Müllverbrennung als Umweltschutzma(sz)nahme?

Ich wohne in einer Gemeinde wo gerade ein Projekt für den Bau einer Müllverbrennungsanlage angesto(sz)en wird. Der Ort wurde auch schon ausgesucht, sofort am Stadtrand, damit die hiesige Industrie auch schön von der produzierten Wärme profitieren kann.

Seitdem habe ich mal nachgeschaut und habe den Eindruck das solche Projekte momentan an mehreren Orten starten und das vor Allem im Hintergrund einer EU Richtlinie bis 2035 nur noch maximal 10% an Müll auf Müllhalden zu schütten. Das wird bei uns jedenfalls als Einer der Hauptgründe aufgeführt.

Ich finde die Müllverwertungspolitik ziemlich besorgniserregend, wenn die momentane Lösung ist einfach alles zu verbrennen anstatt konkrete Schritte in Richtung Müllreduzierung vorzulegen.

Das Thema hat auch eine Gewisse Brisanz in Frankreich, da erst vor Kurzem in der Region Ile de France (Frankreich) die regionale Gesundheitsbehörde (ARS) einen Bericht veröffentlicht hat, dass man keine Eier von seinen frei lebenden Hühnern (falls man denn welche hat) essen sollte.
Wir sprechen hier über eine Region von 12000km2 mit 12 Mio Einwohnern.
Auch wenn die Ursachen dafür noch ungeklärt sind gibt es einige Indizien in Richtung einer Müllverbrennungsanlage im Pariser Umkreis.

Ich finde also eine kurzsichtige Politik diesbezüglich als sehr besorgniserregend und in Deutschland scheint es auch so einen Trend zu geben (man müsste noch mehr Beispiele finden, aber die gibt es sicher)

Thermische Restmüll Verwertung! hust

im Wohngebiet wäre auch doof.

Auch das ist sinnvoll Wärme nachzunutzen. Bei uns wird sogar Strom erzeugt und die Wärme ins Fehrnwärme Netz eingespeist.

Jain.

Das eine und das andere sind nicht zwingend abhängig. Unbehandelter Müll darf nicht mehr auf Müllkippen. Es ist auch sinnvoll den Müll durch Thermische oder mechanische Verfahren zu reduzieren bevor man ihn in die Landschaft kippt.

Anderseits hasst du natürlich völlig recht, das es darum gehen muss Müll zu reduzieren. Dennoch wird immer Restmüll bleiben. Und dieser sollte einfach nicht unbehandelt in die Umwelt gekippt werden, das benötigt mehr Volumen und Schadstoffe landen damit in der Erde. Bei der Verbrennung sollten all Schädlichen Stoffe im Abgas eigentlich entehrt werden. Moderne Anlage haben sehr aufwendige Filtersysteme.

Mein Problem bei dem Thema ist eigentlich, dass Müllverbrennung eine sehr gut Ausrede zu sein scheint einfach noch ein paar Jahre so weiter zu machen. Für den Verbraucher ändert sich nicht viel, doch ist es derjenige, der den meisten Einfluss hätte (eben noch schwierig momentan). Es sieht für mich also wie die tiefhängende Frucht aus. Anstatt Boden und Grundwasser zu verschmutzen, verschmutzt man halt eben Luft und auch noch den Boden (denn die Restbestände werden dann im Stra(sz)enbau z.B. genutzt. Das wir rausgefiltert wird, wird auch nur endgelagert, aber natürlich nicht in dem Volumen wie vorher, ist ja volkommen klar.

Ich verstehe nicht was das problem ist. Müll ist ein Problem wenn die Umwelt kontaminiert wird, ansonsten nicht. Solange man das bei der Verbrennung weitgehend ausschließen kann, super Lösung.

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Ein anderer Vorteil ist wohl auch, dass wenn man Müll einfach nur so liegen lässt, entsteht Methan, was einen negativeren Effekt hätte.

