No-Covid-Strategie wäre besser für Wirtschaft gewesen

Einer neuen Studie aus Frankreich zufolge gehen No-Covid-Strategien mit deutlich geringeren Belastungen für die Wirtschaft einher als Eindämmungsstrategien. Wie das Institut Economique Molinari festgestellt hat, sind die volkswirtschaftlichen Schäden knapp dreimal größer, wenn Regierungen nicht auf eine möglichst rasche Ausrottung des Virus im Land setzen – ganz abgesehen von deutlich höheren Sterbezahlen bei Strategien, die lediglich auf eine Beherrschung des Virus abzielen.

Für die Untersuchung haben die Ökonomen 13 Länder miteinander verglichen: Einerseits die zehn größten Wirtschaftsnationen und andererseits OECD-Staaten, die auf No-Covid-Strategien oder ähnliche Ansätze gesetzt haben. Als Referenz hierfür dienten Australien, Neuseeland und Südkorea. Ausgewertet wurden dabei sowohl Daten zur Lage der Konjunktur als auch Gesundheitsdaten aus den vergangenen zwölf Monaten.

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Schön zu sehen, dass Studien die Annahme bestätigen, dass die „Ausrottung“ des Virus im Land nicht nur günstiger für die Bevölkerung, sondern zugleich mit einer geringeren Belastung der Wirtschaft einhergeht. Als ich Dein Kommentar gelesen habe musste ich sogleich Richtung Asien denken, deren primäres Ziel es war, die Verbreitung des Virus auf 0 runter zu kriegen - das z.T. mit strikten Ausgehverboten mit mehr als 60 Tagen verbunden war (siehe hierzu Wuhan). Kombiniert mit einer „harten“ Linie in Sachen Verfolgung, Isolation und Quarantäne ist ein nahezu „normales“ Leben wieder möglich.
Die Strategie der „Beherrschung“ des Virus ist von vornherein zum Scheitern verurteilt - ich denke das weiß man jetzt. Was nun aus der Erfahrung und den wissenschaftlichen Ergebnissen gemacht wird bleibt abzuwarten. Das aus der MPK was „gescheites“ rauskommt, ist meiner Meinung nach weiterhin „fraglich“.

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Diese Studie ist leider komplett wertlos. Sie spricht lediglich Offensichtliches aus: ja, in Ländern, in denen die Inzidenzen auf nahe Null gedrückt werden konnten, hat die Wirtschaft weniger gelitten. Das ist keine Überraschung, sondern eine Binse.

Ein seriöser Vergleich müsste nicht Deutschland mit Südkorea vergleichen - die Unterschiede zwischen Ländern sind nämlich so gravierend, dass man da keinen seriösen Vergleich machen kann, und die gewählten Strategien und konkreten Umsetzungen sind unter anderem Resultat dieser Unterschiede - sondern ein Deutschland, das eine erfolgreiche No-Covid-Strategie gefahren hat, mit einem Deutschland, das dies nicht getan hat. Ein Südkorea, das eine erfolgreiche No-Covid-Strategie gefahren hat, mit einem Südkorea, das eine Strategie mit höheren Inzidenzen gefahren hat.

Leider haben wir keine Parallelrealitäten, aus denen wir diese Vergleichsdaten hernehmen können, und Modellierungen sind auf derartige Zeitskalen so ungenau, dass sie auch nichts nützen (seriöse Modellierer geben zu, dass sie schon daran scheitern, die zukünftige pandemische Entwicklung in einem Land über einen 4-Wochen-Horizont hinaus zuverlässig vorherzusagen, geschweige denn, dass sie ganze Jahre zu „simulieren“ in der Lage wären). Und daher kann man eine Studie wie die hier verlinkte schlicht nicht seriös produzieren.

Wenn das alles so offensichtlich ist, warum man hat dann nicht im letzten Herbst versucht die Inzidenzen auf nahe Null zu drücken? Das war doch eine bewusste politische Entscheidung auf Eindämmung statt auf „No Covid“ zu setzen. Wahrscheinlich weil man gedacht hat, dass ein Produktionsstop in der Industrie und eine Home-Office-Pflicht schädlicher für die Wirtschaft sind als wenn man nur vier Wochen die Hotels und Restaurants schließt. Aber man hätte wissen müssen, dass der Wellenlockdown im November nicht ausreicht und am 1. Dezember nicht alles wieder öffnen kann.

