Die Berichterstattung hinsichtlich des Militärs und der Waffenproduktion in unserem Land ist derzeit stark durch den Konflikt in der Ukraine beeinflusst. Das führt soweit, dass viele Medienhäuser, Parteien und unter diesem Eindruck scheinbar auch eine öffentliche Mehrheit einen Gesinnungswandel von 180 Grad im Vergleich zu ihren Positionen von vor dem Krieg vorgenommen haben. Manche These wird dabei recht evidenzbefreit verbreitet. Beispielsweise werden die erhöhten Militärausgaben als „längst überfällig“ und „dringend notwendig“ verklärt. Dass die Nato bereits vor diesen Ausgaben des Bundestags über eine deutlich größere und vor allem moderne Armee als Russland verfügte, wird ignoriert. Dass die Diskussion der Militärstärken von Supermächten im Zeitalter von Atomwaffen ohnehin vollständiger Irrsinn ist, wird als Argument vollständig aus dem Diskurs verbannt.
Mich beschäftigt deswegen die Frage, was eigentlich die Steigerung unserer Militärausgaben konkret bewirken soll. Diese Steigerung ist übrigens kein neues Phänomen, sondern eine Tendenz, die sich seit 2015 fortsetzt. 37 Milliarden € in 2017 erhöhten sich in den letzten 5 Jahren um über 30% auf 50,3 Milliarden Sondervermögen zur Stärkung der Bundeswehr | Bundesregierung. Sollten wir den Nato-Forderungen von 2% des BIPs nachkommen (2021 immerhin 3,6 Billionen) würde sich dieser Betrag weiterhin signifikant auf über 70 Milliarden erhöhen. Das wären gemessen am derzeitigen Haushalt schon um die 15% (zum Vergleich: Gesundheit 5%, Klima 3% Bundeshaushalt - Bundeshaushalt digital).
Für die 100 Milliarden Sonderausgaben gibt es auf die oben genannte Frage konkrete Antworten. Ein Großteil geht in die Luftwaffe (33%), 16% für Landkräfte und 8% für die See. Weitere 20% für „Führungsfähigkeit und Digitalisierung“ – es geht ernsthaft einen Absatz lang fast nur um Funkgeräte: Ministerin: „Wir sorgen für eine voll einsatzbereite Bundeswehr“ (bmvg.de) – und der restliche Betrag wird nicht weiter erörtert. Auffällig ist, dass nicht bessere Ausbildungsmöglichkeiten oder vergleichbares diskutiert werden, sondern nur Investitionen in Equipment. Konkret bedeutet das also, dass sich die deutsche, private Waffenindustrie über eine kräftige Finanzspritze freuen darf.
Ob diese Investitionen irgendeinen direkten Einfluss auf das Geschehen in der Ukraine nehmen werden, konnte ich nicht herausfinden. Klar ist, dass wir bis jetzt nur bereits hergestelltes Kriegswerkzeug lieferten. Vermutlich wird es von der Länge des Konflikts abhängen. Wie lange es aber noch dauert, dass die Früchte unserer Ausgaben einsatzbereit sind, konnte ich nicht herausfinden und das scheint auch nicht wesentlich diskutiert zu werden.
Es lässt sich bestimmen, dass 2022 der Großteil der Waffen Deutschlands in die Ukraine gegangen ist (Deutsche Rüstungsexporte 2022: Mehr als acht Milliarden Euro - ZDFheute). Mit 2,2 Milliarden Euro ist das trotzdem kaum mehr als ein Viertel unserer Exporte. Wenn das in einem heißen Krieg unser Beitrag sein soll, müssen wir dann davon ausgehen, dass der Großteil der 100 Milliarden Euro nicht für den Ukrainekonflikt, selbst wenn er sich noch über viele Jahre hinziehen sollte, eingesetzt wird?
Immerhin muss man der Ampel-Regierung zu Gute halten, dass sie Lieferungen an Drittländer abgesehen von der Ukraine stark eingegrenzt haben. Noch im Vorjahr wurden mit Begeisterung Waffen im Wert von über 4 Milliarden Euro nach Ägypten auf den Konflikt im Jemen geschmissen (Neue Bundesregierung genehmigt Rüstungsexporte für 2,2 Milliarden Euro (wiwo.de)). Umfang und Art der Exporte liegen dabei übrigens allein im Ermessen des Bundessicherheitsrats (Bundessicherheitsrat – Wikipedia). Das Parlament insgesamt hat nicht einmal ein Vetorecht (Wirtschaft: Waffenlieferant Deutschland - Wirtschaft - Gesellschaft - Planet Wissen (planet-wissen.de)). Sollte Interesse bestehen durch Korruption Lobbyismus Einfluss zu nehmen, ist dies also stark vereinfacht.