Sorry für die späte Antwort.
Zum Thema Korpsgeist kann ich aus meinen Erfahrungen ( seit 2001 im Dienst) sagen, dass ich persönlich noch nie das Gefühl hatte Missstände nicht ansprechen zu können. Ich war aber auch noch nicht in der Situation, dass ich ein strafbares Verhalten eines Kollegen festgestellt habe. Jedoch war ich schon im Strafverfahren gegen Kollegen tätig zB bei Durchsuchungen bei Kollegen. Und da habe ich eher festgelegt, dass besonders sorgfältig gearbeitet wird, um sich eben nicht nachsagen lassen zu müssen, man hätte etwas zu vertuschen versucht.
Also die Konsequenzen für Strafvereitelung im Amt sind nicht ohne. Was die wenigsten wissen, bei Beamten findet eine Art Doppelbestrafung statt. Nach dem Strafverfahren folgt in der Regeln noch ein dienstrechtliches Verfahren. Ich glaube kaum, dass ein Kollege, ohne Not seine Verbeamtung und vorallem seine Pension aufs Spiel setzt. Ich kann mir nur vorstellen, dass es nur die Kollegen machen, die irgendwie mit drin stecken, erpressbar geworden oder einfach nur dumm sind.
Meiner Meinung nach ist nichts gegen eine Studie einzuwenden. Ich bin mir auch ziemlich sicher, dass eine solche Studie Missstände offen legen würde aber auch belegen würde, dass es bei weitem nicht so schlimm ist, wie es sich manche ausmalen.
Ich finde es gut, dass sich die meisten Politiker hinter die Polizei stellen. Aber manche scheinen es vielleicht zu gut zu meinen und erweisen den einzelnen Beamten mit ihrer Blockadehaltung einen Bärendienst. Es hat halt einen bestimmten Charme, wenn Forderungen nach Kontrollmaßnahmen nahezu ausschließlich aus grüner und linker Richtung kommen. Man sagt diesem Spektrum (ob berechtigt oder nicht) halt eine ideologisierte Polizeifeindlichkeit nach. Wenn solche Forderungen mal von den Konservativen kommen würde, wäre die Akzeptanz wahrscheinlich deutlich größer.
Bei den Gewerkschaften verhält es sich ähnlich. Es täte den Gewerkschaften und vorallem den Beamten gut, wenn man nicht zu jedem Thema seinen Senf dazugeben würde.
Ich habe auch nichts gegen eine unabhängige Ermittlungsbehörde. Aber ich glaube aus meiner Erfahrung heraus auch nicht, dass diese deutlich andere Ergebnisse liefern würde. Denn Kollegen, die gegen Kollegen ermitteln, machen das meiner Erfahrung nach eher sehr sorgfältig, um sich eben nicht nachsagen lassen zu müssen, sie hätten etwas vertuscht. In meiner Laufbahn wurde ein Mal gegen mich eine Anzeige wegen KV im Amt gestellt (ihr müsst mir glauben, wenn ich euch jetzt sage, dass die Vorwürfe erstunken und erlogen waren). Der mich im Verfahren vernehmende Beamte war in meinem Fall mir gegenüber maximal neutral. Er hat mir weder Ratschläge gegeben, noch hat er die gegen mich vorliegenden Vorwürfe mir gegenüber gewertet. Insgesamt sehr professionell.
Zu Rassismus kann ich auch aus eigenen Erfahrungen berichten. Ich habe unüberhörbar Migrationshintergrund. Ich bin mit meinen Eltern im Kindesalter aus Polen eingewandert. Nachteile oder Vorurteile habe ich in den Behörden, in denen ich bis jetzt tätig war, NIE erlebt. Im Gegenteil, ich gehe selber mit meinem Migrationshintergrund sehr offen und auch manchmal humorvoll um. Als ich mal mit einem Kollegen exemplarisch „Polenwitze“ ausgetauscht habe und mein Vorgesetzter das mitbekam, bat er mich kurz darauf zum Gespräch und fragte ernsthaft, ob mir diese Situation irgendwie unangenehm gewesen war und ob er den anderen Kollegen zurecht weisen sollte. Und eine ähnliche Ansprache hatte ich bei einer anderen Vorgesetzten. Also kann ich sagen, dass man schon sehr sensibel im Umgang mit Rassismus ist. Umso weniger kann ich verstehen, dass sich in Mülheim eine ganze Truppe zusammengefunden hat. In den Dienststellen, in denen ich gearbeitet habe, wäre sowas nicht möglich gewesen, davon bin ich überzeugt.
Das alles klingt nach einem Loblied auf die Polizei. Aber es sind halt meine Erfahrungen. Ich kann nicht ausschließen, dass außerhalb meiner Erfahrungsblase die Polizei ein rassistischer und krimineller Haufen von Berufsschlägern ist. Aber ich halte es für sehr unwahrscheinlich, dass ich das unbeschreibliche Glück hatte nur mit den wenigen netten und rechtschaffenen Kollegen zusammen gearbeitet zu haben.