Natürlich kann man Deutschland nicht mit Südkorea vergleichen. Die Menschen leben dort auf viel weniger Raum zusammen und verglichen mit dem Berufsverkehr von Seoul ist Berlin ein Dorf.

Da eigentlich alle asiatischen Länder vergleichsweise gut durch die Pandemie gekommen sind und die schlimmsten Todeszahlen aus den USA, Brasilien und europäischen Ländern kommen, sollten wir uns da schon mal kritisch hinterfragen, was in unseren westlichen Gesellschaften nicht funktioniert.

Wenn man nach Tote pro 1 Mio. Einwohner sortiert, dann ist Indonesien auf Platz 111 das erste asiatische Land:

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Weil das auch nicht ohne eine Vielzahl unterschiedlicher Kosten geht, sowohl wirtschaftliche als auch gesellschaftliche. Und die Kosten unterscheiden sich stark von Land zu Land, was ein wichtiger Grund ist, warum Länder hier letztlich unterschiedliche Kurse eingeschlagen haben. Größtenteils vermutlich infolge emergenten Verhaltens, also nicht entlang eines großen Masterplans (zumindest wirkte es bei uns definitiv nicht so, als hätte da jemand einen solchen gehabt), sondern als das sich ergebende Gesamtverhalten aus vielen Einzelverhaltensweisen.

Dreh es einfach mal um: Länder, die niedrige Inzidenzen erreicht und gehalten haben, konnten dies unter ihren Bedingungen offenbar mit geringen wirtschaftlichen (und vermutlich auch gesellschaftlichen, aber das betrachtet die Studie ja nicht) Kosten schaffen. Das ist die eigentliche Aussage dieser Studie, wenn sie denn überhaupt eine hat. Und da das ganz grob simplem ökonomischen Denken entspricht, ist das halt eine Trivialaussage. Wow, viele Leute, die ungefähr entlang ökonomischer Leitlinien agieren, ergeben insgesamt ein grob ökonomisches Verhalten. Welch Überraschung!

Das heißt aber nicht, dass andere Länder dies unter denselben Kosten hätten erreichen können. In dieser Beziehung ist die Studie leider aussagelos, auch wenn sie natürlich massiv verführt, sie dahingehend zu interpretieren (wenn nicht sogar direkt maßgeschneidert für diese Fehlinterpretation geschrieben).

Klar wäre es teurer geworden, wenn wir den Lockdown schon am 1. Oktober statt am 16. Dezember begonnen hätten. Allerdings nur unter der Voraussetzung, dass ein Lockdown ab dem 1. Oktober ebenfalls bis zum heutigen Tage verlängert hätte werden müssen. Hätte ein früherer Lockdown zu der Situation aus dem Sommer geführt (Maskenpflicht, keine Großveranstaltungen), dann hätte es ökonomisch Sinn ergeben die zweite Welle früher und mit härteren Maßnahmen zu brechen.

Exakt! Und unser Problem ist nun, dass wir genau das nicht wissen. Wir wissen nicht, ob ein früherer Lockdown tatsächlich zu einer Situation geführt hätte, in der wir diesen wieder hätten aufheben können, ohne in eine weitere Welle zu rauschen. Denkbar ist das, aber genauso ist auch denkbar, dass der Lockdown eben trotzdem eine Dauereinrichtung geworden wäre.

Modellierungen bringen uns an der Stelle nicht weiter, weil sie über einen so langen Zeitraum letztlich keine zuverlässigeren Ergebnisse liefern als ein Münzwurf. Vergleiche mit anderen Ländern hinken schon vom Start weg, weil dadurch so viele Variablen verändert werden, dass eine echte Vergleichbarkeit zu keinem Zeitpunkt gegeben ist.

Diese Argumentationsweise überrascht mich doch sehr. Natürlich weiß man nicht, wie sich die Vergangenheit entwickelt hätte, hätte man eine Entscheidung anders getroffen. Natürlich weiß man nicht, ob ein Lieblingsfußballverein gewonnen hätte, wenn er nicht fäschlicherweise einen Elfmeter reinbekommen hätte. Natürlich weiß man nicht, ob ein morgendlicher Kater geringer ausgefallen wäre, wenn ich am Vorabend ein Bier weniger getrunken hätte. Natürlich weiß man nicht, wie sich die Pandemie exakt entwickelt hätte, wenn die Politik einen anderen Kurs eingeschlagen hätte. Aber darum geht es doch gar nicht. Es geht lediglich um den wohl nicht streitbaren Mechanismus, dass je früher man reagiert, desto kürzer Maßnahmen ausfallen können, um die Inzidenz wieder auf ein geringes Niveau zu drücken. Das ist Grundlage jeder Containment-Strategie und sollte alleine aus einer regelungstechnische Perspektive sofort einleuchten: Wenn du merkst, dass du auf der Autobahn fahrend von der Straße abkommst, wirst du umso schneller wieder in die Mitte der Fahrbahn gelangen, je schneller du reagierst.

