Deutsch wohl nicht herum.

:grin:

Ich denke, es braucht mehr Deutschkurse und differenzierte Lösungen.
Als Hilfe ist eine anzulernende Kraft im Zweifel doch auch erstmal nicht allein unterwegs, oder?
Pauschale Lösungen gibt es nicht.
Aber es ist auch nicht die Lösung, pauschal von allen Deutsch B2 und eine abgeschlossene Ausbildung zu verlangen. Sicher sind auch mehrgleisige Ausbildungen parallel in der Praxis und Intensiv-Deutschkurs+berufsbezogener Kurs ggf. auf Eng./Deutsch theoretisch möglich.

Möglich auf jeden Fall.

Man muss es nur machen, und Arbeitgeber wie auch Kammern und Arbeitsagentur müssen da zusammenarbeiten.

Wir kommen sicherlich nicht um deutsch als Kommunikationssprache im Krankenhaus oder sonst wo zurecht.
Patientinnen die keine ausreichenden Kentnisse über deutsch oder Englisch besitzen haben halt ein Problem ihrer Bedürfnisse zu kommunizieren und verstehen aber auch nicht die Behandlungsmethoden.
Das Gleiche gilt aber anders herum auch.
Das größte Problem ist aber leider immer noch, dass Kolleg
innen vor allem in der Pflege, wenn sie nicht so gut deutsch Sprechen, als weniger kompetent oder manchmal sogar als dumm angenommen werden.
Leider gibt es immer noch sehr viele engstirnige Pflegekräfte die ihre Urteile auf rassistischen Ressentiments fußen.

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Das ist ja auch die Realität. Die Auszubildenden kommen teilweise sonntags aus ihrem Heimatland am Flughafen an und sitzen montags in der Pflegeschule.
Andere Auszubildende durchlaufen im Vorfeld Deutsch- und andere berufsvorbereitende Kurse. Ein reines „Training on the Job“ ist in der Pflege nicht möglich. Deshalb gibt es da eine Menge Konzepte sowohl individuell bei den einzelnen Arbeitgebenden als auch übergeordnete Angebote.

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Wir haben bei uns auch eine Pflegeschule und kooperieren auch mit dem Ausland.

Wir haben Pflegeschüler aus dem Iran, die schon gut Deutsch sprechen (allerdings handverlesen im Iran aus „besseren“ Familien), dazu Pflegeschülerinben aus Vietnam, die sich mit Deutsch extrem schwertun, daher oft sehr passiv und zurückhaltend agieren. Wird in den Kooperationseinrichtungen wie Pflegeheime oft als mangelnde Motivation interpretiert.

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Mal zum Thema:

Haupthürden: Sprache und Anerkennung von Berufsabschlüssen