Nachtzug für große Menschen

In der letzten Lage wurde intensiv über Nachtzüge gesprochen. Als recht groß gewachsener Mensch mit ca. 1,95 m frage ich mich ernsthaft, ob das auch für mich eine Alternative ist.
Ich habe kürzlich mal danach gegoogelt, aber keine verlässlichen Information dazu gefunden, wie groß die Schlafmöglichkeiten in den Zügen sind. Die meisten Angaben die ich gefunden habe, waren, dass die Schlafmöglichkeiten nur zwischen 1,80 m und 1,90 m Länge haben. Damit wäre das für mich persönlich eher keine Option. Habt ihr hier nähere Informationen?

2m Kerl hier. Würde mich auch interessieren.

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Also ich habs mit ein bisschen googlen schnell gefunden → Link

Offiziell gibt es seitens der ÖBB keine Angaben zur Länge der Betten. Personen, die die neuen Wagen bereits in Augenschein nehmen konnten, berichten aber, dass die Betten auch im Nightjet der neuen Generation deutlich unter 2 Meter lang sind. Sowohl für den Liegewagen als auch für den Schlafwagen wird eine Bettlänge von 189 Zentimetern angenommen.

Es gibt auch eine Seite der DB, aber das sind keine aktuellen Daten. Die Seite scheint noch ein Relikt zu sein, aus der Zeit als die DB selbst noch Nachtzüge betrieb und die österreichischen Züge noch EuroNight hießen. Dort ist von 185cm die Rede

Aus eigener Erfahrung: In alten ÖBB Nightjets wird es schon mit 184 cm im Liegewagen langsam knapp. Kommt aber immer aufs Modell an, auch auf Kleinigkeiten: ein Mal hatte ich etwa eine total dämlich konstruierte Leselampe am Kopfende, die den Platz effektiv noch verkürzt hat, andere Male habe ich kein Problem mit der Länge gehabt.
Könnte in den neueren Nightjets oder Schlafwagen schon anders aussehen.

Man darf da auf jeden Fall, selbst wenn man kleiner ist, keine Luxusnacht erwarten. Auf manchen Strecken wackelt es zB auch ganz schön. Mit der Erfahrung und Vorbereitung (Schlafmaske und Ohropax sind gute Freunde :)) wurde bei mir die Schlafqualität im Zug deutlich besser. Ob es ne angenehme Nacht wird, kommt auch immer drauf an, ob sich die deutsche Grenzpolizei mal wieder mit der Fahndung nach Flüchtlingen profilieren muss.

Ich mag’s irgendwie trotzdem, beim Frühstück im Zug kommt immer ein ganz besonderes Gefühl auf. Freue mich darauf meist schon am Tag vorher.

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Leider werden in Mitteleuropa große Menschen bei der Nutzung von Nachtzügen diskriminiert. Ich bin ebenfalls 1,95 m groß und meine einzige (und leider wohl letzte) Fahrt war mehr als unangenehm. Am Bettende kommt direkt die Wand und selbst diagonales Schlafen war nicht möglich. Ich würde mich freuen, wenn diese Art der Diskriminierung in der Lage thematisiert wird, wenn es das nächste Mal um Nachzüge geht.

Ich bin mir nicht sicher, ob wir hier schon von Diskriminierung sprechen sollten. Okay, wir können es als strukturelle (dh. nicht beabsichtigte) Diskriminierung bezeichnen, aber auch das halte ich für nicht unproblematisch.

Es wird immer so sein, dass Menschen, die aus der Norm fallen, gewisse Probleme haben. Wer 150 kg wiegt, wird z.B. im Flugzeug auch nicht in die Sitze passen. Aber die Lösung kann ja nicht sein, alle Sitze auf diese Maße auszubauen - denn dann passen nur noch 200 statt 300 Passagiere in’s Flugzeug. Gleiches gilt für die Bettgröße in Nachtzügen.

Man kann diskutieren, ob es eine geringe Zahl „extra-große“ Betten in jedem Wagon (und extra-große Sitze in jedem Flugzeug) geben sollte. Oder eben man sagt: Wer besonders groß ist, muss dann eben in der Fötus-Stellung schlafen. Nicht angenehm, aber für eine Nacht geht das.

Die Frage ist halt eine der Praktikabilität:
Ab welcher Körpergröße „darf“ die Bahn strukturell diskriminieren, indem sie keine Betten entsprechender Größe zur Verfügung stellt? Niemand wird wohl argumentieren, dass alle Betten 2,20 lang sein müssten, weil es schließlich einige wenige Menschen gibt, die so groß sind. Dass jemand wie Sultan Kösen, der mit 2,51m als größter Mensch der Welt gilt, nie ein passendes Bett im Nachtzug finden wird, ist wohl selbstverständlich.

Also wo ziehen wir die Grenze? Die Bahn zieht sie aus Praktikabilitätserwägungen bei 1,85m und sagt, wer größer ist muss halt eingerollt schlafen. Man könnte sie bei 1,90m ziehen, aber dann wären die Betten immer noch zu klein für euch. Oder bei 2m, aber dann wird’s halt schon sehr unwirtschaftlich.