Jetzt stellt sich natürlich die Frage, wie stark die Maßnahmen ausfallen müssen, um einen Anstieg der Fallzahlen (also R>1) zu vermeiden. Dadurch dass im Winter die Basisreproduktionszahl (R_0) höher ist als im Sommer, müssen wir im Winter in jedem Fall härtere Maßnahmen anwenden, um auf den gleichen R-Wert zu kommen. Gleichzeitig gilt aber auch, dass die Maßnahmen so gering wie möglich ausfallen müssen, je niedriger die Inzidenz ist, da die Kontaktrückverfolgung der Gesundheitsämter und Schwelleneffekte hier den R-Wert maximal drücken. Wenn wir also unsere Freiheiten maximieren wollen, wäreeine Niedriginzidenzstrategie der beste Weg gewesen (ob das jetzt NoCovid sein muss, sei dahingestellt). Es lässt sich also mit Sicherheit sagen, dass wir - für eine Pandemie - maximale Freiheiten gehabt hätten, wenn wir a) schnell gehandelt hätten und b) bei einer niedrigen Inzidenz geblieben wären, selbst wenn der Winter mehr Infektionen verursacht und somit härte Maßnahmen fordert. Du machst in meinen Augen den Fehler, dass du von dem Lockdown sprichst, den es aber mE nicht gibt.

Nur weil Modelle Unsicherheiten (die nebenbei auch berücksichtigt werden) haben, heißt es noch lange nicht, dass sie strukturell falsch sind und man aus ihnen - selbst auf größeren Zeithorizonten - nicht qualitative Aussagen ableiten könnte. Diese reichen absolut aus, um die oben genannten Punkte zu bergründen.

Ich glaube, du verstehst mich falsch. Das zweifle ich überhaupt nicht an! Ich zweifle noch nicht einmal an, dass ein früherer Lockdown (um jetzt nicht noch das Fass einer Definition von Lockdown und ob das was aktuell in Deutschland als solcher bezeichnet wird einer ist aufzumachen: nehmen wir mal an, wir reden dabei von signifikanten Einschränkungen in Wirtschaft und Gesellschaft, die geeignet sind, die Virusverbreitung erheblich einzuschränken) die Anzahl der Toten bis heute deutlich reduziert hätte. Davon bin ich fest überzeugt. Aus humanitärer Sicht wäre ein früherer Lockdown definitiv ein Gewinn gewesen.

Aber das war hier nicht Diskussionsthema! Thema war und ist die Frage nach den wirtschaftlichen Folgen. Und in dem Punkt bringt dir ein Lockdown, der früh am Beginn einer neuen Welle eingegangen wird und der es schafft, die Inzidenz in einem überschaubaren Zeitraum wieder auf ein geringes Niveau zu drücken, nur dann einen Vorteil, wenn du danach in der Lage bist, wieder aufzumachen, OHNE dass du direkt wieder dein niedriges Niveau verlässt, weil dein R wieder über 1 klettert und du aus diesem Grund letztlich auch nix anderes tun kannst, als den Lockdown eben nicht zu beenden.

Das scheint so eine Art Grundannahme zu sein, die gern einfach angenommen wird, aber genau diese Annahme ziehe ich in Zweifel. Ich ziehe sie in Zweifel, weil auch ein Lockdown nicht verhindert hätte, dass sich die britische Mutante hier ausgebreitet hätte. Ja, es wäre vielleicht etwas langsamer geschehen, aber geschehen wäre es trotzdem, und die Folgen in Form eines deutlich schwieriger unter 1 zu haltenden Replikationsfaktors wären unweigerlich aufgetreten, und zwar lange bevor Impfungen einen signifikanten Einfluss aufs epidemiologische Geschehen gehabt hätten, der über das Verhindern vieler Toten hinaus reicht (das wie gesagt hier nicht Thema ist).

