Pandemiebeschleuniger Staatsexamen

Hallo,

in NRW wird aktuell in einigen Städten das juristische Staatsexamen geschrieben. Ich selbst hatte mich vor einigen Monaten angemeldet und konnte meine Meldung trotz der aktuellen Lage nicht zurückziehen und muss daher mitschreiben. Ich bin entsetzt über die tatsächlichen Schreibbedingungen unter Gesichtspunkt der aktuellen Pandemielage.

Die erste Klausur war letzte Woche. Die Coronabedingungen sind hier: Oberlandesgericht Köln: Aktuelles erklärt.

Kurz zusammengefasst bedeutet das aber nur, dass wir beim Bewegen im Gebäude eine Maske tragen sollten. Ich selbst schreibe mit 39 weiteren Prüflingen in einem mittelgroßen Raum. Zu meiner Überraschung trugen auch bis auf wenige Ausnahmen kaum Prüflinge freiwillig eine Maske beim Schreiben. Nach der Erklärung des Kanzleramtes am Wochenende erwartete ich Änderungen und wurde enttäuscht. Gestern schrieben wir die zweite Klausur und auf meine Nachfrage, ob es Änderungen geben würde, wurde mir gesagt, dass erstmal alles bleibt wie vorher. Diesmal trugen dann auch nurnoch 2 Personen Maske, teilweise nichtmal bei Bewegungen im Raum und es wurde kaum gelüftet während der Klausur. Am Ende der Klausur wurde dann ein Erlass des Justizministeriums NRW verkündet, dass wir die Klausuren bis zum 22.12.20 weiter schreiben werden, ab Donnerstag aber Maskenpflicht auch während des Schreibens besteht. Eine Maßnahme, die bundesweit seit dem Frühjahr besteht, soll nun also die Reaktion des Justizministeriums auf die aktuelle Lage sein. Tatsächlich werden die aktuellen Schreibbedingungen auf der Internetseite des Prüfungsamtes mit der „Stabilisierung der Gesundheitslage“ begründet. Seit der Erklärung von September hat sich dann zwar einiges geändert, eine Anpassung der Bedingungen hielt man aber nicht für nötig.

So wird nun also unter den Bedingungen weiter bis zum 22.12. geschrieben. Jeden Tag sitzen allein bei uns 40 Leute zusammen in einem Raum für über 5 Stunden unter höchster Anstrengung. Die Maske darf selbstverständlich zum Essen und Trinken abgenommen werden, auch weiterhin. Tatsächlich soll man nicht erscheinen, wenn man Symptome zeigt. Da man sich dann aber faktisch krank meldet würde das dazu führen, dass man im nächsten Monat alle Klausuren nochmal schreiben muss. Die bisher geschriebenen Klausuren würden also verfallen. Das führt dazu, dass natürlich alle auch mit Symptomen zu Klausur erscheinen. Trotz Hustens von Prüflingen wurde auch keiner aufgefordert zu gehen oder überhaupt nur gesundheitlich überprüft.

Nach den absolvierten Prüfungen werden wohl die meisten zu ihren Familien fahren um dort Weihnachten zu verbringen. Dazu wohnen gerade in einer Stadt wie Köln die meisten Prüflinge in Wohngemeinschaften und werden das Virus weiter verbreiten.

Eine Verschiebung der Klausuren wäre ohne weiteres möglich und ist im Mai auch geschehen. Warum das jetzt nicht gemacht wird ist mir schleierhaft. Als Einzelner hat man keine Möglichkeit seine Klausuren zu verschieben, einmal angemeldet muss man zum geladenen Termin schreiben oder fällt durch. Ich bin also gezwungen unter diesen Bedingungen mitzuschreiben, bis ich mich tatsächlich infiziere. Sollte dies passieren, müsste ich alle Klausuren nochmal schreiben.

Ich weiß nicht ob diese Situation für euch von Interesse ist, würde mich aber über Aufmerksamkeit für dieses Thema freuen, weil ich es für absolut unverantwortlich halte und ohne Öffentlichkeit die Justiz ihr Verhalten nicht hinterfragt, einfach um in bekannten Mustern bleiben zu können.

Vielen Dank,

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Ich finde, dass man nicht nur diesen Aspekt des Staatsexamens beleuchten sollte sondern die aktuellen Bedingungen im Allgemeinen. In meinem Freundeskreis befinden sich gerade mehrere Leute im Rep bzw. der Examensvorbereitung. Für nicht-Jurist:innen klingt das immer ein wenig übertrieben aber die ein bis zwei Jahre vor den Examensklausuren sind für die meisten Kandidat:innen eine so stressige Zeit wie sie nicht viele Menschen in ihrem Studium geschweige ihrem Leben je zu spüren bekommen. Die sozialen Kontakte fahren immer mehr herunter, man lebt nur noch fürs lernen und der Druck durch das komplett überholte Notensystem sowie die teilweise echten - entschuldigt den Ausdruck - Arschlöcher von Korrektor:innen machen das Ganze nicht einfacher. Nun kommt aber zusätzlich noch die Pandemie dazu. In unregelmäßigen Abständen macht die Uni zu und dann doch wieder auf, dann gibt es Anmeldesysteme für die Bibliotheken hier, gleichzeitig aber digitales Rep inkl. erwarteter aktiver Mitarbeit dort und so weiter. Wenn man dann noch in einer 1-Zimmer-Wohnung wohnt (bspw. weil man aus der eigentlich tollen WG ausgezogen ist um sich besser auf das Rep konzentrieren zu können) ist das alles ziemlich hart. Mir ist bewusst, dass die Maßnahmen notwendig sind. Ich verstehe aber nicht, warum den Examenskandidat:innen nicht erweiterte Möglichkeiten eingeräumt werden um ihr Examen sinnvoll zu schreiben. Die Examensvorbereitung führt zu so starkem Stress, dass das Thema in jedem Repetitorium angesprochen wird, da man auch hierauf vorbereitet sein muss. Dass ein System existiert, dass alle Studierende an ihre Belastungsgrenze - und oft darüber hinaus - bringt, ist meiner Meinung nach im Jahre 2020 schon schlimm genug. Dass man den Studierenden aber hier nicht in irgendeiner Form entgegen kommt, finde ich nicht vertretbar. Zur Erinnerung: Wir reden hier von der ersten juristischen Prüfung - mit anderen Worten: dem „niedrigsten“ Abschluss, den man im deutschen Jura-Studium erreichen kann.

Dass man die Studierenden dann auch noch solchen Situationen aussetzt, wie du es hier beschreibst ist dann der Höhepunkt.

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Gestern wurde dann als erste Maßnahme direkt die Maskenpflicht wieder gekippt. Vielleicht hat das JM befürchtet, dass man einen Nachteilsausgleich für das Masketragen geltend macht, jedenfalls hat die Maskenpflicht keine Klausur lang gehalten und es haben wieder fast alle keine getragen. Wenn ich nächste Woche nicht krank bin, wäre ich mittlerweile überrascht.

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