(Nächtliche) Ausgangssperren schon jetzt. Ende unbekannt

Liebes Lage-Team,

ich finde es toll, wie ihr nochmal die Einschätzung zu Ausgangssperren bei ansonsten eher laxen Regelungen in Büro und Produktion zusammenfasst. Ich würde aber gern ergänzen, dass es bspw. in Bayern schon seit Ende Dezember und in manchen Landkreisen fast durchgängig nächtliche Ausgangssperren gibt. Aktuell sind diese ab einer Inzidenz von 100 im Bundesland verpflichtend. Die nächtliche Ausgangssperre gilt aktuell in betroffenen Land-/Stadtkreisen zwischen 22-5 Uhr. Immerhin ist das eine Stunde mehr als zwischen Ende Dezember und Mitte Februar (damals 21-5 Uhr). Die Gründe zum Verlassen der Wohnung sind insgesamt sehr eingeschränkt (Häufige Fragen - Bayerisches Staatsministerium des Innern, für Sport und Integration): Arbeitsweg, Arztbesuch (Notfall), Versorgung von Tieren und noch ein paar wenige weitere. Generell ist der Aufenthalt außerhalb der Wohnung nicht gestattet (kein Spaziergang allein, kein Sport allein, kein Besuch des Partners nach 22 Uhr etc.). Es drohen 500 Euro Strafe.
Warum jetzt eigentlich diese Ergänzung? Es geht einerseits um den Fakt. Und viel wichtiger: ich bin so müde und emotional erschöpft. Jetzt wurde im Rahmen der MPK wieder mal über (nächtliche) Ausgangssperren auf Bundesebene gesprochen. Es wird in den Medien/auf Twitter/in Podcasts wieder vermehrt über deren Sinnhaftigkeit, Verhältnismäßigkeit und Verfassungswidrigkeit diskutiert. Jetzt erfahre ich in eurem Podcast, dass Ausgangssperren eigentlich als Werkzeuge bei Putschversuchen o.ä. „gedacht“ sind. Gleichzeitig ist man hier in Bayern seit Ende Dezember fast durchgängig abends zwischen 22-5 Uhr in der Wohnung "eingesperrt. Sinnhaftigkeit: zweifelhaft. Die Zahlen steigen auch hier an. Aber das findet in der ganzen Berichterstattung „gefühlt“ thematisch gar keinen Platz. Ich und viele andere dürfen hier faktisch zwischen 22-5 Uhr die Wohnung nicht verlassen und das scheint in dieser Berichterstattung irgendwie immer unterzugehen.
Ich bin müde ob der unterschiedlichen Ausgestaltung von Ausgangssperren in den Bundesländern. In BaWü darf man wohl den/die Partner:in noch besuchen, in manchen Bundesländern darf man noch allein draußen spazieren gehen/Sport machen, in manchen Bundesländern darf man nachts „alles“ außer allein spazieren zu gehen. Hier muss man anscheinend immer wieder besonders betonen: u.a. in Bayern gibt es eine sehr harte Auslegung der nächtlichen Ausgangssperre. In anderen Bundesländern scheint die nächtliche Ausgangssperre vor allem als Werkzeug genutzt zu werden, um nächtliche Parties/Ansammlungen zu verbieten? Ich würde mir wünschen, dass es hier langsam mal eine einheitliche Linie gäbe.
Ich bin mütend + zornig + frustriert wenn ich höre, dass Boris Palmer einerseits sein Modellprojekt in Tübingen vorantreibt, das Lebensgefühl und die Freiheit der u.a. offenen Cafes feiert. Und andererseits dann Ausgangssperren ab 20 Uhr für möglich hält, weil die Lebensfreude die er rief sich in die Parks verlagert. Ich bin mütend weil auch hier in Bayern, in Städten mit Inzidenz >100 eher darüber nachgedacht zu werden scheint, sich als (Konsum-)Lockerungs-Modellregion zu bewerben, statt sich dafür einzusetzen, dass wirkungsvolle Maßnahmen ergriffen werden, um die Inzidenz wieder runterzubekommen. Ich möchte so gern wieder in eines meiner Lieblings-Cafes und aus einer richtigen Tasse am Tisch gemütlich Kaffee trinken. Aber nicht bei diesen Inzidenzen und vor allem nicht, wenn ich gleichzeitig abends meine Wohnung (in der ich alleine wohne) nicht verlassen darf. Das kann doch alles nur ein schlechter Traum sein.
Es ist nicht eure Schuld, ich bin nur emotional so müde davon, wenn in so einem abstrakten Ton von der Sinn- und Rechtmäßigkeit von (nächtlichen) Ausgangssperren gesprochen wird und das hier aktuell unsere Lebensrealtität ist. Eine Lebensrealität an die man sich gewöhnen kann, die aber wehtut, die auch mal Angst und Panik auslösen kann, vor allem wenn man alleine wohnt. Eine Lebensrealität die aber auch begleitet ist von einem Ungerechtigkeitsempfinden, da sich die Situationen zwischen den Bundesländern so stark unterscheiden. Ich hoffe, dass zeitnah wirksame Maßnahmen ergriffen werden. Dann lebe ich gern noch mit absehbar endender Ausgangssperre. Ich hoffe darauf, im Sommer in lauen und auch nicht so lauen Nächten unterm Sternenhimmel spazieren gehen zu können.