Das sehe ich anders. Menschliche Verhaltensweisen haben uns bereits mehr als einmal in dieser Pandemie überrascht. Viele Modelle berücksichtigten nicht einmal, dass Menschen eben abgesehen von offiziellen Regeln auch eigene Gruppendynamiken an den Tag legen und so etwas tun wie „Angst bekommen“ und daher ihr Verhalten von selbst ändern. Und das hat einen Grund: es ist irrsinnig schwer, derartige Verhaltensweisen zu abstrahieren und in Modelle zu gießen, insbesondere auch, weil es keine Beispiele vergangener globaler Pandemien gibt, für die so detaillierte Daten vorliegen, dass man auf deren Basis Abstraktionen vornehmen hätte können. Deswegen gab es so viele Modelle, die irgendwelche Kurven die einfach ungebremst gen unendlich in den Himmel steigen würden vorhergesagt haben, und die lagen letztlich auf kurzen Zeitspannen oft ganz gut, aber auf langen Zeithorizonten immer massiv daneben, unter anderem weil Menschen spätestens dann, wenn um sie herum sich die Leichen türmen, ihre Verhaltensweisen von sich aus ganz enorm modifizieren, um nicht morgen ebenfalls auf dem Turm zu liegen. Und schon lange vor diesem Moment passieren zig Dinge, die im Modell nicht vorhergesehen wurden, um möglichst gar nicht erst an diesen Punkt zu kommen. Und dann hab ich noch gar nicht angefangen, die Aktionen ins Spiel zu bringen, mit denen uns das Virus überrascht: Mutanten etwa, die selbst die besten Virologen kalt erwischt haben (man erinnere sich an Drostens erste Reaktionen auf die britische Mutante sowie seine vorigen Aussagen bezüglich der Wahrscheinlichkeit, dass sich überhaupt gefährlichere Mutationen bilden) und die in Modellen kurzfristig gesehen ignoriert werden können, aber langfristig gesehen werfen sie das komplette Bild um. Bestes Beispiel: Hätte es die britische Mutante nicht gegeben, wären wir jetzt komfortabel bei einem R unter 1 und müssten nicht zittern, ob der kürzliche scheinbare Rückgang der Infektionsrate ein reines Oster-Messungenauigkeits-Phänomen ist oder ein tatsächlich vorhandener Effekt dahintersteckt.

Da habe ich dich in der Tat zum Teil falsch verstanden und vielleicht auch nicht genau genug gelesen. Sorry!

Mir ist durchaus bewusst, dass es um die wirtschaftlichen Folgen geht. Aber ich argumentiere ja eben, dass bei niedriger Inzidenz die Maßnahmen minimal ausgeführt werden müssen und somit die wirtschaftlichen Schäden auch minimiert werden.

Du hast absolut Recht, dass es nach einem erfolgreichen Lockdown (Senkung der Fallzahlen durch R<<1) nicht sinnvoll ist, die Maßnahmen wieder so stark zu lockern, sodass sich R>1 einstellt. Das wäre ein sog. „Lockdown On-Off“-Vorgehen, was in keiner Weise nachhaltig wäre (s. Video ab 2:00). Gewisse Maßnahmen müssen erhalten bleiben, sodass ungefähr R≈1 gilt, wobei die Maßnahmen minimal sind, wenn die Inzidenz gering ist. Diese Maßnahmen können aber in jedem Fall geringer ausfallen, als während der Phase, wo man die Zahlen senken musste. Daher ergibt es in meinen Augen auch keinen Sinn von dem Lockdown zu sprechen, sondern von einer kontinuierlichen Skalar an Maßnahmen. Ich will nicht behaupten, dass es keine wirtschaftlichen Schäden bei einer Niedriginzidenzstrategie gegeben hätte, sondern lediglich, dass diese minimiert worden wären.

Zum Thema Modellunsicherheiten:
Deine Ausführung teile ich, jedoch würde ich eine andere Schlussfolgerung ziehen. Trotz aller Modellunsicherheiten können wir immer noch sagen, dass bei einer niedrigen Inzidenz, die Maßnahmen (und somit auch die wirtschaftlichen Schäden) minimiert werden können; mit der Annahme, dass wir R<=1 anstreben. Außerdem haben wir ja kein open-loop System, indem wir unsere Pandemiestrategie lediglich an Modellen festmachen. Durch das Messen der Inzidenz können wir (mit einer Woche Verzögerung) auf Unsicherheiten und Störungen (z.B. durch Mutationen) reagieren (s. Model Predictive Control, Video ab 5:36 und ), sodass wir von einem closed-loop System sprechen können.