Mit bestimmten Diskriminierungen im Alltag muss man leider klar kommen, gerade, wenn man sehr groß, sehr klein, sehr dick oder sehr dünn ist. Eben weil jedes Unternehmen die Kosten im Blick behalten muss und deshalb immer der Durchschnitt +/- 20% anvisiert wird… Ich wüsste einfach nicht, wie man das wirklich verhindern kann, außer eben mit einem sehr begrenzten Vorrat extra-langer Betten und extra-großer Sitze. Aber bei den Betten ist dann auch wieder das Problem, dass Menschen meist zusammen reisen und man in einer Kabine nicht nur ein extra-langes Bett einbauen kann. Es wird einfach extrem ineffizient.

(Ich sage daher nicht, dass der gegenwärtige Zustand optimal ist, ich sage nur, dass es ein Dilemma ist, es daher keine ideale Lösung für das Problem gibt)

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Ja, Diskriminierung ist nicht der treffendste Begriff, da er erstens eine bewusste Unterscheidung nahelegt (die hier in der Festlegung der Länge der Betten vorhanden ist, aber nur sehr mittelbar eine Unterscheidung zwischen Passagieren enthält) und zweitens üblicherweise auch negativ konnotiert ist, also als verwerflich verstanden wird (auch wenn in vielen Fachsprachen hingegen Diskriminierung einfach nur Unterscheidung meint). Kann hier durchaus so gemeint sein, aber man muss den Verkehrsbetrieben schon zugute halten, dass sie innerhalb technischer und wirtschaftlicher Beschränkungen operieren.

Für diese Situation finde ich den Begriff der Marginalisierung sehr hilfreich: Sehr große Menschen sind eine zahlenmäßige Minderheit, werden ihre Bedürfnisse in der Gesellschaft aber nicht ausreichend abgebildet, werden sie ggf. auch zu einer Randgruppe gemacht.

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Vielen Dank für eure tollen, differenzierten und gut begründeten Ansichten und Aspekte!

Ich möchte zu den Themen Wirtschaftlichkeit, Kundenorientierung und Attraktivität des Angebots für die Massen noch hinzufügen, dass bereits 2006 43% aller männlichen deutschen Bürger größer als 1,80m waren und für diese eine Bettenlänge von 1,85m unbequem ist.

(Körpergröße nach Geschlecht 2006 | Statista)

Ich hoffe, dass es zukünftig (insbesondere durch die weiter steigenden Körpergrößen der Fahrgäste) längere Betten geben wird. Bis dahin werde ich vom entspannten Nachtzugfahren nur träumen können. Das Einnehmen einer Embryonalstellung ist für mich keine Lösung.

Vielen Dank für die vielen Information. Auf den offiziellen Seiten der ÖBB und anderer Anbieter habe ich hierzu leider nichts gefunden; bei einer Buchung hätte es da vermutlich eine herbe Enttäuschung gegeben.

Ich persönlich fühle mich da auch nicht diskriminiert.

Allerdings weiß ich jetzt, dass eine Reise im Nachtzug ziemlich sicher auf Grund meiner Körpergröße nichts für mich ist, so lange es kein Angebot mit „XL-Betten“ gibt.
Eine Nacht im Zug und noch dazu in einem deutlich zu kurzen Bett ist sicher nicht das, was ich mir unter entspanntem Reisen vorstelle.

Ehrlich gesagt verstehe ich schon das Problem nicht, denn man muss sich doch beim Schlafen nicht unbedingt in die Länge strecken, sondern kann sich einfach auf die Seite drehen und dabei die Beine anwinkeln. Dann passt man auch easy in ein Bett, das nur 1,80 m lang ist - und es hat noch den Vorteil, dass man im Zug nicht immer hin und her kullert, wenn man in einer Art stabilen Seitenlage nächtigt.

Das mag für junge, gesunde Menschen kein Problem sein, kann für sehr viele andere aus orthopädischen Gründen anders aussehen. Ich persönlich würde vmtl. lieber auf dem Boden schlafen als auf einem zu kurzen Bett.

Interessante Diskussion.

Ich bin zum Beispiel nur zarte 1,69 m groß.

Sollte also in Nachtzügen kein Problem haben.

Nutze aber vorwiegend das Auto.

Meine Feststellung dort: die Sitzflächen sind für Menschen unter 1,80 m meist zu lang. Man kann also selten bequem mit dem Rücken an der Lehne sitzen und dabei die Kniekehle über die Sitzkante beugen.

Wäre dann also die andere Situation.

Da scheint mir die Bandbreite an körperlichen Unterschieden zu groß zu sein, um alles berücksichtigen zu können.

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Für viele Bereiche des Lebens sind in der DIN 33402-2 „Ergonomie – Körpermaße des Menschen – Teil 2: Werte“ von 2005, aktualisiert 2020 die „Normalmaße“ definiert worden.

