Missbrauch: Wann wird ein Zeuge zum Angeklagten?

Liebes Lage-Team,

ich möchte anfragen, ob ihr euch ein bestimmtes Thema ansehen könntet. Es ist im Vergleich zu euren anderen Themen eher klein und auf politischer Ebene (Wahlen!) nicht relevant. Unabhängig davon finde ich persönlich aber wichtig, insbesondere in Bezug auf die individuelle Wahrnehmung des Themenkomplexes in der Bevölkerung und die abzuleitende Handlungsempfehlung.

Gerade ist das Urteil im Fall um Christoph Metzelnder gefallen. Im Zuge dessen wurde auch eine der Frauen verurteilt, denen Herr Metzelnder das kinderpornographische Material geschickt hat und die damit zur Polizei gegangen ist. Das Urteil beläuft sich auf eine Geldstrafe von 500€, ein m.E. glimpflicher Ausgang jedoch nicht gerecht.

Die generelle Verurteilung der Angeklagten wird darin begründet, dass sie sich zum Thema Kinderpornographie bzw. -missbrauch innerhalb des Chats positiv geäußert hat. Sie sagte aus, dass sie diese Äußerungen getroffen habe, um Interesse vorzuschützen, das entsprechende Material zu erhalten und der Polizei vorlegen zu können.

So zu handeln war laut Polizei und Gericht falsch.

Frage 1: Wie hätte sie sich richtig verhalten? Ich nehme an, dass die Frau nicht so weit hätte gehen dürfen sondern die Polizei zu einem früheren Zeitpunkt hätte einschalten müssen. Gibt es für so einen Fall eine offizielle Handlungsempfehlung von Seiten des Rechtssystems?

Der Anwalt der Angeklagten argumentierte, dass sie an ihrer Glaubwürdigkeit gegenüber einer öffentlich bekannten Person wie Herrn Metzelder zweifelte. Ich persönlich finde diesen Punkt verständlich und nachvollziehbar: Nicht nur im Fall von Kindesmissbrauch, sondern auch bei sexuellen Übergriffen auf Erwachsene, spielt die Frage, wem eher geglaubt wird, eine sehr große Rolle und ist häufig der Grund dafür, dass Missbrauchsfälle nicht oder erst nach langer Zeit gemeldet werden. Hier ist oft das Machtgefälle zwischen Opfer/Zeuge und Täter ausschlaggebend.

In diesem Fall geht die Überlegung noch ein Stück weiter: Die Angeklagte wurde vom Gericht bezichtigt, selbst entsprechende Interessen zu haben, da sie diese geäußert hat. Ihre Absicht war eine andere laut ihrer Aussage, sie ging ja mit dem Material zur Polizei. Diese Absicht wurde jedoch angezweifelt. Dieser Vorlauf ist, so meine ich sagen zu können, ein Albtraum für jeden Menschen.

Frage 2: Wie muss ein Zeuge sich verhalten, um nicht selbst einer Straftat, Mitwisserschaft etc. (oder wie auch immer die Begrifflichkeit lauten, entschuldigt bitte mein juristisches Unwissen) bezichtigt zu werden?

Im Detail: Welche Rechte und Pflichten hat er in einer solchen Situation? Was darf er er auf keinen Fall tun?

Ich finde es unerlässlich, dass hier Transparenz besteht, denn - und ich denke, mit dieser Meinung bin ich nicht allein - anderenfalls ist das Urteil gegen die Chat-Partnerin vor allem eines: abschreckend.

Eine Person, die das einzig Richtige macht, nämlich die Polizei einzuschalten, ist am Ende selbst angeklagt, und das m.E. ohne schlagkräftige, eindeutige Argumente. Das ist eine verheerende Botschaft, vor allem für alle Personen, die in einer solchen Situation impulsiv handeln und denen der strafrechtliche Informationsbackground fehlt. (Nicht zu vergessen: Durch den hohen Bekanntheitsgrad von Herrn Metzelnder schafft es die Story ganz nach oben in der Presse und bekommt entsprechend viel Aufmerksamkeit).

Ich persönlich bin entsetzt, einerseits über die Tatsache, dass die Frau angeklagt wurde aber auch über die Berichterstattung. Mir fehlt hier wie gesagt die Information für Zeugen und Betroffene dazu, „wie man es richtig macht“ inklusive der Message, wie wichtig ist, nicht wegschauen und den Mund aufzumachen.

Erst vor ein paar Tagen erreichte uns die Nachricht, dass ein riesiger Kinderporno-Ring gesprengt wurde. Das klappt nur, wenn die Menschen keine Angst haben, am Ende selbst vor Gericht zu stehen.

Ein schönes, sonniges Wochenende und viele Grüße

Sophia

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