3 „Gefällt mir“

Für Sachsen würde ich gerne kurz ergänzen, dass es zeitlich befristete Ausgangsbeschränkungen sowie eine erweiterte Ausgangsbeschränkung ([nächtliche] Ausgangssperre) bereits im letzten Jahr gab (Amtliche Bekanntmachungen der Verordnungen).

Die Ausgangsbeschränkung trat erstmals am 1.12.2020 in Kraft, welche die Kreise per Allgemeinverfügung anordneten. Der Bußgeldkatalog sah für diesen ‚Verstoß‘ 60 EUR vor. Die genannten triftigen Gründe waren allerdings so ‚lasch‘ (z. B. im Vergleich zu Frankreich oder GB), sodass man quasi immer einen Grund hatte oder fand, das Haus zu verlassen.

Ab fünf Tagen andauernder Überschreitung des Inzidenzwertes von 200 Neuinfektionen auf 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen sind durch die Landkreise oder die Kreisfreien Städte zeitlich befristete Ausgangsbeschränkungen anzuordnen. Das Verlassen der häuslichen Unterkunft ohne triftigen Grund ist untersagt.

Vom 14.12.2020 an gab es Ausgangsbeschränkungen und eine nächtliche Ausgangssperre. Bußgeld wie oben. Die Kreise konnten die Ausgangssperre aufheben, wenn „der Inzidenzwert von 200 Neuinfektionen auf 100 000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen im Landkreis oder der Kreisfreien Stadt an fünf Tagen andauernd unterschritten wird und die Ausgangssperre nicht weiterhin zur Bekämpfung der SARS-CoV-2-Pandemie erforderlich ist.“ In dieser Regelung wurde zudem der Inzidenzwert der Kreise an den des Freistaats gekoppelt (wenn ebenfalls 200 innerhalb von sieben Tagen unterschritten wird).

Bei landesweit fünf Tagen andauernder Überschreitung des Inzidenzwertes von 200 Neuinfektionen auf 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen gilt zwischen 22:00 und 6:00 Uhr früh eine erweiterte Ausgangsbeschränkung (Ausgangssperre). Maßgeblich hierfür sind die veröffentlichten Zahlen des tagesaktuellen Lageberichts des Robert-Koch-Instituts. Das Verlassen der Wohnung ist in dieser Zeit unter anderem nur aus folgenden Gründen zulässig […]

Auch meine Erfahrungen wurden in der aktuellen „Lage“ gut zusammengefasst – dass es nämlich kein Selbstläufer ist, um Fallzahlen zu senken und es diverse Möglichkeiten gibt, diese zu umgehen. Die Frage der Kontrolle durch die Ordnungskäfte ist da noch gar nicht diskutiert… Zwar erwähnt MP Kretschmer in gefühlt jedem Medienbeitrag, dass dies in Sachsen etwas gebracht hätte, allerdings fehlt mir hierfür die Evidenz (oder ich kenne sie nicht).

LdN235: Vielen Dank, dass ihr mal die Ausgangssperre eingeordnet habt! Finde es gruselig, wie darüber gesprochen wird und es hingenommen wird - wäre für mich das allerletzte Instrument zur Pandemie Eindämmung. Nicht falsch verstehen, ich bin für eine NoCovid/ZeroCovid Strategie und würde eine Ausgangssperre akzeptieren, aber eben wenn alles andere auch endlich mal runtergefahren wird.

