Ich bin jetzt kein Experte in Sachen Stromindustrie, und lasse mich gerne korrigieren, aber ich glaube, dir (und anderen weiter oben) unterläuft hier ein Denkfehler, wenn du Ökostromerzeuger mit Ökostromanbietern in einen Topf wirfst.
Prinzipiell ist es doch so, dass auch „100% Ökostrom“-Anbieter zu Zeiten mit wenig Sonne und Wind an der Börse Kohle-/Gas-/Atomstrom kaufen müssen. Einen Tarif „bei Dunkelflaute drehen wir dir den Strom ab“ gibt es nicht, und ich vermute auch, der würde sich am Markt nicht durchsetzen. Und ausreichend Speicherkapazität, um das auszugleichen, existiert derzeit noch nirgendwo.
„100% Ökostrom“ bedeutet also nicht mehr und nicht weniger, als dass der Anbieter in Summe über das Jahr(?) mindestens genauso viel Ökostrom erzeugt (– gut – bzw. sich als Kontingent von Erzeugern sichert – schlecht – denn die passen jetzt die Preise nach oben an), dass der Stromverbrauch aller seiner Kunden damit abgedeckt wird. Ein Teil davon fällt in Überschusszeiten an und wird an der Börse verkauft, ein anderer Teil muss zu Unterdeckungszeiten an der Börse zugekauft werden.
Nun ist aber das Problem, dass bspw. Windstrom mittlerweile im Vergleich sehr günstig ist, fossiler Strom aber sehr teuer. Das Verhältnis von Einnahmen zu Überschusszeiten zu den Kosten bei „Dunkelflaute“ wirkt sich deswegen extrem nachteilig für den Ökostromanbieter aus.
Ein Rechenbeispiel (keine Ahnung, ob die Zahlenordnungen realistisch sind): Ein Ökostromanbieter hat einen Kundenstamm, der durchschnittlich 100 MW verbraucht. Da seine Windkraftanlagen im Mittel nur etwa 50% ihrer theoretischen Kapazität erzeugen, hat er davon 200 MW installiert. Wenn die zufällig gerade bei starkem Wind 180 MW erzeugen, verkauft er die überschüssigen 80 MW. Zu diesen Zeiten ist der Strom an der Börse aber dummerweise spottbillig, weil alle ihren Windstrom loswerden wollen, und er bekommt kaum mehr als die Erzeugungskosten heraus. Herrscht aber gerade praktisch Flaute, und seine WKWs erzeugen nur 20 MW, ist er gezwungen die fehlenden 80 MW zu Mondpreisen dazuzukaufen.
Anders sieht es natürlich bei Windkrafterzeugern aus. Die nehmen die Merit-Order-Preise mit und verdienen wirklich sehr gut damit. Vorausgesetzt, sie haben auch zu Zeiten relativer Knappheit, wenn die WKWs bspw. nur auf 30, 40 oder 50% laufen, Überschuss um ihn an die Börse zu bringen, was aber eben Ökostromanbieter, selbst wenn sie auch Erzeuger sind, genau nicht haben, denn sie müssen ja zuerst ihre eigenen Kunden damit beliefern.
Im Grunde müssten die Anbieter also nicht, wie oben im Beispiel beschrieben, bloß in Summe genug Kapazitäten für ihre Kunden besitzen, sondern ein Vielfaches davon, da sie bei der augenblicklichen Preisvolatilität an der Börse vielleicht das zehn- oder zwanzigfache an der Strombörse verkaufen wie kaufen müssten, um das finanziell einigermaßen auszugleichen. Der Anbieter müsste also statt 200 MW vielleicht 1000 MW installieren, um seine 100 MW Kunden deutlich günstiger zu versorgen als es die Wettbewerber mit fossilem Strommix tun. (Und dann müsste er natürlich einen Neukundenstopp verhängen, sonst hat er in Kürze Kunden mit 500 MW Bedarf, und dann sind wir wieder am Anfang angekommen.)
Letztendlich ist es aber einfach so, dass man bei Kauf von „100% Ökostrom“ für die gute Sache die eigenen Optionen an Energiequellen einschränkt. Es ist daher klar, dass solche Tarife nicht langfristig günstiger sein können, als welche ohne Beschränkungen, allenfalls gleich teuer.