Die Werte in der Norm beruhen allerdings nach wie vor auf Messungen der Wohnbevölkerung der Bundesrepublik Deutschland aus Untersuchungen in den Jahren 1999 bis 2022. Da sich seitdem die Werte aber vor allem bei den Umfangs- und Breitenmaßen verändert haben, wird in der Norm ausdrücklich darauf hingewiesen, dass man das in Betracht ziehen muss, wenn man die Werte für die Konstruktion von Produkten und Arbeitsmitteln heranzieht.

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Natürlich schläft man nicht die ganze Zeit lang ausgestreckt, aber die ganze Nacht in einem deutlich zu kurzen Bett zu verbringen ist doch arg unbequem.

Bequem schlafen und Nachtzug sollte man nicht im gleichen Satz verwenden.
Die sind laut, sie ruckeln, nachts geht das Licht an, weil ein Mitbewohner auf Toilette muss, oder ein anderer Fahrgast sich im Abteil geirrt hat usw.
Aber ja, in einem zu kurzen Bett, das keine französischen
Maße hat, sondern ja auch in der Breite wirtschaftlich (also schmal) sein soll, ist der Versuch zu schlafen, sicher keine gute Idee.
Ansonsten kann ich als jemand, der nochmal 10cm kürzer ist als @Mike über die Diskriminierung großer Leute nur müde lächeln. Wobei ich mit eurer Größe auch nicht im Billigflieger sitzen wollte. Hat eben alles Vor- und Nachteile.
Das mit dem Auto kann ich bestätigen.
Beim Fahrsicherheitstraining mit gestellten BMW 318 musste der Instruktor feststellen, dass ich keine optimale Sitzposition einstellen kann. Die Schienen der Sitze sind 10cm zu kurz. Bei einem Neukauf könnte ich sie kostenlos versetzen lassen, meinte er peinlich berührt. Gebrauchte BMW kommen für mich also nur in Frage, wenn ich Abstriche bei der Fahrsicherheit mache.

Die gleiche Quelle sagt auch, dass 3,1% der Bevölkerumg >=1,90m sind. Die Betten sind 1,89m, das ist für jeden bis ~1,87m wohl für eine Nacht zumutbar (zum Thema Komfort im Nachtzug hat ja @der_Matti schon was geschrieben). Die Betten können also für mindestens 95% der Bevölkerung als lang genug gesehen werden, was eine ganz andere Zahl ist als deine Interpretation (43% unbequem).

Ich sehe das ähnlich wie im Hostel/Jugendherberge. Auch da ist die Bettlänge manchmal nicht optimal bequem für meine Größe, wenn ich ausgestreckt auf dem Rücken liegen wollte. Ich erwarte da aber eben auch kein großes Luxusbett, weswegen es nie ein Problem war. Dann dreht man sich eben auf die Seite, wenn man zu den <5% über 1,85 gehört.
Wenn jetzt von diesen <5% noch jeder 4. ein wie von @MarkusS erwähntes orthopädisches Problem hat, sind wir bei <1,25% der Bevölkerung, die das nicht können und deshalb Nachtzüge nicht in Anspruch nehmen können. Ob man da jetzt große Worte wie Diskriminierung auspacken sollte…

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Per Definition ist Diskriminierung ja keine Frage der Größe einer diskriminierten Gruppe. Die Gruppe der Rollstuhlfahrer z.B. ist ähnlich groß. Trotzdem achtet man hier zurecht darauf, dass für diese Menschen gesellschaftliche Teilhabe möglich ist. Was man hingegen hinterfragen kann ist, ob die Nachtzug Geschichte für große Menschen tatsächlich so eine große Einschränkung ist, dass man von Diskriminierung sprechen kann.
Nach meiner Erfahrung sind in Nachtzügen viele Betten zwar zu kurz, allerdings ist z.B. im mittleren Bett jenseits des Fußendes häufig noch Luft. Hier könnte ein großer Mensch also z.B. einfach seine Füße ein Stück überhängen lassen. Eine noch sauberere aber kaum aufwändige Lösung wäre, dass man sich beim Zugbegleiter eine 10cm „Verlängerung“ ausleihen kann die man dann recht pragmatisch an dem zu kurzen Bett befestigt, wo das Bauraum-mäßig möglich ist.

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Ja da hast du Recht, das war ein Denkfehler auf meiner Seite.

Das entspricht im Wesentlichen auch dem was ich sagen wollte (siehe die Analogie mit Hostel-/Jugendherbergs-Betten).

Mein intuitives Problem mit dem Begriff in diesem Kontext war, dass ich Diskriminierung als „härteren“ Begriff verstehe, zB im Kontext von Rassismus, Sexismus oder wie von dir erwähnt gegenüber Menschen mit körperlichen oder geistigen Einschränkungen („Ableismus“). Sehr große Menschen habe ich bis jetzt einfach nicht als diskriminierte Gruppe wahrgenommen (was nicht automatisch heißt, dass keine Diskriminierung existiert).

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