Nachdem die Ausgangssperren jetzt nochmal besprochen wurden, hier nochmal ein kurzes Update.
Wir (Bayern) haben immer noch nächtliche Ausgangssperren, inzwischen in fast allen Land-/Stadt-Kreisen. Zumindest für hier kann ich feststellen, dass die Inzidenz dennoch fleißig weiter steigt. Zugegebenermaßen nicht exponentiell, aber wir haben dann jetzt doch endlich im SK die 200 geknackt. Es ist aktuell überhaupt nicht absehbar wann die Inzidenzen wieder runter gehen - vielleicht irgendwann, wenn ein Effekt der Impfungen/zarte Herdenimmunität beginnt sich einzustellen. Die aktuellen Maßnahmen jedenfalls scheinen nicht zu helfen. Wenn die Bundesnotbremse eintritt, wäre es aktuell so (würde man sie 1:1 umsetzen), dass wir statt ab 22 Uhr wieder ab 21 Uhr nicht die Wohnung verlassen dürfen, aber die Schulen „dürften“ wieder öffnen. Das ist doch absurd.
Aktuell ist die Lage so: ich habe das Gefühl nach 22 Uhr deutlich mehr Verkehr mitzubekommen, als noch in der Anfangsphase (Dezember/Januar). Auch bekomme ich aus dem erweiterten Bekanntenkreis mit, dass man es im Zweifelsfall drauf ankommen lässt. Und es geht hier darum Partyhopping zu begehen, sondern einfach nur dem individuellen Tagesrythmus zu folgen. Ich weiß nicht, wie hart die Polizei aktuell kontrolliert. Jedoch muss man schon sagen: mich schrecken die 500 Euro Strafe ab, aber sicher nicht jeden. Vielleicht sollte ich mir doch noch einen Hund für nächtliches Gassi gehen zulegen - das ist nämlich u.a. mit Versorgung von Tieren gemeint.
Ich stimme zu wenn es heißt: nächtliche oder auch ganztägige harte/härtere Ausgangssperren in einem Gesamtkonzept, welches auch mehr Pflichten für die Wirtschaft mit einschließt, können sinnvoll und vor allem nachvollziehbar sein #NoCovid. Aber was hier aktuell läuft ist psychisch einfach nur noch schwer auszuhalten: die Unkontrollierbarkeit der Situation, die nicht Absehbarkeit wann sich die Situation (Ausgangssperren, Kontaktbeschränkungen) bessern wird. Und tatsächlich auch die Angst davor, dass der Politik die aktuelle Situation doch richtig hart auf die Füße fällt und noch mehr (private) Freiheiten eingeschränkt werden ohne ein sinnvolles Gesamtkonzept. Irgendwas lassen sie sich schon noch einfallen.
Bleibt nur zu hoffen, dass bald die Mail mit dem Impfangebot ins Haus flattert … .

1 „Gefällt mir“

Nach der Diskussion in der LdN237, so um die Minute 57: Forscher sagen, Ausgangssperren könnten nicht monatelang aufrecht erhalten werden…

Wie in Sachsen und Bayern gibt es in Baden-Württemberg auch bereits seit langem die abendlichen Ausgangssperren. Z.B. in Mannheim gibt es seit dem 04.12.2020 eine Ausgangssperre ab 21 Uhr bzw. ab 20 Uhr. Zwischen Ende Februar und Ende März war sie zwar ausgesetzt, nichtdestotrotz war diese Maßnahme jetzt schon während 3,5 der letzten 4,5 Monate aktiv. Das belastet schon, wenn man z.b. abends nicht mehr alleine spazieren gehen kann. Ein Ende ist nicht absehbar. DIe Inzidenz in Mannheim geht gerade auf die 200 zu.

Auch von mir mal ein Hallo,

ich bin auch müde und genervt. Und um das neue Wort aufzugreifen, ich bin mütend. Das passt wirklich gut.
Ich habe heute Eure Lage gehört und musste ausschalten. Ich konnte es nicht mehr hören. Ganz zu schweigen davon, dass es quasi seit einem Jahr kein anderes Thema mehr gibt, reicht es wirklich. (Und ja, es gibt noch andere Themen. Biden und sein Truppenabzug, die Lage in Myanmar, in der Ukraine. Oder mal als positives Corona-Beispiel Israel oder Australien.)