Das Problem ist, dass Müllverbrennung CO2 erzeugt. Wenn man nun damit Wärme oder sonst was erzeugt, kann dadurch eine ungünstige Abhängigkeit entstehen. Weil es wird begründet, die Wärme sei ja gut für die Umwelt, weil der Müll ja besser entsorgt wird, als bei der Alternative. Da wir aber eigentlich auf Null Emissionen kommen wollen, sollte möglichst kein Müll verbrannt werden. Wenn man aber den Müll reduziert bekommen die ein Problem, die ihre Wärme von dem Verbrennen des Mülls beziehen.

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Das ist es ja gerade. Kann man eben nicht. Das Paper hier z.B. zeigt das so ein bisschen auf was in Frankreich momentan gemacht wird: https://onlinelibrary.wiley.com/doi/abs/10.1111/jiec.12701

Interessant ist das die gefilterten Substanzen auch nur wieder in Deutschen Salzbergwerken landen. Auch interessant ist dass aus 1t Müll stattliche 250kg werden.

Ja das hatte ich auch bereits gelesen. Das Problem ensteht vor Allem dadurch, dass eben noch sehr viele organische Substanzen, die man z.B. kompostieren oder zur Methanherstellung benutzen könnte, noch auf den Müllhalden landen.
Die no-burn Initiative hat da ein recht gut gemachtes Dokument hier:

Darin gibt es einige Referenzen, wo man detaillierter nachlesen kann.

Das mit der Reduktion sehe ich in der Tat als ein Systemproblem an, deshalb auch der Themenvorschlag hier. Wir haben momentan keinen Druck, unsere Müllproduktion zu reduzieren, warum auch @JanLukas sagt ja z.B. dass das kein Problem ist. Momentan leben viele Unternehmen von dem Business (Véolia, Remondis, Suez …) also gibt es also auch ein kapitalistisches Hindernis, mal einfach weniger Müll zu fabrizieren. Au(sz)erdem produzieren die reichen Länder mehr Müll, weil die ja mehr konsumieren können … auch wieder so ein Problem.

Ich vertrete eben nur die Meinung, dass man längerfristig anders planen müsste. Hier bei mir z.B. haben die ein Budget von 110M€ für eine Anlage die jährlich 120000 t verbrennen soll. Mit solchen Summen lässt sicher Einiges anders machen.

So wie ich das sehe, haben wir hier wieder einen Konflikt zwischen kurzfristigen und langfristigen Lösungen.

Langfristig ist die sinnvollste Lösung - da wird wohl fast jeder zustimmen - Müll so weit es geht zu vermeiden und Recyclingkreisläufe für den unvermeidbaren Müll einzurichten, wo immer es möglich ist.

Kurzfristig stellt sich das Problem dar, dass wir aktuell zu viel Müll produzieren und zu viel Müll im Umlauf ist, während wir gleichzeitig von klassischen fossilen Energien weg kommen wollen, sodass ein Bedarf an anderen Heizquellen für Industrie und Wohnen besteht.

Die Kritiker der thermischen Müllverbrennung sagen nun - durchaus mit Recht - dass die kurzfristige Problemlösung durch Müllverbrennung dazu führt, dass wir das langfristige Ziel nicht erreichen werden. Und das ist ein Problem, weil die thermische Müllverbrennung letztlich auch nur fossile Energieerzeugung auf Umwegen ist (in vielen verbrannten Materialien, vor allem Plastik, steckt eben Erdöl…). Es ist das klassische Problem der „Übergangslösungen“ - hätten wir nicht vor dem Ukraine-Krieg russisches Gas als Übergangslösung wahrgenommen, hätten wir auch beim Ausbau der Erneuerbaren mehr Tempo gemacht. Aber eine funktionierende Übergangslösung führt eben schnell dazu, dass man sich zu gemütlich in der Übergangszeit einrichtet und diese maximal ausdehnt.

Ich bin bei dem Thema noch relativ unentschlossen. So lange es noch so viel Müll gibt, ist die thermische Müllverbrennung vermutlich eine deutlich bessere Lösung als die Deponierung, den Müllexport in’s Ausland oder gar die klassische Müllverbrennung (ohne Nutzenergiegewinnung). Aber wir müssen in der Tat dafür sorgen, dass diese Übergangslösung wirklich ein Übergang bleibt… und dazu bräuchte es klare politische Vorgaben, zu denen die aktuelle Regierung auf Grund interner Streitigkeiten vermutlich nicht in der Lage ist.

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