Ihr redet von Ausgangsbeschränkungen - ja keine Ausgangssperre auch wenn sich Frau Merkel hier kurz versprochen hatte - und das ist mir bewusst. Seit Dezember (das genaue Datum weiß ich nicht mehr sicher) gilt bei mir im Landkreis eine Ausgangbeschränkung. Damals von 20-5 Uhr. Seit irgendwann diesen Jahres dann von 21-5 Uhr (juhu eine Stunde mehr Freiheit). Hier im Landkreis sinken die Zahlen nicht. Also schließen wir die Kindergärten und schränken den Schulbetrieb wieder ein. (Zumindest in der Kita konnten sich die Kinder dieses Jahr schon 3 Wochen sehen. Zur Erinnerung, wir sind in KW 15).
Jetzt gibt es seit ein paar Wochen eine tägliche Ausgangsbeschränkung. Wenn man dieses Wirrwarr an Verordnungen und Erlassen zusammenfasst beschränkt sich die Beschränkung darauf, Freunde und Nachbarn zu besuchen. Was es Eltern von Kindergartenkindern sehr erschwert. Kinder unter 14 sind zwar von der Personenbegrenzung in BaWü ausgenommen, können aber mit 2 oder 3 Jahren weder alleine zu einem Freund fahren oder alleine dort bleiben. Egal.
Also Ausgangsbeschränkung von 0-24 Uhr.
Ich bin Mutter, mein Mann seid 16. März 2020 im Homeoffice, ich schloss letztes Jahr mein langjähriges Onlinestudium ab und suchte eine Arbeitsstelle. Corona und die Kurzarbeit haben es mir erschwert einen Job zu finden, jetzt ist einer da und so kann ich meinen Kindern endlich wieder einen sozialen Kontakt mit gleichaltrigen ermöglichen. Nach fast 20 Wochen ohne Kinderkontakt. Und ja, ermöglichen. Weil es wichtig ist.
Ich darf arbeiten gehen, mein Mann darf im Homeoffice mit seinen Kollegen sprechen. Meine Kinder waren einsam und jetzt können sie wieder Freunde sehen.
In all den Ausgangsbeschränkungen habe ich meine Freundin seit Mitte Dezember nicht mehr wirklich sehen können. Entweder mussten wir uns vor 20 oder 21 Uhr wieder zu Hause sein oder darf sie inzwischen gar nicht mehr besuchen.
Es geht hier, bei mir im Landkreis, nicht um eine kurzfristige Übergangsmöglichkeit die Zahlen zu drücken. Aber um was es dann geht, weiß ich nicht.
Die Aussage in der Lage, dass dieses Mittel nicht alleine und nicht auf Dauer richtig sein kann - führt mich nun zu der Frage, warum ich das seit über 15 Wochen ertragen muss. Wieso ist hier eine Frau mit einer Klage dagegen gescheritert?
Es wundert mich nicht, dass Verschwörungstheorien aufgestellt werden, wenn es verlässliche Aussagen gibt, die ignoriert werden. Ich bin genervt.

Ironischerweise beendet nun die Bundesnotbremse die strengen Ausgangssperren in Baden-Würrtemberg.

Falls die Landesregierung, wie im verlinkten Artikel geschrieben, die Bundesnotbremse „eins zu eins“ umsetzt, verschiebt sich die Ausgangssperre jetzt von 21 Uhr auf 22 Uhr und Spaziergänge alleine werden bis 0 Uhr erlaubt sein.

In Bayern scheint alles so zu bleiben. Überraschung. Nicht.

Das bedeutet, weiterhin harte Ausgangssperren zwischen 22-5 Uhr ab Inzidenz 100. Ach ja - Update dazu: diese Woche stabil über 200. Der Trend nach oben setzt sich weiter fort, trotz der Maßnahmen.
Alles andere als eine „Notbremse“ - Bremse vielleicht, aber nur um das Tempo zu verringern, wenn überhaupt. Stehen bleiben wird damit nichts.

Wo gelten denn bitte diese umfassenden Beschränkungen? Ich kann das nicht nachvollziehen!